Badewut im 15. Jahrhundert

Als Ergänzung des Blogbeitrages „Was ist Moral“ seien die seit jeher willkürlich und unvorhersehbar wechselnden Moden und Sitten der Menschen an einem Beispiel aus der Geschichte veranschaulicht,  dazu bereitet uns das 15. Jahrhundert eine merkwürdige Überraschung: Die Badewut bricht aus. Ganz Deutschland bringt die Hälfte seiner Tage in Bottichen und Bassins zu. Man scheint das Gefühl zu haben, dass das Wasser zumindest vor einem schütze: vor Verbrennen. Das stimmt. Vor anderem wiederum schützt es nicht, im Gegenteil, kaum eine Meer-Jungfrau bleibt mehr Jungfrau. Ein kurzer Ausschnitt aus dem DEFA-FIlm „Till Eulenspiegel“ kann uns das muntere Treiben in einem solchen Badehaus veranschaulichen:

Die Aufforderung „Wir gehen heute ins Badehaus“ bedeutet damals etwa das gleiche, als würde man heute sagen: Treffen wir uns doch morgen im Café Kranzler oder in der Disco.

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Was ist Kontingenz?

Doppelte Kontingenz

Doppelte Kontingenz

Der Begriff der Kontingenz markiert heute eine Sonderstellung zwischen den traditionellen Modalitäten, er enthält Wirkliches (es ist etwas da), er enthält Mögliches (es könnte anders sein), und er enthält Notwendiges (es ist, wie es ist). Das heißt mit der Herausstellung der Kontingenz verlieren die einzelnen Modalitäten ihren Vorrang. Selbst- und Weltverhältnis des Menschen sind nicht mehr allein am Wirklichen oder Verwirklichten zu orientieren, wie das – grob gesagt – für die griechische Antike und die hebräische Religion gegolten haben wird; sie sind aber auch nicht mehr allein am Notwendigen, einem höchsten, mit aller Realität ausgestatteten und darin notwendig zu denkenden Sein, nämlich Gottes, zu orientieren, wie das für die christliche Philosophie der Scholastik verbindlich war; und sie sind schließlich auch nicht mehr allein am Möglichen, dem Inbegriff logischer Nicht-Widersprüchlichkeit zu orientieren, wie er aus scholastischem Denken in die Neuzeit überging. Kontingenz wahrt eine Zwischenstellung und partizipiert an den Modalitäten, weil sie derart dem menschlichen Dasein verhaftet ist, dass sie dessen ‚faktisches Sein’ (mit Kierkegaard gesprochen) nicht verlässt, aber ebenso wenig dessen Alternativmöglichkeiten, dessen Reflexionsfähigkeit und unumgängliche Einfügung in Bedingungsstrukturen verspielt. Leben vollzieht sich in den modalen Hinsichten, ist von ihnen her analysierbar, mit keiner von ihnen aber deckungsgleich oder in einem höchsten Sinn zu idealisieren, so als wäre wahres Leben letztlich notwendig, höchste Wirklichkeit oder pure Möglichkeit. Kierkegaards Existenzanalysen beschreiben genau das Überschneidungsfeld der modalen Hinsichten, beispielhaft im ‚Zwischenspiel’ der Philosophischen Brocken, in der Einleitung zum Begriff Angst und im ersten Teil der Krankheit zum Tode. Weiterlesen

Von der Liebe der Liebenden

Das habe ich unter anderem bei der meiner Suche nach einer Definition von „Sinn des Lebens“ in Wilhelm Schmid: „Die Liebe neu erfinden: Von der Lebenskunst im Umgang mit Anderen gefunden und will es hier zitieren:
Allein oder zu zweit? Die Frage nach dem erfüllten Leben
.Zwei, die einander zugeneigt sind: Kaum etwas ist so schön anzusehen. Sie kleben nicht aneinander, liegen nicht aufeinander wie Verliebte, sondern zeigen den Blick füreinander, die kleine Geste zweier, die von Grund auf Gefallen aneinander haben, miteinander vertraut sind, sich beieinander geborgen fühlen. Die ganze Fülle des Menschseins scheint sich in ihnen zu versammeln, eine weitergehende Frage nach dem Sinn des Lebens stellt sich nicht mehr.

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Über den Begriff „Nation“

Clans und Stammesverbände gibt es, seitdem die Erde von Menschen bewohnt ist; Nationen gibt es erst seit ungefähr zweihundert Jahren. Der Unterschied ist nicht schwer zu sehen. Ethnien entstehen quasi naturwüchsig, »von selbst«; Na­tionen sind bewußt geschaffene, oft ganz künst­liche Gebilde, die ohne eine spezifische Ideolo­gie nicht auskommen. Diese ideologische Grundlage, samt den dazugehörigen Ritualen und Emblemen (Flaggen, Hymnen), ist erst im neunzehnten Jahrhundert entstanden. Sie hat sich, von Europa und Nordamerika aus, auf der ganzen Welt ausgebreitet.

