Die Bürgermeister

Alle diese Männer haben sicher, der eine mehr oder der andere weniger, auch unser Dorf geprägt – dass ein Matthias Hehl diese Reihe anführt, freut mich besonders. Er ist der zweitälteste Vertreter des Namens Hehl in Gehaus, ob er einer meiner Vorfahren ist, kann bisher nicht nachgewiesen werden.

Matthias Hehl, 1759 (von/bis ?)

Seine Amtszeit fällt in die Zeit des 7-jährigen Krieges und eines für unser Dorf dramatischen Ereignisses.
Im Verlauf der Kampfhandlungen dieses Krieges, des Machtkampfes zwischen Österreich und Preußen, versammeln sich Anfang März 1759 um Vacha herum Kontingente der Reichsarmee (Österreicher und ihre Verbündeten). Sie müssen dem Druck preußischer und der mit diesen verbündeten hessischen Truppen weichen und ziehen sich über Völkershausen südwärts auf Kaltennordheim zurück.
Bei ihrer Verfolgung geraten preußische Truppen unter dem Kommando des Hauptmanns von Kleist in unser Dorf und zerstören das damals mit Wehrturm, Wallgraben (Wassergraben) und wehrhaften Mauern festungsartig ausgebaute „Untere Schloss“. Die Drohung, das Dorf niederzubrennen, kann gegen die Summe von 750 Gulden Lösegeld, das die Boineburgs vorstrecken, abgewandt werden. Wegen Rückforderung dieses Geldes kommt es später zu einem heftig geführten Streit mit der Gemeinde.

Johann Peter Hoßfeld, 1791 (von/bis ?)

Er ist Zeitgenosse der französischen Revolution, deren Auswirkungen das Dorf erstmals durch die sich häufenden Durchmärsche und Einquartierungen preußischer und österreichischer Truppen zu spüren bekommt.

Matthäus Nordheim, 1808 – 1813

Schultheiß in der napoleonischen Zeit wird er nach französischem Muster in „maire“ umgetauft, seine Amtsstelle analog in „mairie“. Zwangsläufig Handlanger der Franzosen bleibt ihm keine andere Wahl, als mitzuhelfen, die dem Dorf von der Besatzungsmacht auferlegten Kriegslasten beizutreiben.

Adam Johann Steitz, 1813 – 1816
Georg Adam Hoßfeld, 1817 – 1835

Dem Ortsvorstand gehören damals weiterhin folgende Mitglieder an:
Curt Leutzsch, Chirurg 2. Schultheiß
Joh. Adam Lückert 1. Gerichtsschöppe
Simon Wiegand, Metzgermstr. 2. Gerichtsschöppe
Christoph Lückert 1. Vorsteher
Adam Joh.Steitz 2. Vorsteher

Adam Lückert, 1836 (von/bis ?)

wird im Kirchenbuch (Heiraten) von Gehaus anlässlich der Hochzeit seiner einzigen Tochter Anna Katharina mit Johann Georg Hehl als Gemeindevorsteher bezeichnet.

Johann Georg Hehl, 1841 bis 1845 (von ?)

wird anläßlich der Geburt seines Sohnes Andreas am 17.09.1841 als auch bei seinem eigenen Tode am 4. 11.1845 als Gemeindevorsteher bezeichnet.

Johann Georg Möller, 1845 – 1863

Zwei Fakten wollen wir ihrer Besonderheit halber der Nachwelt nicht vorenthalten.
Zum einen die dicken und langen Unterhosen für den Nachtwächter, die als immer wiederkehrender Ausgabeposten im Haushaltsplan der Gemeinde erscheinen.
Zum anderen, als echtes Sorgenkind, der um sich greifende verbotswidrige außereheliche Verkehr. Die Gehauser müssen es schon toll getrieben haben, wenn sich die Gemeindeväter veranlasst sehen, zur Unterstützung des überforderten Dorfpolizisten zusätzlich Gendarmerie ins Dorf zu holen.
Am Rande vermerkt: Die Bratwurst, nach unseren heutigen Begriffen von überdimensionaler Größe, samt „Doppelwecken“ kostet damals 6 Kreutzer = 18 Pfennige, der Liter Branntwein 80 Pf.

Martin Nordheim, 1864 – 1874
Marbach, 1875 – 1884

Im Februar 1886 erlebt das Dorf seinen ersten großen Skandal, als es erfahren muss, dass Bürgermeister Marbach das Stiftungskapital in Höhe von 300 Silbermark, von der gräflichen Familie für die Einrichtung einer Schul- und Jugendbibliothek gespendet, unterschlagen und mit dem Geld das Weite gesucht hat. Der Fall „Marbach“ ist lange Zeit das Dorfgespräch, für die Gemeinde zudem eine bittere Pille, weil sie für den Schaden aufkommen muss. Marbach soll sich nach Amerika abgesetzt haben.

