Michelangelo Rossi: Zwei Toccaten für Orgel

Michelangelo Rossi, bekannt als Michel Angelo del Violino, (* 1601 oder 1602 in Genua; † 7. Juli 1656 in Rom) war ein italienischer Komponist, Organist, Cembalist und Violinist.

Rossi wurde von seinen Zeitgenossen erstaunlicherweise in erster Linie als Geigenvirtuose geschätzt. Er trug den Beinamen »dal Violino« und nahm als Geiger aktiv an den Aufführungen seiner eigenen Opern teil. In Erminia stellte er den Apoll auf einem Sonnenwagen mit einer Violine in der Hand dar. Noch viel bezeichnender ist das Zeugnis im Vorwort zum Libretto seiner Oper Andromeda: „l’eccellenza nel contrapunto è proporzionata alla delicatezza del suono, ond’egli vien celebrato ed ammirato non solo per l’Italia, ed in Roma, mà in altre parti d’Europa, ov’è giunta la melodia veramente angelica del suo violino” (die Meisterschaft im Kontrapunkt ist gleichwertig der Zartheit der Melodie, die nicht nur für Italien und in Rom, sondern auch in anderen Teilen Europas gefeiert und bewundert werden, bis wohin der wahrhaft engelsgleiche Gesang seiner Geige vorgedrungen ist). Rossis bleibende Bedeutung beruht jedoch nicht auf seinem Beitrag zur großartigen und prunkvollen Oper römisch-barocken Gepräges (von der die reichen Stiche in den oben verzeichneten Drucken einen wirkungsvollen Eindruck geben können), sondern auf seinen Kompositionen für Cembalo und Orgel, besonders auf den zehn großen gedruckten Toccaten. Sie überraschen durch den Reichtum und die Originalität des Aufbaus und der musikalischen Einfälle, und wenn sie, wie es scheint, vor dem Tode Frescobaldis komp. und gedr. worden sind, dann muss Rossi als einer der eigenständigsten und schöpferischsten Komponisten seiner Zeit angesehen werden. Im Vergleich zur Größe Frescobaldis hat Rossi (obgleich in vieler Hinsicht sein Schüler und Fortsetzer) es verstanden, die Sprache der Toccata durch höchst originelle und mitunter erstaunlich moderne, zukunftsweisende Züge zu erneuern. Ihr Aufbau strebt nach einer Gliederung in regelmäßige durchgestaltete Abschnitt, von denen einer oder zwei imitativ in schnellem Tempo gehalten sind. Darin scheint Rossi den konstruktiven Aufbau C. Merulos wieder aufzunehmen, der in der Annäherung der Toccaten- und Fugenabschnitte besteht. Aber dem feierlichen Ricercarstil Merulos zieht Rossi die brillante und gewandte, der Instrumental-Canzone entliehene Schreibweise vor. Damit entwickelt er den bereits bei Frescobaldi gelegten Keim. Aber im Unterschied zu ihm (dessen Prinzip J. J. Froberger folgt) baut Rossi die einzelnen imitativen Abschnitte nicht auf einem einzigen, jedesmal veränderten Thema auf. In den frei gehandhabten Teilen, neben virtuosen Figurationen (Arpeggien, Doppelläufe) Wiederholungen und Sequenzen, sind die Einflüsse des stile „recitativo” deutlich; außerdem zeigt sich entschieden die Annäherung an das harmonisch-tonale Empfinden. Die Vorliebe für Chromatik, für die es bei Frescobaldi Zeugnisse von erstaunlicher Schönheit gibt, wird bei Rossi in höchst persönlicher Weise interpretiert, wie z.B. im letzten Teil der VII. Toccata (Toccata settima); nicht weniger originell und immer um des Ausdrucks, nie um seiner selbst willen ist der Gebrauch der Dissonanzen und plötzlichen Modulationen, der auch schon bei Frescobaldi vorkommt. Erstaunlich kühn ist der Anfang der VI. Toccata (Toccata sesta), ein Beispiel wirklicher Polytonalität.

aus: Oscar Mischiati
Übersetzung: Ruth Blume
[Die Musik in Geschichte und Gegenwart:
Rossi, Michelangelo. Musik in Geschichte und Gegenwart, S. 64335 ]

Ich habe seine Toccata sesta und Toccata settima mit Samples der Riegerorgel des Konzerthauses Wien (Vienna Konzerthaus Organ) eingespielt.

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