Was ist Wirklichkeit?
Nach John R. Searle existiert Wirklichkeit in drei Ebenen (Im Text unten jeweils „fett“ markiert):
Da wäre zunächst die subjektive Wirklichkeit, das ist alles das, was ich mir unter der Welt außerhalb von meiner Einer denke, fühle, sowohl bewusst als auch unbewusst. Zu dieser Welt gehört freilich auch das Bewusstsein meiner Selbst – dass ich also ein anderer bin als alle anderen Menschen „da draußen“. So bastele ich mir dann ein Modell der Welt da draußen, basierend auf Gefühlen, Sinneseindrücken, Wahrnehmungen und Selbsterfahrungen.
Was genau das Bewusstsein meiner Selbst dabei ist, darüber streiten die Gelehrten noch, Searle hat seine Ideen dazu im Buch „Geist: Eine Einführung“ ausgeführt. Merlin Donald sieht es in seinem Buch „Triumph des Bewusstseins: Die Evolution des menschlichen Geistes“ tendenziell anders, er hält das individuelle Bewusstsein für ein Ergebnis der Wechselwirkung zwischen den Menschen, seine Auffassung steht mir allerdings näher als die von Searle. Beide gehen von den Ergebnissen der Hirnforschung aus, müssen aber die Frage offen lassen, wie die Schnittstelle zwischen der Körperlichkeit des Gehirns und dem Geist beschaffen ist, aber haben dennoch keine Zweifel daran, dass es ohne Gehirn keinen Geist gibt. Das halte ich für nachvollziehbar. Descartes Vorstellung zum Dualismus von Geist und Materie wird heutzutage für eine Katastrophe des Denkens gehalten, nicht jedoch das, was er sonst noch so dachte.
Man kann es nun bei dieser Wirklichkeit belassen und sagen, alles da draußen ist nur in meinem Kopf – das wäre der sogenannte Solipsismus. Er ist, wie jeder gute Glaube, unwiderlegbar. Wer die Kälte dieser Einsamkeit aushält – aber bitte!
Will ich an den Solipsismus nicht glauben, muss ich anerkennen, dass die „Welt da draußen“ eine wirkliche Welt ist, also eine Welt, die meiner Vorstellung von ihr nicht bedarf, um existent zu sein. Dann existieren Berge, Planeten, Quanten, Hundekacke, die Institution des Bundeskanzlers, Geld, Eigentum, auch das Auto, welches neulich die alte Omma überfahren hat. Die alte Omma, habe ich gehört, existiert nun allerdings nicht mehr, nur noch als Idee und Erinnerung. Sie ist also nur noch geistig und selektiv im Bewusstsein einzelner Leute und in irgendwelchen Dokumenten existent. Diesen unsystematischen Klumpatsch von Dingen, die offensichtlich vollkommen unterschiedliche Eigenschaften besitzen, kann ich in zwei weitere, wohl definierbare Wirklichkeiten auftrennen.
Dann kann ich die Sache so angehen wie Searle:
„Es gibt Teile der wirklichen Welt, objektive Tatsachen in der Welt, die Tatsachen nur kraft menschlicher Übereinkunft sind. In gewissem Sinn gibt es Dinge, die nur existieren, weil wir glauben, dass sie existieren. Ich denke dabei an Dinge wie Geld, Eigentum, Regierungen und Ehen. Trotzdem sind viele Tatsachen, die diese Dinge betreffen, «objektive» Tatsachen in dem Sinn, dass sie nicht Sache deiner oder meiner Bevorzugungen, Bewertungen oder moralischen Einstellungen sind. Ich denke an Tatsachen wie die, dass ich Bürger der Vereinigten Staaten bin, dass das Stück Papier in meiner Tasche ein Fünfdollarschein ist, dass meine jüngere Schwester am 14. Dezember geheiratet hat, dass ich Eigentum in Berkeley besitze und dass die New York Giants 1991 die Superbowl gewonnen haben. Diese Tatsachen stehen im Gegensatz zu Tatsachen wie der, dass der Gipfel des Mt. Everest von Schnee und Eis bedeckt ist oder dass Wasserstoffatome ein Elektron haben; dies sind Tatsachen, die von menschlichen Meinungen völlig unabhängig sind. Vor Jahren taufte ich einige dieser Tatsachen, «die auf menschlicher Übereinkunft beruhen, «institutionelle Tatsachen» im Unterschied zu nicht-institutionellen oder «rohen» Tatsachen. Institutionelle Tatsachen heißen so, weil ihr Bestehen menschlicher Institutionen bedarf. Damit dieses Stück Papier zum Beispiel ein Fünfdollarschein ist, muss es die menschliche Institution des Geldes geben. Rohe Tatsachen bedürfen, um zu bestehen, keinerlei menschlicher Institutionen. Natürlich brauchen wir, um eine rohe Tatsache zu formulieren, die Institution der Sprache, aber die formulierte Tatsache muss von ihrer Formulierung unterschieden werden.“
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In seinem Buch „Geist“ hat er die Welt der «rohen» Tatsachen, die „externe Wirklichkeit“, also die Welt außerhalb des kollektiven als auch des personellen Bewusstseins, genannt und die Welt der institutionellen Tatsachen die „gesellschaftliche Wirklichkeit“. In diesem Sinne verwende auch ich hier diese Begriffe und ich denke, mit dieser Aufteilung kann man eine mir sinnfällig erscheinende Denk-Ordnung in das Geschwurbel der Philosophen über die Wirklichkeit bringen.
So verliert z.B. die Quantenphysik als ein Teil der externen Wirklichkeit den fauligen Geruch des Aberglaubens und der Mystik. Murray Gell-Mann hat in seinem Buch „Das Quark und der Jaguar“ im Kapitel 11 eine leicht verständliche „Moderne Interpretation der Quantenphysik“ verfasst, wer mehr darüber wissen will, folge diesem Link. Alle Tatsachen, mit denen sich die Naturwissenschaften beschäftigen, sind Teile der externen Realität und somit keine Glaubens- oder Ansichtssache, sobald sie als vertrauenswürdige Erfahrung in dieser Wissenschaft anerkannt sind. Dass selbst diese „vertrauenswürdigen Erfahrung“ keine absolute Wahrheit darstellen, ist schlicht und einfach der Tatsache geschuldet, dass unser Wissen über diese externe Wirklichkeit aus bekannten Gründen lückenhaft ist und bleiben wird. Mit jeder beantworteten Frage ergeben sich für die Wissenschaft zehn neue Fragen, die nach einer Antwort verlangen.
Was Großkopferte unserer menschlichen Welt über Die Wirklichkeit zu wissen vermeinen habe ich hier zusammengetragen: Was ist Wirklichkeit? Zitate
Das ist in der von uns per Übereinkunft konstruierten „Gesellschaftlichen Wirklichkeit“ anders – Vertrag ist Vertrag -, denn was ich schwarz auf weiß besitze, kann ich getrost nach Hause tragen – sagt der Prophet. 😉