Der Baier der liebste uns ist

Inhalt

 

Sagenhaftes

Ja – was erzähle ich nun zuerst?

Am besten ich lasse die Katze mal gleich aus dem Sack: der Baier gehört nämlich gar nicht zu Gehaus. Stell dir das bloß mal vor – unser Gehauser heiliger Berg, unser Baier, ist Weilarer Hoheitsgebiet!
Doch was soll’s – was ist schon drin im Baier? Wasser! Der ganze Berg voll Wasser. Wenn man richtig hinhört, dann hört man’s rauschen da drinnen. Könnte natürlich auch aus den Baumwipfeln kommen, ein Wind geht ja immer um den Berg. Überhaupt geht es da unheimlich um…
Dort soll einst ein Geschlecht von Riesen in einem unterirdischen Schloss gewohnt haben. So wird jedenfalls erzählt: ein Scherenschleifer aus Oberalba kam da um Mitternacht vorbei – wo sich die Leute nachts auch immer rum treiben! So ganz saubere Absichten kann er auch nicht gehabt haben, was macht einer mitten in der Nacht am Baier und scheut das liebe Tageslicht? Jedenfalls der zwielichtige Oberalbaer hört den Lärm eines Riesengelages, schleicht sich ran und sieht ein großes Schloss, größer noch als unser Oberes Schloss, ach was sag ich – drin verstecken hätte man’s können, das Boineburgische. Davor hocken an einer glitzernd hellen Tafel die verwegen aussehenden Ritter besagten Riesengeschlechtes und lassen mächtig die Sau raus. Na ja, kannst dir ja denken wie die gesoffen und gefressen haben müssen, außerdem sicherlich mit dicken vollbusigen Bräuten im Arm oder so…
Nee, nee, du brauchst gar nicht so ungläubig gucken. Man hörte immerhin so seltsame Geschichten, wie sie zu ihren Weibern kamen, also doof waren sie keineswegs, wenn auch arg direkt bei ihrer Brautwerbung.
Die Geschichte von der schönen Minna ist Beweis, dass ich nicht lüge. Sie war die Tochter des Unteralbaer Kuhhirten, der Name liegt mir auf der Zunge, nur raus will er nicht. Aber frag nur ’nen Unteralbaer, die kennen den noch, ganz bestimmt. Klein-Minna hütete ihrem Vater die Kühe oben am Triftweg und sie traut ihren Augen nicht: eine Kuh verschwindet täglich im Wald, bleibt den ganzen Tag weg und abends ist sie wieder da, das geht so mehrere Tage. Endlich fasst sie sich ein Herz und geht dieser blöden Kuh nach und wohin geht das Rindvieh – durch das Tor eines prächtigen Schlosses! Frag mich nun bloß nicht, was eine hungrige Kuh in einem Schlosshof an saftigem Gras zu finden hofft, gelle das kann doch nur Zauberei sein? Dir wird der Clou der Geschichte natürlich sofort klar, wenn ich dir weiter erzähle, dass die hübsche Minna von einem prächtigen Junker empfangen wird. Naiv wie sie war, fallen ihr schier die Augen aus dem blonden Strohkopf und ist hin und weg von dem stattlichen Mannsbild. Und der fackelt nicht lange – eh, nicht jetzt was du schon wieder denkst – und fragt sie ganz sittsam: „Ei, hübsche Jungfer, will sie mich nicht heiraten? Ich bin so einsam in meinem Schlosse und Sie gefällt mir über die Maßen“ Gelle, das waren noch herzliche Zeiten damals? Doch das dicke Ende kommt gleich, klar dass da der Wurm drin war, und nicht nur der Hosenwurm! Er warnt sie nämlich: „Aber mein Herz, du darfst mir viele Jahre lang nie nicht zürnen, komme was da wolle.“ Minnachen aber verdrehte verliebt die Augen und girrte sofort: „Ach ja, lieber Herr Ritter, das will ich wohl!“ – sollten doch Vater und Kühe bleiben wo der Pfeffer wächst. Die Minna schenkte in regelmäßigen Abständen Knaben das Leben, die man ihr nach der Geburt, sobald sie einschlief, wegnahm. Bei den ersten beiden Jungs konnte sie es noch friedlich wegstecken, als aber der dritte Bengel verschwand, kriegte sie zu guter Letzt doch einen dicken Hals und wurde heftig böse. Kurz und ohne moralische Randbemerkung nun das Ende der Mär: Itzo wurde der Junker sehr traurig und eröffnete ihr, das Schloss sei vor vielen Jahren verwünschet worden und wenn sie ihrem Gelöbnis treu geblieben wäre, hätte der böse Bann gebrochen werden können. Ihre Kinder wären ihr wieder geschenkt, aber so sei alles verscherzt. – Die Hirtentochter fiel in einen tiefen Schlaf und fand sich, als sie erwachte, in ihren alten Kleidern einsam im Walde. Mehr hat man nie wieder von ihr gehört und ich diesen bekümmernden Ausgang auch nur von einem alten Kräuterweiblein, welches zufällig in der Nähe gewesen sein will.
Das Schloss stand der Sage nach dicht unter der Baierskuppe auf einer sanften Erhöhung zwischen Hollerborn und Goldborn. An dieser Stelle wird noch immer ein Keller vermutet, weil der Boden hohl unter den Füßen klingt.


