J. S. Bach: Chaconne aus BWV 1004 auf dem Lautenklavier

Ciaccona/Chaconne d-moll
5. Satz aus der Partita für Solo-Violine BWV 1004

Dass die Chaconne am Ende der Partita BWV 1004 etwas zu bedeuten hat, daran gibt es keinen Zweifel. Ausgehend von einer Hypothese, dass in der Musikwissenschaft diese Chaconne als Tombeau oder Epitaph, mithin als musikalisches Grabmal für Maria Barbara Bach gedeutet wird, kann man die Transkription für Laute nur als konsequent bezeichnen, da das Tombeau damals bevorzugt auf Laute oder Cembalo gepflegt wurde. Weiterlesen

Der Zufall bei Niklas Luhmann

Evolution - Zufall oder Schöpfung?

Nachdem ich nun meine Interpretation des Zufalls zum Besten gegeben habe, will ich auch Herrn Niklas Luhmann die Chance geben, sich dazu zu äußern. 

»Die Bedeutung von Zufall in der Evolutionstheorie könnte so verstanden werden, als ob die Theorie auf ein Postulat der Unkenntnis gegründet sei — Unkenntnis bezogen auf die mikrophysikalischen, chemischen, biochemischen, neurophysiologischen, psychologischen Prozesse, die dann letztlich doch determinieren, was geschieht.[1] Damit würde das Problem jedoch auf eine erkenntnistheoretische Fassung und auf ein Paradox (Wissen gründet auf Nichtwissen) reduziert werden. Aber dies ist nur ein Sonderfall eines viel allgemeineren Gesetzes, daß nämlich Systeme immer begrenzte (reduzierte und gesteigerte) Resonanzfähigkeit aufweisen und füreinander, wenn man so formulieren darf, nur über „windows“ (Fenster) zugänglich sind. In anderen Begriffen könnte man auch sagen, daß alle Systeme Messungen durchführen müssen, um Informationen zu erzeugen, nach denen sie sich richten können. Deshalb ersetzt ein System Vollkenntnis der Umwelt durch Einstellung auf etwas, was für es Zufall ist. Nur dadurch ist Evolution möglich.

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Der Zufall in der Physik

Zufall populärwissenschaftlich bezweifeltWährend im alltäglichen Sprachgebrauch alles als zufällig bezeichnet wird, was man nicht vorhergesehen hat, wird durch die Mathematisierung der modernen Naturwissenschaften der Begriff des Zufalls wesentlich verschärft. Nach der klassischen Physik ist der Zufall eine rein subjektive Erscheinung, die darauf gegründet ist, dass ein vollkommen determiniertes Geschehen nicht durchschaut und vorausberechnet werden kann. Nach der Mathematik der Quantentheorie sind die Möglichkeiten eines Systems ebenfalls vollkommen festgelegt, aber nicht deren Realisierung als Fakten. Fakten ergeben sich, wenn die Schichten der Naturbeschreibung von Quantenphysik und klassischer Physik miteinander agieren. Die sich im Einzelfall ergebenden Fakten sind objektiv zufällig. Die Annahme, sie seien an sich wohlbestimmt aber unbekannt, ist experimentell widerlegt. Da aber in jedem Fall die Fakten sich nur im Rahmen der naturgesetzlich festgelegten Möglichkeiten realisieren können, unterscheidet sich der quantenphysikalische Zufall von einer reinen strukturlosen Willkür, die gleichsam „alles” als möglich erachten würde.

aus:
Görnitz, Thomas & Görnitz, Brigitte
Der kreative Kosmos
Geist und Materie aus Quanteninformation

Alles Lebendige sucht nach einer besseren Welt

„Alles Lebendige sucht nach einer besseren Welt. Menschen, Tiere, Pflanzen, sogar Einzeller, sind immer aktiv. Jeder Organismus ist dauernd damit beschäftigt, Probleme zu lösen. Und die Probleme entstehen aus Bewertungen seines Zustandes und seiner Umwelt, die er zu verbessern sucht.“

POPPER, KARL:
Auf der Suche nach einer besseren Welt,
München, 1984

Völlig einverstanden, es wäre nur noch zu ergänzen, was denn nun sein „Verbessern“ für einen Zweck verfolgt, warum er sich selbst und die „Umwelt“ zu verbessern sucht:
Alle Motive seines Handelns erwachsen aus seinen Bedürfnissen. Wenn er also sich und seine Umwelt „verbessern“ will. dann tut er das, um seine egoistischen Bedürfnisse leichter und komfortabler (also besser)  befriedigen zu können.

Julia Shaw: Meine Version der Wahrheit

Zum Video:
Erinnerungen gelten allgemein als authentisch, besonders auch als Zeugenaussagen vor Gericht. Forscher konnten nun nachweisen, dass sich dem Gedächtnis Erinnerungen von Ereignissen einpflanzen lassen, die nie stattgefunden haben. Wie genau entstehen falsche Erinnerungen und wie lassen sie sich von den wahrhaftigen unterscheiden?

Zitat aus dem Buch von Julia Shaw
DAS TRÜGERISCHE GEDÄCHTNIS, Wie unser Gehirn Erinnerungen fälscht
Aus dem Englischen von Christa Broermann, Carl Hanser Verlag, 2016

Nachdem uns Julia Shaw  in ihrem Buch DAS TRÜGERISCHE GEDÄCHTNIS an Beispielen und mit Experimenten bewiesen hat, wie unzuverlässig unser Gedächtnis funktioniert, ja wir uns sogar an Geschichten als unbezweifelbar wahr erinnern, die nie geschehen sind, macht sie in diesem Kapitel deutlich, dass dies in vielen Fällen auch eine Voraussetzung dafür sein kann, dass wir uns mit unserer Vergangenheit – also mit unserem bisher gelebten und erfahrenen Leben – glücklich fühlen können.

