Gioacchino Rossini: „Cujus animam“ aus dem Stabat Mater

Das Stabat Mater von Gioachino Rossini (1792 – 1868) ist eine von seinen raren geistlichen Kompositionen. Die Originalfassung von Rossinis Vertonung des Stabat-Mater-Textes wurde 1832 in Madrid (Convento de San Felipe el Real) uraufgeführt. Sie umfasste Teile von Rossini, der wegen einer Erkrankung nicht alles hatte fertigstellen können, und mehrere Nummern aus der Feder von Giovanni Tadolini.

Die Geschichte des Stabat Mater von Gioachino Rossini könnte der Stoff für einen überaus spannenden Roman sein: Nach dem Wilhelm Tell von 1829 schrieb Rossini ja keine Oper mehr und legte eine größere schöpferische Pause in, auch wegen beträchtlicher gesundheitlicher Probleme. Trotzdem ließ er sich 1831 von dem hochangesehenen spanischen Staatsrat Varela zu einem Stabat Mater überreden, schrieb allerdings nur die heutigen Nummern 1 und 5-9 selbst und ließ die übrigen, von Krankheiten geplagt, von seinem Schüler Giovanni Tadolini komponieren. Varela erhielt also das fertige Werk, allerdings mit der Auflage, es nicht zu veröffentlichen. Nach Varelas Tod gelangte das Manuskript aber an den Pariser Verleger Antoine Aulagnier, der es natürlich veröffentlichen wollte. Rossini verbot es mit der Drohung, „den Verleger bin zum Tode zu verfolgen“. Rossini muss aber wohl schon 1837 die von seiner Hand fehlenden Teile ergänzt und Tadolinis Nummern entfernt haben und so kam es 1842 zur Uraufführung der heute vorliegenden zehnteiligen Fassung, die eindeutig komplett von Rossinis Hand ist. Das Werk wurde schon bei der Pariser Uraufführung zu einem sensationellen Erfolg:. Gaetano Donizetti, der die italienische Erstaufführung in Bologna leitete, berichtet: „…Die Begeisterung kann unmöglich beschrieben werden. Nach der letzten Probe, der Rossini bei hellem Tageslicht beiwohnte, wurde er mit lauten Zurufen von mehr als 500 Leuten nach Hause begleitet. Das Gleiche ereignete sich unter seinen Fenstern nach der Premiere…“
Die Musikkritik in Frankreich und Italien zeigte dieselbe stürmische Begeisterung, nur von deutscher Seite gab es kritische Anmerkungen. Richard Wagner sprach von „Opernhafter Oberflächlichkeit“, das „Stabat Mater“ wurde vielfach als zu weltlich, zu angenehm und zu schön für den tieftraurigen besungenen Text bezeichnet. Nur Heinrich Heine nahm Rossini in Schutz und bewunderte Naivität und Unschuld der Komposition.
Rossini war sich zweifellos des Problems bewusst, dass bei einer Komposition, die über einen so langen Zeitraum hinweg entstand, nur schwer stilistische Einheit herzustellen war. Dies scheint ihm ein besonderes Anliegen gewesen zu sein, denn formal und motivisch gibt es eine ganze Reihe von Verflechtungen, so wird nicht nur in der Nummer 10 der Werkanfang wieder aufgegriffen. Trotz einer enormen Vielfalt – opernhaftes neben A-capella-Stil, Belcanto neben Fuge und eingebundener Imitation – sind die einzelnen Nummern in eine zyklische Form eingebunden. Ist der erste Satz noch ein Lamento ganz in barocker Tradition, so lichtet sich im zweiten Satz die Düsternis und macht einer bravourösen, bis zum hohen Des reichenden Tenorarie Platz, die kaum Deutungstiefe erkennen lässt und nach wie vor im Brennpunkt der Kritik steht: Was hat eine Bravourarie in einem Werk verloren, das vom unsäglichen Leid Mariens handelt; wie bringt man das Bild von der Mutter, die zu ihrem gekreuzigten Sohn aufblickt, in Einklang mit dem heiteren Marschthema? Heine hat es so verstanden: „…das ungeheure erhabene Martyrium ward hier dargestellt, aber in den naiven Jugendlauten, die furchtbare Klagen der Mater Dolorosa ertönten, aber wie aus unschuldig kleiner Mädchenkehle…“
Jedenfalls bleiben dem Hörer überaus tragische Details, teilweise in den Begleitfiguren, nicht verborgen und der emotionale Eindruck, den das Werk vermittelt, ist spätestens bei der Doppelfuge zum Schluss überwältigend. Hier scheint die Wucht von Verdis Requiem schon vorweggenommen. [Link zur Quelle]

In den 1860er Jahren hat Franz Liszt das Cujus Animan aus diesem Stabat Mater Rossinis für Orgel und Tenor (als auch für Orgel und Posaune) transkribiert. Die Fassung für Tenor und Orgel habe ich für Orgel solo umgearbeitet.

Lateinischer Originaltext
gedichtet um 1200–1300
Gereimte Übertragung
Christoph Martin Wieland 1779
Gereimte Übertragung
Heinrich Bone 1847
2. Cuius animam gementem, Contristantem et dolentem
Pertransivit gladius.
Ach! wie bangt ihr Herz, wie bricht es,
da das Schwerdt des Weltgerichtes
tief durch ihre Seele geht!
Durch die Seele voller Trauer, schneidend unter Todesschauer,
jetzt das Schwert des Leidens ging.

Ich habe dieses Werk mit Samples der Riegerorgel des Konzerthauses Wien (Vienna Konzerthaus Organ) eingespielt.

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