Geografie und Geschichte des Tullifeldes

Nach einer Urkunde Königs Arnolfs de A. 889. (ab Eckhart. cit. loc. p. 712. 895.) gehörte selbiger zu den ostfränkischen Gauen, und seiner wird bereits entweder vor der Mitte des achten Jahrhunderts, wenn anders dem bey Schöttgen. & Kreysig. Diplomatar. Tom I. p. 3. befindlichen Bestättigungsbriefe der beyden fränkischen Majorum Domus, Carolomanni und Pippini, die von A. 741. bis 747. gemeinschaftlich regieret haben, (Annal. Francor. ad d. A. in Freher. Script. rer. germ. Tom. I. p. 5. seq.) zu glauben stehet, oder, nach der Schenkung de A. 779. (beym Schannat. corp. Trad. Fuld. nr. 61.) von solcher Zeit an, bis zu Ende des zwölften Jahrhunderts, nach dem Stiftungsbriefe de A. 1191. (in Schannat. Diœces. Fuld. p. 268.) in Urkunden namentlich erwähnet, ja noch ums Jahr 1359. kommt sein Name in einem alten Lehenverzeichniß in den·Worten: Beze von  Schafhusin hat zu Lehin – daz zentgrauen Ampt zu Suntheym in dem Tullefeylde – zum  geographischen Unterschied eines andern gleichbenamten Orts im benachbarten Grabfeld, mit vor. Auch wird er öfters eine Provinz genennet, (Pistor. libr. II. Trad. Fuld. nr. 206. 212. 214. 232. 250. Edit. Struv.  Schannat C. T. F. nr. 485. 487. 509. 513. 586. und Lünig. Spicil. Eccl. Tom. III. p. 147.) und war ein  Stück des Landstrichs Buchen.

Ob Tullifeld von dem alten Worte dôl oder doldir, so einen niedrigen plattliegenden Ort, eine zu Wiesen und Weide bequeme Gegend anzeigen soll, (Boxhorn. antiqu. linguæ Britann. Lexicon. p. 27.) und wovon Wachter (in Glossar. germ. p. 168o.) das Wort Thal herleitet, weil solcher Gau größtentheils aus Bergen und Thälern, und also aus guten Viehweiden und Wiesenwachs bestanden, oder von dem Worte Dill, Döll, Till, so nach Schilteri Thesaur. Antiqu. Teuton. Tom. III. p. 248. eine hölzerne Umzäunung bedeutet, und noch in einem vom Hennebergischen Samt Lehnhofe A. 1606. am 2o. April Moriz Hermann Marschalchen von Ostheim zu Schleusingen ertheilten Lehnbriefe in den Worten: – verleihen ihme die grose Kemmaten oder Behausung – vnd allen andern Zugehörungen, das dieser Zeit mit einem hölzern Döll oder Geblenck vmbbauen und befriediget – gebraucht ist; vielleicht weil dessen Einwohner ihre Ländereyen mit Stangen, Plancken, Brettern und anderm Holzwerk zu umzäunen, sonderlich gewohnt gewesen, solches mag den Sprachforschern zur weitern Beschäftigung ausgestellet bleiben.

Von Kennern der Geschichte mittler Zeiten werden die Gränzen dieses Gaues verschieden angegeben. Heyberger (in Ichnograph. Chron. Bamb. P. I. c. 16. p. 13.) setzt dessen Lage zwischen die Flüsse Wirraha, Kazzaha, Streuua und Ulstra, und giebt ihm das östliche und westliche Grabfeld mit dem Salageuue zur Gränze. Und auf seiner über die alten Schenkungen vor das Hochstift Bamberg entworfenen, in der Bambergischen wegen der Amts und Marktfleckens Fürth im Jahr 1774. gegen Brandenburg zum Vorschein gekommenen Deduktien ad pag. 51. befindlichen diplomatischen Landkarte ziehet sich das gezeichnete Stück des Gaues Tullifeld zwischen dem Elz- und dem Streufluß , und wo beide sich vereinigen, dergestalt herunter, daß davor der Pagus Baringe gar weggeblieben ist. Auf der Schannat. Corp. Tradit. Fuld. vorgesetzten Karte lieget der Pagus Tullifeld zwischen der Ulster in Westen, und bis oberhalb Kaza zur Werra in Osten, hat gegen Morgen das östliche, und gegen Abend das westliche Grabfeld, dann gegen Mittag wieder ein Stück des östlichen Grabfeld mit dem darinn liegenden Gau Baringe, und Mitternachtwärts die Werra, bis sie sich mit der Ulster vereiniget, zu Gränzen. Und mit dieser Zeichnung kommt auch die Lage des Tullifeldes auf der Karte vom Ducatu Austrasorium s. Franciæ Orientalis in Chronico Gottwicensi überein, nur daß darinn die Gränze gegen Mittag bis an die Gebürge Ronaha im Pago Salagewe, und an den Pagum Baringe, und gegen Mitternacht bis an die Provinz Süd-Thüringen genauer bestimmt ist. An solchen beyden gezeichneten Lagen des Tullifelds möchte doch dieses etwa zu verbessern seyn, daß seine nordliche Gränze bis an den Pagum Hassonum s. Hessorum, der einen ansehnlichen Theil Ostfrankens ausmachte, (Chron.  Gottwic p. 627.) keineswegs aber, wie Junker (cit.  loc. p. 227.) irret, den Pagum Grapfeld mit unter  sich begreife, und an einen Theil des zu der Provinz Süd-Thüringen gehörigen, und bis an deren äußersten Ende gegen das Grabfeld hin sich ausdehnenden Pagi Uuestergowe, wie in Meusels Geschichtforscher 4. Th. p. 168. bemerkte ist, und die westliche Gränze sich noch über den Fluß Ulster weiter hinüber erstrecket, gegen Osten aber nicht allenthalben bis an die Werra gereichet, sondern oben disseits Salzungen an, herabwärts gegen Rostorphe Kazaha zu, ohnweit Helmbricheshusun vorbey, und bis gegen Wüsten Sachsen, der  Julier Universität in Würzburg gehörig, hin, sich zugespitzet hat, wie zum Theil mit gutem Grunde ab Eckhart (in Animadv.·hist. critic. p. 80.) schon bemerket, zum Theil auch daher abzunehmen ist, da z. E. Salzunga in finibus Thuringiæ, (beym Schannat. C. T. F. nr. 454.) und dann weiter herunterwärts Rostorphe (ap. Eund. c. l. nr. 162. 400. 586.) im Tullifeld, das eine halbe Stunde etwa davon entfernte  Rosaha aber (ap. Eund. in Diœc. Fuld. nr. 35. p. 264.) schon im Grapfeld liegend angegeben wird,

