Video und Bildergalerie aus dem Oppelner Land (Schlesien)

Drei Orte waren es, in denen wir Erkenntnis, Glück oder auch Abenteuer suchten, sie liegen im Schlesien der Vandalen. Das ist ein Landstrich im heutigen Polen, den die Silinger, ein Vandalenstamm –  von dem sich auch der Name dieser Gegend ableitet – im 2. Jh. vor Chr. besiedelten. Sie kamen damals von irgendwo aus dem kalten Norden. Nach sechshundert Jahren verließ der größte Teil dieses Stammes Schlesien in Richtung des noch wärmeren Tunesien (damals Teil der römischen Provinz Africa) auf ihrer Suche nach einem erfüllteren oder auch glücklicheren Leben. Vielleicht war es ihnen in „Silesia“ immer noch nicht warm genug, obwohl es als das im Jahresmittel wärmste Gebiet Polens gilt. Aber wer kann heute noch die Befindlichkeiten der alten Vandalen nachvollziehen? Zumindest gründeten sie dort einen Staat, der mehr als einhundert Jahre Bestand hatte, wurden die stärkste Seemacht im Mittelmeerraum, plünderten in Seeräubermanier die Stadt Rom, wurden allmählich zur Bedrohung des mächtigeren (ost-)römischen Reiches und das war ihr Untergang. Nach der Eroberung des Vandalenstaates durch Belisar fand sich die Herrscherelite – der Adel – der Vandalen verstreut als Verbannte in Anatolien wieder. – Die „Welt“ war auch damals schon ziemlich klein geworden …

Langsam schoben sich nach dem Fortgang des abenteuerlustigen Teils der Silinger slawische Sippen von Süden und Osten in dieses Gebiet – ein friedlicher Übergang, ein Verschmelzen ohne jegliche staatliche Organisation, einige Slawenstämme kamen auch bis in die Rhön und siedelten hier [siehe „Die Besiedlung der Vorderrhön“ und „Sagenhafte Geschichte(n)“]. Das Glatzer Land und weite Teile Schlesiens gehörten bereits im 9. Jahrhundert zum Großmährischen Reich und Ende des 9. Jahrhunderts dehnten die böhmischen Přemysliden, Burgherren von Prag, ihr Herrschaftsgebiet unter dem böhmischen Fürsten Slavnik bis über die Sudeten aus. Mit ihnen, den Slawen des Großmährischen Reiches, und dem immer mehr Bedeutung gewinnenden Fernhandel mit dem Süden kamen die Christianisierung, die Feudalherrschaft und die Einteilung in vier Gaue über Schlesien. Im Norden, dem mittleren Weichsel-Warthe-Raum, erwuchs den Böhmen mit der Zeit eine starke Konkurrenz: die Polnischen Piasten. Und schließlich drängten Mieszko I. († 992) und Boleslaw der Tapfere († 1025) die Böhmen bis zu den Sudeten zurück. Der Machtverfall Polens mit dem Tode Bolesławs im Jahre 1025 ermöglichte es dem böhmischen Herzog Břetislav I., erneut nach Schlesien einzufallen und die eroberten Gebiete zu beanspruchen. Die rückeroberten schlesischen Gebiete verblieben auch nach dem Pfingstfrieden von Glatz dauerhaft bei Böhmen, die weitere Herrschaftsentwicklung in Schlesien kann man bei Wikipedia unter dem Suchwort „Schlesien“ nachlesen. Zu einem polnischen Staat gehörte Schlesien erst nach dem zweiten Weltkrieg.

Aber genug der geschichtlichen Exzesse, wer spezielles und mehr über Oppeln, Groß Stein und St. Annaberg wissen will, weil er vielleicht auch unsere Bilder geschichtlich und landschaftlich zuordnen möchte, lese unseren Reiseführer.

Nicht ganz so langsam wie die Slawen nach Schlesien, aber für unser Gefühl jedoch unendlich langsam, schoben wir uns im nicht enden wollenden Stau auf der neuen Autobahn in Richtung Oppeln. Wir hatten uns zu früh gefreut, nachdem wir die Hoppelpiste, die wir nach der Grenze zu Polen zu überwinden hatten, endlich hinter uns gelassen hatten – noch vor Breslau begann uns ein Stau durch scheinbar ewige Hindernisstrecken an Baustellen an unseren Nerven zu zerren.