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Die Ich-Illusion

Wer mit der Idee Dörners „Bauplan für eine Seele“ Probleme hat, weil sie ihm die hehre menschliche Seele durch Dörners technische Beschreibung dieses ungewissen, abstrakten Etwas, das er Seele nennt, in Form eines Konstruktionsplanes vermieste, dem wird sich hier geholfen.
Gazzaniga erklärt uns diesen „Konstruktionsplan“ auf andere Weise und kommt trotzdem zu den gleichen Schlussfolgerungen wie Dörner darüber, was uns Menschen, unsere Seele bzw. unser ICH, im Unterschied zu Tieren ausmacht: die Fähigkeit über uns selbst als Abstraktum, als Illusion, nachdenken, uns gewissermaßen von außen, aus der Sicht eines anderen betrachten zu können.
Da unser Tun durch Naturgesetze determiniert wird – es besteht jedenfalls keine Notwendigkeit andere Erklärungsansätze für unser ICH oder das, was wir Seele nennen, vorauszusetzen – stehen wir vor der Frage, ob wir dann für unser Tun überhaupt moralisch oder strafrechtlich verantwortlich gemacht werden können. Ja, wir sind verantwortlich dafür was wir tun, denn wir können zumindest zwischen den Möglichkeiten „Tu ich’s?“ oder „Tu ich’s nicht?“ entscheiden. In Wirklichkeit stehen uns jedoch immer wesentlich mehr mögliche Handlungsalternativen zur Verfügung – die Zukunft ist der offene Raum der Möglichkeiten, die wir heute ergreifen oder morgen auch verschmähen können – et vice versa! Weiterlesen

Warum und wozu brauchen wir Philosophie, Wissenschaft und Ethik?

Wir haben von Dietrich Dörner auf 831 eng bedruckten Seiten erläutert bekommen, wie es möglich ist, einen „Bauplan für eine Seele“ zu erfinden, also modellhaft zu konstruieren, der unser Handeln und auch die menschliche Fähigkeit abstrakt denken zu können, plausibel und ausschließlich auf der Grundlage geltender Naturgesetze erklären könnte.
Mit Hilfe unseres Bedürfnisses zur Affiliation, zur Gesellung also, und unserer Fähigkeit zur Abstraktion, die uns im eigentlichen Sinne erst zu menschlichen Wesen, zum Homo sapiens sapiens, macht, schaffen wir uns eine gesellschaftliche und institutionelle Wirklichkeit, die aus abstrakten Dingen, wie kollektiver Intentionalität, Funktionszuweisungen und konstitutiven Regeln objektive Tatsachen erschafft, die nicht wesentlich durch die Naturgesetze determiniert werden müssen, um existieren zu können (John R. Searle „Die Struktur des gesellschaftlichen Universums. Wie der Geist eine objektive Wirklichkeit erschafft“ in „Geist, Sprache und Gesellschaft“). Wir schaffen uns auf diese Weise eine transzendente Kultur die rückkoppelnd auch wieder unser individuelles Weltbild, unser personales Bewusstsein und unsere individuellen Intentionen, prägt: Weiterlesen

Das Prinzip „Glück“

BoD_B2-Bellebaum_17517-1-28Um glücklich zu sein, muss man schon eine Menge Glück haben. Es ist eine weit verbreitete Meinung, dass das Glück einen überrascht wie ein Lottogewinn. Der Einsatz ist oft relativ gering, das Ergebnis lässt auf sich warten, aber man darf die Hoffnung nie aufgeben. Ob der Glücksfall dann auch wirklich eintrifft, wissen wir nicht. Erzwingen können wir ihn jedenfalls nicht. Ob wir dann richtig glücklich werden, wissen wir auch nicht. Wir sind aber guten Mutes, dass uns dann, wenn uns keiner mehr in der Sonne stünde, dazu schon etwas Zufriedenstellendes einfallen würde. Etwas erfahrungsgesättigter ist die Überzeugung der meisten Menschen, dass man mit einem dauerhaften Glück in diesem Leben wohl nicht zu rechnen hat. Manche halten es – wie die sauren Trauben – gar nicht für erstrebenswert, weil ihnen das Leben dann eintönig vorkäme. Aber die meisten würden dieses Risiko gern auf sich nehmen, wenn das „Schweineglück“ in Form von Geld, Erfolg, Macht oder sonstiger Güter bei ihnen vorbeischauen würde.

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