Das Untere Schloss

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Gründungsgeschichte

Als die Boineburgs 1506 Gehaus kaufen, finden sie außer einem Schafstall und zwei Wohnhütten nichts weiter vor. Zu wenig, um von ihrem damaligen Wohnsitz, der Krayenburg, nach hier umzusiedeln. Es scheint so, als ob sich daran vorerst auch nur wenig ändert. Für sie ist Gehaus inmitten seiner urwaldähnlichen Umgebung in erster Linie Wild- und Jagdrevier, wo Bär, Wolf und Luchs noch ihr Zuhause haben.
Dass wir über die Entstehungszeit des Unterschlosses Genaueres wissen, verdanken wir unserem Dorffotografen Karl-Heinz Hofmann. Es ist schon ein Zufall, wenn er beim Abbruch des alten Viehstalls und dessen zur Straße hin gelegenen Mauerwerks unter den Trümmern den mit 1558 datierten Jahresstein entdeckt.
Als historisches Zeugnis im Bild festgehalten (wenn leider auch als gegenständliches Geschichtszeugnis nicht mehr vorhanden) markiert die Jahreszahl auf dem Stein zweifellos die Bauzeit des Wirtschaftshofes, dieser, damals noch im Besitz einer Lengsfelder Linie der Boineburgs und von Pächtern bewirtschaftet.
Man muss davon ausgehen, dass es zu dieser Zeit das Wohngebäude noch nicht gibt. Wer den Hof und später das Wohngebäude errichten lässt, ist in geschichtliches Dunkel gehüllt und vom Chronisten nicht auszumachen.
Oberhaupt scheinen Zweifel angebracht, ob das Unterschloss als Herrensitz von den Boineburgs selbst je genutzt worden ist. Wahrscheinlicher ist es, dass es von Anfang an Verwaltungs- sowie Wohnsitz von Pächtern ist. Darauf weist vor allem der doch beträchtliche Unterschied im Erscheinungsbild gegenüber dem Oberschloss hin. Hier der Repräsentativbau inmitten einer Parklandschaft, dort der nüchtern wirkende, schmucklose Ökonomiehof.
Als kleine „Wasserburg“ ausgebaut, wird das Unterschloss, wie wir wissen, im 7-jährigen Krieg dem Boden gleichgemacht. Auf seinen Fundamenten entsteht in den Jahren danach der neue Wirtschaftshof und mit ihm auch, von uns Gehausern gerne als das „eigentliche“ Unterschloss betrachtet, das neue, das heutige Wohngebäude. Mit seinem mächtigen Kappendach und dem Balkenreichtum seines Fachwerks ist es ein Schmuckstück unseres Dorfes, für manchen unserer Besucher eine Sehenswürdigkeit und als historisches Baudenkmal für uns Gehauser ein bewahrenswertes Erbe.
Auch nach seinem Wiederaufbau wird das Unterschloss von Pächtern bewirtschaftet, aus deren lange Reihe aus dem Jahr 1772 uns der Name eines Kaspar Braun überliefert ist.
Anfangs gehören zum Gutshof vor allem Stallunterkünfte für die in großer Zahl gehaltenen Schafe. Mit dem Übergang zur fortgeschrittenen Acker- und Viehwirtschaft macht sich der Umbau alter sowie die Errichtung neuer Wirtschaftsgebäude erforderlich, darunter der oben erwähnte Viehstall und vermutlich auch ein ehemals vorhandener Scheunenbau. Ein letztes bis in unsere jüngere Vergangenheit erhalten gebliebenes Teilstück dieses Scheunenbaues ist heute der Autogarage des Erich Scheer (Haus Nr. 72) gewichen. Mit seinen darin untergebrachten Pferdeställen entsteht 1828 der neue, der heute uns bekannte Scheunentrakt.
1811 kommen Johann Nepomuk und Ludwig Josef, Reichsfreiherrn v. Boineburg, in den Besitz des Unterschlosses. Als „Untere Schloßherrschaft“ werden sie im Rahmen der Boineburgschen Güterteilung Eigentümer der gesamten, zum Baier gelegenen, von der Oechsener Grenze bis zur Neuendorf reichenden Ländereien, mit Ausnahme des sich inzwischen herausgebildeten bäuerlichen Grundbesitzes. Analog gehören zur „Oberen Schloßherrschaft“ alle Ländereien vom Blumenacker hinter dem Schlosspark bis zur Hohenwart, ebenso das privatwirtschaftliche Grundeigentum ausgenommen.
Werfen wir abweichend einen kurzen Blick darauf, was die Boineburgs in Weilar, Lengsfeld und Gehaus an Ländereien noch in jüngerer Zeit rundherum besitzen.
1927 wird in deren drei Fluren, aufgeteilt nach gräflichem (1), nach freiherrlichem (2) und gemeinschaftlichem Grundeigentum (3) noch folgender Besitzstand der Boineburgs nachgewiesen:

in ha Waldung und Acker Wiesen Gesamt
1 2 3 1 2 3
Gehaus 85 247 332
Weilar 32 509 208 749
Lengsfeld 108 251 252 611
Summe 193 283 761 247 208 14868
1237 455 1692