Oh liebe Küchenfrauen des „Sebastianeum Silesiacum”, oh hochverehrter Erzbischof Alfons Nossol, wir kommen ja vielleicht noch heute, aber wann steht in Gottes Hand!? Und wir werden fürchterlichen Hunger haben und ein schlechtes Gewissen, weil der Herr Erzbischof des Morgens in aller früh um vier Uhr zum Flieger nach Oppeln muß. Matthäus schrieb dereinst: „Um Mitternacht aber erhob sich lautes Rufen: Siehe, der Bräutigam kommt! Geht hinaus, ihm entgegen! Da standen diese Jungfrauen der Küche alle auf und machten ihre Lampen und unser Abendbrot fertig.“ – das war unsere Hoffnung, die uns bis Groß Stein nährte. Und siehe, der HERR hatte Mitleid mit uns, denn es wurde nicht Mitternacht, sondern ER löste auf der Höhe von Oppeln den Stau auf, und sandte uns gegen 22 Uhr an die wohlgefüllten Futterkrippen der Küchenjungfrauen und selbst Hochwürden Nossol kam noch, um uns auf lockere Weise die nicht immer erfreuliche Geschichte von Groß Stein, dem Zusammen- und Auseinanderleben der Deutschen und Polen in Schlesien und von einem zwar schwierigen, doch hoffnungsvollen Neubeginn Polnisch-Deutschen-Miteinanders zu erzählen. Auch ihm wurde schon von verbohrten Polen geraten (an die Hauswand gesprayt), doch besser nach Berlin zu verschwinden. Aber sein Glaube scheint stark genug, daß er das Richtige tut, wenn er auf Kooperation statt Hass setzt.

An vielen Ortseingängen Schlesiens sieht man bereits zweisprachige (Polnisch/Deutsch) Ortseingangsschilder, die Dörfer und Städte Schlesiens machen zumeist, wie in Deutschland, einen gepflegten Eindruck. Und doch verschwinden des Nachts hin und wieder diese Ortsschilder, kommt Neid auf, wenn Schlesier deutscher Nationalität von der BRD bei der Existenzgründung finanziell unterstützt werden und Polen nicht. Die Meisten Schlesier verstehen sich sowie so weder als Polen noch als Deutsche oder Böhmen, sondern eben als Schlesier (Schläsinger) und sprechen eine Mischmasch aus polnisch, deutsch und böhmisch, den sie Wasserpolnisch (Schlonsakisch) nennen. Daneben wirken auf mich die erzdeutschen oder erzpolnischen Schlesier in ihrer verbohrten Identitätssuche eher peinlich, weil sie meist deutscher oder polnischer ausgeprägt ist, als in den Mutterländern ihrer Herkunft, an deren jetzigen Gebräuche und Gepflogenheiten sie kaum mehr einen Anteil haben, weil sie eben doch mehr zu Schlesiern wurden, als sie dachten und selbst wenn sie sich in Kleinigkeiten von ihren böhmischen, deutschen oder polnischen Nachbarn unterscheiden mochten, sie waren nicht mehr mit ihrer ursprünglichen Nation, der sie aus Not den Rücken kehren mussten oder wollten, identisch.

Viele Schlesier, die sich als Deutsche verstehen, lernten in ihrer Jungend nur den schlesischen Slang, wie uns der deutsche Fraktionsvorsitzende der deutschen Minderheit im Oppelner Landtag Norbert Rasch erzählte, und haben erst als Erwachsene Deutsch gelernt, die Sprache ist also selten Identitätsmerkmal deutscher Schlesier. Ich bin zum Beispiel in erster Linie Rhöner, in zweiter ein Weltbürger und rein formell auch Deutscher, weil ich eben die deutsche Sprache spreche und Bürger der BRD bin. Nationale Identität ist für mich ein fließender Prozeß, nichts was es wert ist von Generation zu Generation vererbt zu werden und deswegen Kriege zu führen.

Was sonst noch über unseren Aufenthalt im „Sebastianeum Silesiacum” und Schlesien zu sagen wäre ist rein Privat oder nur von touristischen Interesse, das befriedige sich der werte Leser mit Hülfe unserer Bilder, der mit Bildern aufgemotzten Chopininterpretation auf „The Grand“ (Nocturne h-moll, op 9 Nr. 1) und unseres Reiseführers.



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