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Über Wahrheit und Lüge im außermoralischen Sinne

Aus dem Vorwort zu
Historischer und kritischer Kommentar zu Friedrich Nietzsches Werken:
Kommentar zu Nietzsches „Ueber Wahrheit und Lüge im aussermoralischen Sinne

von
Sarah Scheibenberger

Eine philosophische Auseinandersetzung mit Friedrich Nietzsches Ueber Wahrheit und Lüge im aussermoralischen Sinne (1873) zu unternehmen heißt, sich mit einer der – ungeachtet ihrer Kürze – wichtigsten und reichsten Schriften zu konfrontieren, die Nietzsche der abendländischen Philosophie hinterlassen hat. Weiterlesen

Badewut im 15. Jahrhundert

Als Ergänzung des Blogbeitrages „Was ist Moral“ seien die seit jeher willkürlich und unvorhersehbar wechselnden Moden und Sitten der Menschen an einem Beispiel aus der Geschichte veranschaulicht,  dazu bereitet uns das 15. Jahrhundert eine merkwürdige Überraschung: Die Badewut bricht aus. Ganz Deutschland bringt die Hälfte seiner Tage in Bottichen und Bassins zu. Man scheint das Gefühl zu haben, dass das Wasser zumindest vor einem schütze: vor Verbrennen. Das stimmt. Vor anderem wiederum schützt es nicht, im Gegenteil, kaum eine Meer-Jungfrau bleibt mehr Jungfrau. Ein kurzer Ausschnitt aus dem DEFA-FIlm „Till Eulenspiegel“ kann uns das muntere Treiben in einem solchen Badehaus veranschaulichen:

Die Aufforderung „Wir gehen heute ins Badehaus“ bedeutet damals etwa das gleiche, als würde man heute sagen: Treffen wir uns doch morgen im Café Kranzler oder in der Disco.

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Was ist Kontingenz?

Doppelte Kontingenz

Doppelte Kontingenz

Der Begriff der Kontingenz markiert heute eine Sonderstellung zwischen den traditionellen Modalitäten, er enthält Wirkliches (es ist etwas da), er enthält Mögliches (es könnte anders sein), und er enthält Notwendiges (es ist, wie es ist). Das heißt mit der Herausstellung der Kontingenz verlieren die einzelnen Modalitäten ihren Vorrang. Selbst- und Weltverhältnis des Menschen sind nicht mehr allein am Wirklichen oder Verwirklichten zu orientieren, wie das – grob gesagt – für die griechische Antike und die hebräische Religion gegolten haben wird; sie sind aber auch nicht mehr allein am Notwendigen, einem höchsten, mit aller Realität ausgestatteten und darin notwendig zu denkenden Sein, nämlich Gottes, zu orientieren, wie das für die christliche Philosophie der Scholastik verbindlich war; und sie sind schließlich auch nicht mehr allein am Möglichen, dem Inbegriff logischer Nicht-Widersprüchlichkeit zu orientieren, wie er aus scholastischem Denken in die Neuzeit überging. Kontingenz wahrt eine Zwischenstellung und partizipiert an den Modalitäten, weil sie derart dem menschlichen Dasein verhaftet ist, dass sie dessen ‚faktisches Sein’ (mit Kierkegaard gesprochen) nicht verlässt, aber ebenso wenig dessen Alternativmöglichkeiten, dessen Reflexionsfähigkeit und unumgängliche Einfügung in Bedingungsstrukturen verspielt. Leben vollzieht sich in den modalen Hinsichten, ist von ihnen her analysierbar, mit keiner von ihnen aber deckungsgleich oder in einem höchsten Sinn zu idealisieren, so als wäre wahres Leben letztlich notwendig, höchste Wirklichkeit oder pure Möglichkeit. Kierkegaards Existenzanalysen beschreiben genau das Überschneidungsfeld der modalen Hinsichten, beispielhaft im ‚Zwischenspiel’ der Philosophischen Brocken, in der Einleitung zum Begriff Angst und im ersten Teil der Krankheit zum Tode. Weiterlesen

Von der Liebe der Liebenden

Das habe ich unter anderem bei der meiner Suche nach einer Definition von „Sinn des Lebens“ in Wilhelm Schmid: „Die Liebe neu erfinden: Von der Lebenskunst im Umgang mit Anderen gefunden und will es hier zitieren:
Allein oder zu zweit? Die Frage nach dem erfüllten Leben
.Zwei, die einander zugeneigt sind: Kaum etwas ist so schön anzusehen. Sie kleben nicht aneinander, liegen nicht aufeinander wie Verliebte, sondern zeigen den Blick füreinander, die kleine Geste zweier, die von Grund auf Gefallen aneinander haben, miteinander vertraut sind, sich beieinander geborgen fühlen. Die ganze Fülle des Menschseins scheint sich in ihnen zu versammeln, eine weitergehende Frage nach dem Sinn des Lebens stellt sich nicht mehr.

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Über den Begriff „Nation“

Clans und Stammesverbände gibt es, seitdem die Erde von Menschen bewohnt ist; Nationen gibt es erst seit ungefähr zweihundert Jahren. Der Unterschied ist nicht schwer zu sehen. Ethnien entstehen quasi naturwüchsig, »von selbst«; Na­tionen sind bewußt geschaffene, oft ganz künst­liche Gebilde, die ohne eine spezifische Ideolo­gie nicht auskommen. Diese ideologische Grundlage, samt den dazugehörigen Ritualen und Emblemen (Flaggen, Hymnen), ist erst im neunzehnten Jahrhundert entstanden. Sie hat sich, von Europa und Nordamerika aus, auf der ganzen Welt ausgebreitet.

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