Karl Gonnermann, 1885 – 1905

Ihm verdankt das Dorf den Bau der Hochdruckwasserleitung (1895), deren Installation er gegen mancherlei Widerstand durchsetzt. Manchem Gehauser gefällt es nicht, dass dadurch andere kommunale Aufgaben (Werterhaltungsmaßnahmen an Schule, Kirche, Brunnen u. a. m) gestrichen sowie für das bislang frei und kostenlos verfügbare Nass, in Form des Wasserzins nun auch noch Abgaben entrichtet werden sollen.
Andererseits, was soll ein Dorf ausrichten, wenn, wie damals, die Haushaltsrechnung ganze 1870 Mark in Einnahmen und 3490 Mark in Ausgaben ausmacht?

Christian Röllig, l906 – 1932

In Protokollen aus dieser Zeit geblättert, erfahren wir, dass es 1910 im Dorf zwölf Waisenkinder gibt, für deren Unterhalt in der Großherzogliche Waisen-Versorgungsanstalt in Weimar der Gemeindesäckel herhalten muss.
Im Armenhaus der Gemeinde sind damals die hoch betagte Witwe Kümmel untergebracht sowie der geistesschwache Andreas Wiegand, der auf diese Art benachteiligt als „Puidels Dres“ im Dorf seine traurige „Berühmtheit“ erlangt. Sein Essen erhält er reihum entsprechend der Besitzgröße von den einzelnen Haushalten des Dorfes.
Die Gehauser nehmen nicht alle Beschlüsse des Gemeinderates kritiklos hin. „Wenn das der Gemeinderat mit dem Gänserasen so beschlossen hat, so sind es lauter Drecksäcke“ meint im Juni 1914 der Adam Wald, sen. Und der Kaspar Zierheim sekundiert: „…d’r Puidels Dres ist mir lieber als der ganze Gemeinderat“. Pech beider ist, dass sie ihre Meinung öffentlich in der „Kaufmännischen“ Gastwirtschaft („Grüner Baum“) zum Besten geben und sie ebenso öffentlich in einer Ratssitzung wieder zurücknehmen müssen.
Der 1. Weltkrieg hinterlässt tiefe Wunden, soziale und wirtschaftliche Not und eine Kriegsschuld von 137 TM. Im Winter 1918 kommt eine schwere Grippeepidemie hinzu, der zufolge lt. Kirchenchronik ganze Familien daniederliegen.
Die Jugend des Dorfes, was Wunder nach 4 Jahren Krieg und einem sonst freudlosen Alltag, stürzt sich begierig ins Vergnügen. Wie der inzwischen verstorbene Johann Weih uns glaubhaft überliefert, sollen 1920 in Oechsen 120 Paare der Kirmesmusik gefolgt sein.
Wie allerorts lässt sich auch unsere Gemeinde diese Vergnügungseuphorie (Tanz, Kino, Theater, Karussell usf.), wie das aus dem „Ortsstatut über Lustbarkeitssteuer“ vom Jan. 1920 hervorgeht, in angemessener Weise bezahlen (Anlage).
Hausdurchsuchungen im Dorf sind keine Seltenheit mehr. Die Preisspirale dreht sich ununterbrochen und markiert, wahllos herausgegriffen, l920 folgende Preise auf ihrem Weg nach oben:

1 Kuh 5 000 Mark
1 Ziege 700 Mark
1 Gans 100 Mark
1 kg Butter 42 Mark
1 l Öl 37 Mark
1 kg Schmalz 39 Mark
1 Herrenanzug 700 bis 800 Mark
1 P. Damenstrümpfe 30 bis 70 Mark
1 P. Lederschuhe bis 500 Mark
Diese Angaben entstammen einer Urkunde aus dem Turmknopf unserer Kirche.

Was es damals mit dem Geld auf sich hat, möchte der Chronist doch noch am Beispiel des Friedrich Schanz, eines wahren Multifunktionärs unserer Gemeinde, der Nachwelt überliefern.
Schanz ist gleichzeitig oder nacheinander Gemeindediener, Ortspolizist, Steuereinnehmer, Vollstreckungsbeamter, Feldhüter, Schulläuter und Schulkehrer, später Wassermeister und Nachtwächter.
Für seine Dienste erhält er 1914 eine Besoldung von 240 Mark, 1921 von 1800 Mark im J a h r. Gegen Ende des Jahres 1923 sind es Millionen-, schließlich Billionenbeträge im M o n a t, bevor nach überstandener Inflation und Stabilisierung der Währung ab 1.1.1924 monatlich 20 Mark, s. g. Rentenmark, im Geldbeutel übrig bleiben.
Die Not der Nachkriegsjahre hat die Menschen fest im Griff. Zahlreiche Ausschüsse, wie der Ortspflege-, Wohlfahrts- und Fürsorgeausschuss sollen helfen, das Schlimmste von den Familien abzuwenden. Andererseits muss die Gemeinde ihrer leeren Kassen wegen zwangsläufig die Steuern anheben und den zahlreichen Anträgen auf Erlass oder Stundung von Abgaben (Wasserzins, Hundesteuer, Mieten, Pachten usw.) vielfach und endgültig ihre Absage erteilen.
Ausgaben sind daher strengen Maßstäben unterworfen. So wird 1926 der Antrag auf Neuanstrich einer Schultafel vom Rat zwar genehmigt, der Antrag auf Beschaffung neuer Schulterstücke für den Ortsbrandmeister jedoch abgelehnt, weil man meint, dass es ein alter, ausgedienter Militärrock auch tut.

