Wolfgang Amadeus Mozart: Klaviersonate a-moll KV 310

Mit Samples „The Hammersmith Pro“ eines Steinway-Konzertflügels eingespielt.

Biografische Hintergründe

Paris 1778“ lautet der Vermerk auf dem Berliner Autograph. Als einzige der Reisesonaten ist die in a-moll ausdrücklich als Pariser Werk beglaubigt. Hiermit wird Shedlocks Ansicht, sie sei das für Rose Cannabich geschriebene Opus, hinfällig. Abert betont an ihr den Leidenszug, das Tragische, das Sich-zur-Wehr-setzen eines männlich gefaßten Gemüts gegen etwas Unerbittliches. St. Foix nennt das Werk eine wahre Stilrevolution, hervorgerufen durch die französische Umwelt und eine moralisch „unbekannte Ursache“. Die Tatsache, daß diese Sonate „von einem neuen Mozart geschrieben“ wurde, drängt ihm die Frage auf: „Que s’est-il donc passe?

Der Gegensatz zum Hochgesang der Mannheimer D-dur-Sonate oder zu dem Optimismus der vor dem 12. 6. 1778 entstandenen Pariser D-dur-Sinfonie ist erschütternd. Was in aller Welt konnte Mozart bewegen, die Linie der Großwerke abzubrechen, sich der Klaviersonate erneut zuzuwenden und sich gar der Molltonart zu bedienen? Wohl entsprach es der Zeitgepflogenheit, einer Sonatenfolge ein Werk in Moll beizugeben. Doch bei Mozart hat die Verwendung der Molltonart tiefere Bedeutung. Für gewöhnlich ging er dem Moll aus dem Wege. Weder die Heimatsonaten noch die Mailänder Quartette enthalten das zeitübliche Mollwerk. […] Von den über 600 Opera stehen nur etwa 33 in Moll, von denen nicht weniger als 24 auf das letzte Jahrzehnt von Mozarts Leben entfallen. Es bedarf einer ernsthaften Verdüsterung, bevor es bei Mozart zum Gebrauch der Molltonart kommt. Eine solche Verdüsterung ließ im Jahr 1773, dem Lucio Silla-Jahr, die frühe g-moll-Sinfonie, das d-moll-Quartett der Wiener Serie, vielleicht auch — ihre Echtheit vorausgesetzt — die c-moll- und e-moll-Stücke der „Romantischen Violinsonaten“ entstehen. Auch diesmal wird das Mollproblem mehrfach behandelt. Im gleichen Zeitraum wie die a-moll-Klaviersonate entsteht die tragische e-moll-Violinsonate der Kurfürstenreihe. Die Frage ist berechtigt: „Que s’est-il donc passe?

Die äußeren Lebensumstände geben die Antwort. Dreimal binnen Jahresfrist war Mozart an die Hinfälligkeit aller Erdendinge erinnert worden. Den Salzburger Hoforganisten Adlgasser hatte der Tod weggerafft. Mit dem Münchener Kurfürsten Max Joseph war die Münchener Linie der Wittelsbacher ausgestorben, das gesamte München-Mannheimer Kunstleben mit allen daran geknüpften Berechnungen umgestoßen und die Gefahr eines europäischen Krieges herauf beschworen worden. Vor den Toren der Grenzstadt Salzburg stand der Krieg und nicht ohne Grund sind die endlosen politisch-militärischen Erörterungen in den Briefen zwischen Vater und Sohn im Frühjahr 1778 von Sorge und Kriegsangst durchzittert. Endlich raffte der Tod inmitten der fremden Weltstadt jählings Wolfgangs Mutter von seiner Seite. „Dio mio! Che colpo! Quale tragedia!“ kann man mit Vater Leopold ausrufen und nachempfinden, wie Mozart, der noch niemand zuvor hatte sterben sehen, zumute sein mußte, fern der Heimat, verwaist und sich selbst überlassen, stellenlos und in steter Geldnot und von einer ungewissen Zukunft bedrängt. Wen wundert, wenn er am 31. 7. dem Vater gesteht „das werde ich gewis mein lebetag nicht vergessen“ und daß er bisweilen „melancholische Anfälle“ hat.

Waren die Mannheimer Sonaten das Tagebuch seiner glücklichen Stunden, so spricht er in der a-moll-Sonate sein Leid und seine Bekümmernis aus. Mehr als dies: er sucht es zu überwinden. Indem er dem Klavier seinen Schmerz anvertraut, befreit Mozart sich von der Überlast der Bekümmernis und gesundet.

[…]

Mangel an Ernst hatte Leopold Mozart noch am 16. 2. seinem Sohn in Mannheim vorgeworfen, in Antwort auf allzu mutwillige Briefe. Gegenüber der übermäßigen Ernsthaftigkeit seiner Kinderzeit sei er in das pure Gegenteil umgeschlagen. Nun hatte ihn der Ernst des Schicksals in eine Trauer versetzt, daß der junge Künstler um seiner Selbsterhaltung willen danach trachten muß, sich aus dem Übermaß des Ernstes zu befreien. Ebenso, wie er später im Schicksalsjahr 1787 in Wien der Reihe der dunklen Werke unmittelbar den „Musikalischen Spaß“ des Dorfmusikantensextetts und die heitere Kleine Nachtmusik folgen läßt, so schickt er der tragischen a-moll-Sonate die optimistische A-dur-Sonate nach. Beide Werke gehören zusammen und bilden eine Einheit. Das Ausscheiden der „Augsburger Sonate“ aus dem Kreis der Pariser Schöpfungen gibt den Blick auf diese Zusammengehörigkeit frei. Bezeichnend ist auch die Tatsache, daß dieses Doppelwerk niemand gewidmet wurde, sehr im Gegensatz zu den vier vorausgegangenen Sonaten. Mozart schrieb es, wie auch die F- und B-dur- Sonate, ganz für sich selbst.

Zitiert aus
Hanns Dennerlein
Der unbekannte Mozart
Die Welt seiner Klavierwerke
Leipzig 1955

 

Eingespielt mit Samples „Vienna Grand“ eines Bösendorfer Konzertflügel der Firma Galaxy Instruments.

 

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