Solchem nach hat dieser Gau, nach der heutigen Erdbeschreibung, einen Theil des Hessen-Casselschen Amts Vacha, ingleichem der Fuldischen Aemter Geysa und Bieberstein, das Würzburgische Amt Auersberg oder Hilters, das Sachsen-Eisenachische Amt Kalten-Nordheim, nebst einem Stück der Aemter Lichtenberg und Creyenberg, den größten Theil des Sachsen-Meiningischen Amts Sand, nebst einem kleinen Stück des Amts Salzungen, das zwischen Fulda und Sachsen-Weimar, vermöge Recesses vom 24. May 1764. in Heims Abhandlung von der Schlacht bey Fladenheim c. p. 72.·seq. getheilte Amt Fischberg oder Dermbach, und die Gebiethe derer Freyherren von Mansbach und von und zu der Tann, ingleichem derer Freyherren von Boyneburg und von Müller zu Stadt Lengsfeld, in sich begriffen. In solchen Bezirk war auch ein Theil der bekannten Röhn-Gebürge, deren Benennung Eckhart (Rer. Fr. orient. Tom. I. p. 3.) von rauh herleitet, mit eingeschlossen, welche ehedem das ost- und westliche Grabfeld mit scheideten, (Schannat Buchon. Vet. p. 221.) und in deren Gegend, nach der Meynung Abels, (in deutschen und sächsischen Alterthümern 1. Th. p. 469.) der letztere Thüringer-König Hermanfrid A. 524. in einem Treffen von den Franken überwunden worden seyn soll, wiewohl diese Meynung Böhme (in Prolus. de Runibergo p. xiv.) mit Gründen widerleget hat. Einer von solchen gegen Hilters hin gelegenen Röhnbergen scheinet zwar in der Urkunde beym Pistor. II. nr. 244. Usgo genennet worden zu seyn, der Abdruck aber beym Schannat. (C. T. F. nr. 554.) zeiget, daß das lateinische Wort usque vor den deutschen Namen eines Berges misverstanden worden.

Unter den beträchtlichen·Flüssen des Tullifelds sind bereits die Ulster, welche gegen die unterste Spitze des Gaues, nach Wüsten-Sachsen zu, entspringet, vermöge der Urkunden beym Schannat, (c. l.·nr. 409. u. 554.) die Uraha, Rotunbah und Weitaha einnimmt, und sich darauf unterhalb Vacha mit der Werra verreiniget; so wie die nurgedachte Werra, welche diesen Gau nur an einem Stück gegen Norden hin bestreichet, vorhin  genennet. Hiezu kömmt noch die Feldaha, (Schannat. Diœc. Fuld. in Cod. prob. p. 268.) welche Eckhart (in Animadv. p. 89.) nach der gemeinen Aussprache den Vellafluß nennet, sonst aber ohnweit Kalten-Nordheim entspringet, und bei Dorndorf im Amte Creynberg sich in die Werra ergießet. Die im Feldagrund gesessenen Inwohner haben den uralten Namen ihres Gau Tullifeld dadurch unsern Zeiten überliefert, wenn sie zuweilen noch heutigen Tags die Tüllfelder, und scherzweise Dollfelder pflegen genannt zu werden. Sonst nehmen auch die kleinen Flüsse Heriphe, Kazaha, Rosaha und Streuue in solchem Gau, und zwar ersterer ohnweit Schafhausen im Amte Lichtenberg, der zweyte oberhalb Ober-Kaz im Amte Sand, der dritte bei Roßdorf aus dem Siedeborn, und der letztere unter Hilters den Anfang, weil sie aber nicht allzuweit in ihrem Fortlauf schon die Gränzen verlassen, so mag ihrer hier nicht weiter zu gedenken seyn. So viel bey der historischen Dunkelheit dieser alten Zeiten aus den vorhandenen wenigen Urkunden wahrzunehmen;

aus J. G. Meusel: Vom Gau Tullifeld


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