Camille Saint-Saëns: Drei Präludien und Fugen op. 109

Die Trois Préludes et Fugues op 109 hat Saint-Saëns im Februar 1898 in Las Palmas fertiggestellt. Ebenso wie die Präludien und Fugen der ersten Sammlung sind es Werke unterschiedlichen Charakters und  auch hier enthält sich Saint-Saëns jeglicher Angaben zur Registrierung.
Saint-Saëns war bekannt für seine improvisierten Fugen und op, 109 demonstriert auch die „sauberen, klaren, prägnanten Themen und deren überraschend geniale Gegenthemen, die exquisit und erfindungsreich verarbeitet werden“, wie Huré schrieb. Saint-Saëns selbst erzählte die Anekdote von der Braut, die ihn mit der Bitte schockierte, keine Fugen bei ihrer Hochzeit zu spielen, weil sie zu ernst seien; und während op. 150 eine Reihe von improvisatorischen Möglichkeiten aufzeigt, beweist op. 109 auch die kompositorische Vielfalt seiner Fugen. Die erste und die dritte aus op 109, in d-Moll bzw. C-Dur,  sind im dem großen Stil entworfen. Die Fuge G-Dur ist jedoch voller Charme, Anmut und Balance wie man man sie oft  in von seiner Musik findet. Vierne lobt die Trois Préludes et Fugues wegen ihrer Form und Klangfarbe und behauptet, dass sie „… im Repertoire jedes Organisten, der wirklich diesen Namen verdient, wegen ihres hervorragenden Stils als auch deren Anforderungen an die Virtuosität “ zu finden sein sein sollten.

Es folgen die Einzelbesprechungen der drei Werke und die eingebetteten YouTube-Videos:

Nr. 1 Prélude et Fugue d-moll (gewidmet Gabriel Fauré)

Wie schon früher die Trois Rhapsodies sur des Cantiques bretons op. 7 (1866) wurde das erste Werk dieser Sammlung Gabriel Fauré gewidmet, dem früheren Schüler Saint-Saëns‘ an der École Niedermeyer und dessen Nachfolger als Organist an der Madeleine-Kirche. In einem Brief bedankte sich Fauré bei seinem ehemaligen Lehrer und Freund: »Nach meiner Rückkehr aus London fand ich die superben Préludes et Fugues für Orgel vor, die ich nie imstande sein werde, sauber zu spielen. Dazu hatte ich die große Freude, meinen Namen über einem davon zu lesen. Ich danke tausendmal für diese wundervolle Überraschung!«
Das gesamte Stück atmet eine ruhig-erhabene Stimmung. Das introspektive Prélude (Assez lent, 4/4-Takt) basiert auf zwei Themen: das erste, chromatisch und synkopiert, mit schwermütigen auf- und absteigenden Sekundmotiven, wird einem bewegteren und fugierten Achtelmotiv gegenübergestellt. Beide Elemente werden in einem dynamischen Aufbau kombiniert, wonach die Spannung über einem Orgelpunkt auf der Dominante allmählich wieder abnimmt und das Prélude in einem zarten Pianissimo verklingt.
In dieser verhaltenen Stimmung setzt auch das ernsthafte Thema der Fugue (Même mouvement, 4/4-Takt) ein, das dem Sekundmotiv aus dem ersten Thema des Prélude entnommen ist. Es wird von einem lebhaften zweiten Thema in Sechzehntelbewegung (eine barocke Spielfigur ähnlich) gefolgt, das in der Durchführung im Pedal auch in der Umkehrung erscheint. In einer mitreißenden Entwicklung werden beide Themen dieser Doppelfuge nach Bach’schem Vorbild (vgl. die Fuge F-Dur, BWV 540) auf kunstvolle Weise kombiniert.