In der Flur Gehaus ist das gesamte Waldgebiet von der „Waldecke“ (Hohenwart), über die Flurteile Kuhhalte, Neuendorf, Baiersrod, Hollerborn bis hin zum Kalkofen, Linsenacker und Hinterer Baier gräfliches Hoheitsgebiet, von Wald- und Jagdaufsehern streng bewacht.
Ackerland, Wiesen und sonstiger Grundbesitz verteilen sich in der Flur, nach Komplexen zusammengefasst, wie folgt:

  • Mariengarter Weg, Diebsleite, Blumenacker 25 ha
  • Über dem Hopfengarten, 7 ha
  • Am Buchenauer Holz 33 ha
  • Im Schlägelbach, Unter der Hohenwart, Am Borntal, Auf dem Stockacker und an der Waldecke 60 ha
  • Neuendorf, Baiersrod, Hollerborn, Fischbach, Beim Schacht, Beim Kalkofen 38 ha
  • Am Rodeland, An der breiten Sattel, Bei dem Judengottesacker 41 ha
  • Schloderwiese, Auf der großen Wiese, Am Johannishölzchen, Am Sandrain, 22 ha
  • Schlosspark Dorfgarten 5 ha
  • und sonst. im Dorf 16 ha
  • gesamt 247 ha

Was abschließend das Unterschloss angeht, so dürfte der Wirtschaftshof als „Pachthof“ etwa um die Jahrhundertwende ganz aufgegeben worden sein, nachdem bereits der größere Teil der Ländereien, wie wir wissen, durch Ablösung in bäuerliches Grundeigentum übergegangen ist.


spätere Nutzung bis zum 1. Weltkrieg

Als Herrensitz wird es offensichtlich aber nicht mehr genutzt. Zunächst als Mieter, heute bekanntlich als Hausherr, sitzt von 1904 an die Gemeinde in seinen Mauern, richtet dort eine Lehrerwohnung ein, unterhält längere Zeit noch eine Schulstube und führt auch ihre Gemeindeversammlungen dort durch.
Noch im gleichen Jahr (1904) etabliert sich darin, mit der Nachbargemeinde Oechsen als Gemeinschaftseinrichtung ins Leben gerufen, unsere Schwesternstation.
Das Startkapital stammt aus einer Hauskollekte. Zur Unterhaltung der Station steuern beide Gemeinden je einen Zuschuss von 200 Mark bei. Die gräfliche Familie stellt kostenlos in der unteren Etage die Räumlichkeiten zur Verfügung, ferner Keller und Bodenkammer. Sie spendet Mobiliar und Brennholz. Die Darlehnskasse hilft mit einigen Zentner Kohlen.
Nach dem plötzlichen Tod unserer ersten Gemeindeschwester der Sophienhaus-Schwester Emma Eschrig, die 1904 ihre Tätigkeit aufnimmt und 1909, 28-jährig, an den Folgen einer Tuberkulose verstirbt, verwaist vorübergehend die Station. Nach wiederholtem Schwesternwechsel zieht 1920 die manchem von uns noch bekannte Schwester Martha (Pröschold) da ein. Ihr Grab findet sich im oberen Teil unseres Friedhofs.
Als Selbsthilfeeinrichtung des Dorfes, die es schwer hat, sich über Wasser zu halten, überlebt die Schwesternstation häufig nur durch Zuschüsse der Gemeinden, Spenden und Liebesgaben aus den Reihen der Bevölkerung. Ein Grund vielleicht auch dafür, dass Oechsen bereits 1912 die Kooperation wieder aufkündigt.
1908 lassen die Boineburgs als Geschenk an die Gemeinde im Keller des Hauses, als Volksbadeanstalt deklariert, ein Wannen- und Brausebad herrichten. Ist das schon ungewöhnlich, so muss es schon einigermaßen überraschen, dass man damals schon Kohlensäure-, Sauerstoff- und Solbäder dort verabreicht. 1912 sollen sich 70-mal Gehauser für den Preis von 20 Pf. den Luxus eines Wannenbades geleistet haben.
Unter Mithilfe des Hauptfrauenvereins in Eisenach und des örtlichen Frauenvereins wird 1911 die „Kleinkinderbewahranstalt“, die es einmal wie die Schwesternstation nicht leicht haben soll, ins Leben gerufen.
1912 kommt es zur Einrichtung einer Säuglingsberatungsstelle und noch im gleichen Jahr wird eine Hilfsfürsorgestelle für Lungenkranke eingerichtet, in der zeitweise erwachsene Lungenkranke auch gepflegt werden.

 


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