J. S. Bach: Präludium und Fuge Es-Dur BWV 552
00:00 Präludium
08:15 Fuge
eingespielt mit Samples der Rieger-Orgel im Konzerthaus Wien.
Das Werkpaar Präludium und Fuge Es-Dur BWV 552 bildet den Rahmen des „Dritten Teils der Clavierübung …“, von Bach herausgegeben im Jahr 1739. Das Präludium leitet diese Sammlung ein, das Fugentripel schließt sie ab. Es ist eines der größten und aussagekräftigsten Orgelwerke Bachs, ja vielleicht – neben dem Schwesterwerk in e-Moll BWV 548 – sogar das größte überhaupt, ist es doch auch sein letztes freies Orgelwerk.
Albert Schweitzer schrieb in seiner Bach-Monografie über dieses Werkpaar:
Das Präludium in Es-dur, das die großen Choräle einleitet, versinnbildlicht die göttliche Majestät. Die Tripelfuge, die sie ausleitet, ist eine Darstellung der Trinität. In drei unter sich verbundenen Fugen kehrt dasselbe Thema, aber jedesmal in anderer Persönlichkeit wieder. Die erste Fuge ist ruhig und majestätisch, von einer absolut gleichmäßigen Bewegung getragen; in der zweiten tritt das Thema in einer Verhüllung auf und wird nur zuweilen in seiner wahren Form kenntlich, als sollte dadurch angezeigt werden, daß das Göttliche irdische Gestalt annahm; zuletzt, in der dritten, zieht es in einem Sturme von Sechzehnteln dahin, als führe das pfingstliche Sausen und Brausen vom Himmel einher.
Und der Bach-Forscher Rudolf Steglich charakterisiert das Präludium mit den Worten:
Das Praeludium diene „der Darstellung der allumfassenden dreieinigen göttlichen Macht. Das ouvertürenhafte, festlich majestätische Praeludium öffnet gleichsam den Blick in ihr Weltwirken. Scharf geprägt, körperhaft anschaulich stellt es die drei Themen vor: das Herrscherwesen des (authentischen) ersten Themas, zwiefache Gestalt im (plagalen) zweiten: Christus als zur Menschheit herabsteigender Gottessohn und als menschgeborener Heiland; Herabschweben und Sichausbreiten des Heiligen Geistes im dritten.“
Der Aufbau des Präludiums entspricht einem Konzertsatz mit der Folge:
A | Takt 1 | Hauptsatz (1. Thema) | Die Majestätsthematik im ersten Thema symbolisiert also Gott den Vater |
B | Takt 33 | 1. Seitensatz (2. Thema) | Im zweiten Thema wird ihm gegenüber Jesus, der Menschensohn, als freundlich und mild dargestellt. Bach gibt hierzu auch einige der in seinen Orgelwerken sonst seltenen Spielanweisungen: Durch ‘staccato’ soll die demütige Haltung des zweiten Themas unterstrichen werden. Auch Echostellen, die durch »forte« und »piano« gekennzeichnet sind, dienen der Verdeutlichung der Symbolik. Die weiche B-Tonart Es-Dur und verschiedene Motive, die den galanten Stil ankündigen, tun ein Übriges. |
A | Takt 51 | Hauptsatz | Modifizierung des ersten Themas |
C | Takt 71 | 2. Seitensatz (3. Thema) | Die körperlose, fließende Gestalt des Heiligen Geistes schließlich äußert sich in einem flüssig-bewegten dritten Thema |
A | Takt 98 | Hauptsatz | Modifizierung des ersten Themas |
B | Takt 112 | 1. Seitensatz | Modifizierung des 2 Themas |
A | Takt 129 | Hauptsatz | Modifizierung des ersten Themas |
C | Takt 130 | 2. Seitensatz | Modifizierung des dritten Themas. Die körperlose, fließende Gestalt wird nun auch vom Pedal aufgenommen das hier – nach überwiegender Stützfunktion in den beiden ersten Themen – ziemliche Ansprüche an die Pedaltechnik stellt. Man könnte diese Verabeitung des dritten Themas auch mit Schweitzer so charakterisieren: es zieht in einem Sturme … dahin, als führe das pfingstliche Sausen und Brausen vom Himmel einher. |
A | Takt 174 | Hauptsatz | Modifizierung des Hauptsatzes |
Damit greift er wieder auf die Tradition der musikalischen Rhetorik der Norddeutschen Orgelschule zurück, was die willkürliche Auslegung von Albert Schweitzer nahelegt (Es gibt keinerlei Hinweis von Bach selber, dass er den Text des Lutherchorals „Wir glauben all an einen Gott“ oder ein ähnliches Bekenntnis musikalisch versinnbildlichen wollte). Aber Bach wäre nicht Bach, wenn er daraus nicht etwas völlig Neues geschaffen hätte, das mehr einer Sinfonie bzw. einer Sinfonischen Dichtung ähnelt, als den Werken seiner Vorbilder.
Über Bach, seine Musik im Allgemeinen und eine gründliche Analyse dieses Orgelwerks:
- Joachim Winkler, Bachs Lebensstationen
- Joachim Winkler, Versinnlichte Sinnstiftung: Bachs Musik als rational-emotional
bewältigender Lebensprozeß - Joachim Winkler, Präludium und Fuge Es-Dur / BWV 552
Hier die Links zum Video der ersten Version, zum Video der zweiten Version, der dritten Version und zu meiner vierten Version.