Nr. 2 Prélude et Fugue G-Dur (gewidmet Albert Périlhou)

Das zweite Werk wurde Saint-Saëns‘ ehemaligem Schüler und Freund Albert Périlhou, dem Organist von Saint-Séverin, zugeeignet. Das graziöse, fast kammermusikalische Stück bildet einen Kontrast zur erhabenen Atmosphäre der zwei Präludien und Fugen, die es umrahmen.
Der neo-klassische Charakter dieses Werkes kommt sofort im verspielten Prélude (Allegretto, 3/4-Takt) zum Ausdruck. In einem transparenten Schreibstil bewegt sich das zierliche Arpeggio-Motiv in einer fließenden Polyphonie durch alle Stimmen.
Die dreistimmige Fuge (Allegretto scherzando, 3/4-Takt) wurde im Stil der Bach’schen Triosonaten geschrieben. Das aufsteigende Thema in charakteristischer Artikulation hat einen kapriziösen Charakter und erscheint in der Entwicklung auch in der Umkehrung, von phantasievollen Zwischenspielen abgewechselt.


Nr. 3 Prélude et Fugue C-Dur (gewidmet Henri-Édouard Dallier)

Der Widmungsträger des überschwänglichen dritten Werkes der Sammlung, Henri Dallier, war seit 1879 Organist an der Pariser Kirche Saint-Eustache bevor er 1905 der Nachfolger von Fauré als Organist an der Madeleine-Kirche wurde.
Im Prélude (Allegro, 4/4-Takt) folgt auf eine fanfaren-ähnliche Einleitung aus C-Dur Dreiklängen ein lebhaftes Sechzehntel-Motiv in einem akkordischen Wechselspiel zwischen beiden Hände. Es bildet die Begleitung eines Pedalthemas, das auf Tonleiter-Motiven basiert. Nach einer Entwicklung mit verschiedenen Modulationen endet das Prélude mit dem Thema in Umkehrung und Kanon.
Das Thema der ausgedehnten vierstimmigen Fugue (Allegro maestoso, 4/4-Takt), setzt auf der Quinte ein und bewegt sich, geprägt von tonaler Mehrdeutigkeit, innerhalb eines Oktav-Umfangs. In der Entwicklung erscheint das Thema von einem durchgehenden Sechzehntel-Laufwerk begleitet auch in der Verkleinerung. Am Schluss kehrt das Thema in seiner ursprünglichen Form nacheinander in der Bass- und Sopranstimme zurück. Wie eine Konzert-Kadenz leiten absteigende Arpeggien auf einem Dominantseptakkord in die triumphale Coda über, in der letzte Erinnerungen an das Thema (im Pedal auch in der Umkehrung) erklingen.


Ich habe diese drei Orgelwerke mit Samples der Rieger-Orgel im Konzerthaus Wiens eingespielt.

Literatur (Links zu PDF’s) über das Werk und den Charakter von Camille Saint-Saëns:


G. Fauré à Camille Saint-Saëns

[Paris] [14 juillet 1898]

Mon cher CamilleJ’ai été la proie d’un sculpteur qui a entrepris mon buste et m’a fait poser toute la matinée tous les derniers jours de ce dernier voyage à Londres-. D’où l’impossibilité d’aller te voir, hélas, puisque tu n’étais libre que le matin. À mon retour j’ai trouvé de superbes Préludes et Fugues pour orgue que je ne saurai jamais jouer proprement et j’ai eu la grande joie de voir mon nom en tête de l’un d’eux- : je te remercie mille fois pour cette si agréable et flatteuse surprise! Mes regrets de n’avoir pas encore composé le morceau d’orgue que tu m’as commandé n’en sont que plus vifs !
Je n’ai pas composé de morceau d’orgue, c’est vrai-, mais j’ai composé le morceau de concours de flûte, andante cantabile et allecjrofolichono, et je n’ai pas le souvenir que rien au monde ne m’ait donné tant de peine- !
N’est-ce pas aujourd’hui même qu’a lieu la première de Henry VIII? Comme j’aurais aimé pouvoir rester jusque-là! À bientôt ici, j’espère, et trente mille tendresses jusque-là de ton bien affectionné et toujours mille fois reconnaissant

Gabriel Fauré

 

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