Ludwig Hobert, 1933 – 1945

Gewollt oder ungewollt, ist er als Bürgermeister unseres Ortes der Weggenosse des „l000-jährigen Reiches“.
Für uns Gehauser daneben noch Schuhmacher und Landwirt, und weil sich der Chronist in eigener Sache gerne daran
erinnert auch noch Standesbeamter. Das Zeremoniell der Trauung ist damals denkbar einfach und spielt sich in der „Nebenstube“ ab. Stimmungsvolle Musik, Blumenschmuck, feierliche Ansprache und festlich gekleidete Menschen gehören noch nicht zum Ritual. Ludwig hat sich der Amtshandlung wegen seiner Schusterschürze entledigt, den Sonntagsrock übergezogen und ist eigentlich schon wieder dabei uns zu entlassen, nachdem wir und unsere Trauzeugen die Heiratsurkunde unterschrieben und wir seine Glückwünsche entgegengenommen haben.

Zierheim, Bernhard (SED) April 1945 – 6.10.1946

Ihm fällt die Aufgabe zu, nach dem Zusammenbruch der ersten schweren Not, besonders der ins Dorf strömenden Umsiedler Herr zu werden und auf Befehl der SMAD (Sowjetische Militäradministration) mit dem Wiederaufbau der örtlichen Selbstverwaltung zu beginnen.

Köhler, Willi (LDPD)

7.10.46 – 20.06.49

Baumbach, Max (LDPD)

21.6.49 – Okt. 1950

Hobert, Rudolf (LDPD)

Nov. 1950 – 22.12.55

Schulz, Horst (NDPD)

28.12.55 – 3.11.56

Diese vier Bürgermeister sehen sich in der Verantwortung, gleichzeitig mit dem Kampf gegen den täglichen Mangel die Entwicklung des Dorfes weiter voranzubringen.
Mit dem Bau der Leichenhalle und des Sportplatzes in den Jahren 1954/56 werden die ersten kommunalwirtschaftlichen Maßnahmen geplant und mit der Kraft der Bevölkerung im NAW auch erfolgreich verwirklicht.
Ein Schwerpunkt ist die Umgestaltung der Landwirtschaft und ihres Überganges zur genossenschaftlichen Produktion.

Jacob, Paul (NDPD) 9.11.56 – 14.08.61

ist der Bürgermeister in dieser bewegten Zeit des Wandels der gesellschaftlichen Verhältnisse in der Landwirtschaft und in dieser Funktion „Geburtshelfer“ ebenso bei der Gründung der ersten LPG des Dorfes wie auch bei dessen Übergang zum vollgenossenschaftlichen Dorf.
Die Fragen der Landwirtschaft haben absolute Priorität und fehlen auf keiner Tagesordnung des Rates und der Gemeindevertretung

Pforr, Herbert (SED) ab 15.08.1961 – 1999

Ihm hat das Dorf viel zu verdanken. Seine Amtszeit ist geprägt durch die Aufwärtsentwicklung auf allen Gebieten der Kommunalwirtschaft. Kanalisation und Straßenbau, die bessere Versorgung mit Trinkwasser, mehr Waren in größeren Verkaufsstellen, moderne Schul- und Kindereinrichtungen, das gastronomische Niveau, neue Sportstätten und anderes mehr gehören dabei ebenso dazu wie sein ganz persönliches Engagement bei der Verwirklichung dieser Maßnahmen. Er war Bürgermeister bis zur Eingemeindung von Gehaus nach Stadtlengsfeld.

Sybille Franke

1999 – 2003

Karsten Seelig

2003 – ….


Bücher und DVD über Geschichte, Landschaft und Kultur der Rhön und Thüringens
– nach Themen sortiert –


 

2 Kommentare

  • dr. ute meister

    hallo, lieber autor hehl, mein vater, paul jacob, gehörte zu den bürgermeistern des ortes in den 50er jahren. er schreibt sich aber mit C, also JACOB. wir wohnten sehr beengt neben dem elternhaus meines vaters in der mittleren straße mit der familie kleffel in einem alten fachwerkhaus. ein zimmer, das mit einer bretterwand notdürftig zu kleinem wohn-, essraum und noch kleinerem schlafraum abgeteilt war, bewohnten wir zu 4., mit mutter waltraut, vater „peter“-paul und bruder roland . 1957 kam dann noch der nachzügler andrea dazu. die küche und die abstellkammer mit kaltwasserbecken waren in der kalten jahreszeit kaum nutzbar… erst 1958 zogen wir in die zwei räume mit balkon und herrlichem blick auf den baier, und kleinem nebenzimmer (wohl vom bauherrn Dürrer? als bad gedacht) die durch den wegzug der familie meiss in den westen in der obergasse am schloss frei wurden. schön, dass sie sich um die geschichte des ortes bemühen und sie offenkundig machen! mit besten grüße ute meister, geb. jacob, geboren 1946 in dermbach

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