Das Rhönlied

Ich habe das Rhönlied aus Jux und Tollerei am PC instrumentiert und mit meinen Synthesizern aufgenommen.

Der Text geht in Gehaus so:

Von allen basaltenen Bergeshöhn,
der Baier der liebste uns ist;
weil er von Früh bis zum Abend spät
in unsere Fenster rein grüßt.
Und kennst du den herrlichen Baier nicht,
gehorche dem Freund der zu Dir spricht:
Zieh an die Wanderschuh
und nimm den Rucksack auf,
und wirf die Sorgen ab,
marschier zum Baier rauf!

Das originale Rhönlied wurde von Andreas Fack aus Kaltennordheim (im Jahr 1912 getextet und komponiert) allerdings wie folgt gedichtet und wurde in dieser Fassung zur Hymne des Rhönklubs.

Ich weiß basaltene Bergeshöhn

Ich weiß basaltene Bergeshöhn
im Herzen der deutschen Gaun,
nicht riesenhoch, doch bezaubernd schön,
möcht‘ immer und immer sie schaun!

Und kennst du die herrlichen Berge nicht,
gehorche dem Freunde. der zu dir spricht:
Zieh an die Wanderschuh‘
und nimm den Rucksack auf
und wirf die Sorgen ab,
marschier zur Rhön hinauf‘

Auf hohen Matten der Sonnenschein
die kühlenden Lüfte umwehn.
Und frei ist der Blick in die Welt hinein,
wonnig da droben zu gehn!

Und kennst du die herrlichen Matten nicht……

Ich weiß, wo Bächlein fließen klar
durch die Wälder und Wiesenflor,
springt so keck die Forellenschar
zur Freude der Angler empor.

Und kennst du die Rhönforelle nicht…….

Ich möchte viel noch erzählen dir
und singen von Berg und von Tal,
doch nein, viel Worte erspar‘ ich mir
und sage nur eins noch einmal:

Ja, kennst du die herrliche Rhön noch nicht……

Hier ist die alte Version anzuschauen


 

 Die Baiershut

Machen wir uns nun auf den Weg zum Baier, dem alten Feuerberg, denn viele erzählen auch, im Innern des Baiers glühe ein unheimliches Feuer. Das wenigstens war einmal tatsächlich so, der Baier ist ein schon lange erloschener Vulkan und hat vor Urzeiten glühende Lava gespuckt. Wir beide sind damals nicht auf Gipfel gewandert, mit deinen vier Jahren warst du zwar nicht zu klein für so eine Tour, doch das Wetter war zu windig und kalt. Also hinter dir und meinem Bruder, das ist der Baier, wenigstens waren wir schon oberhalb der Trift, hinter dem Sandrain:

Christian mit Horst auf dem Weg zum BaierHoch und beeindruckend sieht er nun gar nicht mehr aus, es sind vielleicht noch zweihundert Höhenmeter bis zum Gipfel. Von Dermbach sieht der Baier gewaltiger aus. Als Kinder zog es uns oft auf den Baier. Dabei waren fast immer Schusters Günther, auch mein Bruder Karl oder dessen Freunde. Genau hinter euch beiden verschwindet ein Weg in den Hecken, wenn wir den in Richtung Baier gehen, kommen wir an Wiesen, teilweise auch Ackerland, vorbei. Fast alle Flurstücke sind von Schutzhecken umgeben. Sie sind meist dadurch entstanden, dass dort die auf den Wiesen und Äckern reichlich vorhandenen abgesammelten Steine aufgeschüttet wurden. So entstand eine natürliche Begrenzung, Schutz gegen Wind und Wetter und Zuflucht für viele Kleintiere. Danach kommt kurz vor dem Wald ein breiter versteppter Gürtel, die Hut, der als Schafweide genutzt wurde. Dort wächst die unter Naturschutz stehende Silberdistel, ein Wahrzeichen der Rhön.
Der Wald hinter dem Steppengürtel steigt steil an. Einen nicht ungefährlichen Spaß machten wir uns damit, Steine diesen Abhang herunterrollen zu lassen. Ein Hauptspaß, wenn sie dann mit lautem Krachen und in hohem Sprung gegen einen Baumstamm prallten. Was wir allerdings nicht bedachten: es konnte durchaus ein Wanderer unten vorbei gehen, der kaum Zeit zum Ausweichen gefunden hätte. Immerhin war uns doch bewusst, dass wir Spiele trieben, die keineswegs Zustimmung bei den Eltern gefunden hätten – so blieben sie unter uns.
Als Wegweiser biet ich dir eine Karte vom Baier, damit du dich nicht verläufst:

Höhenkarte des BaierWir kommen den Triftweg von links aus Gehaus, gehen nun Richtung Emberg in den Wald. Rechts von uns, am Abhang nach Oechsen, war eine verwachsene Lichtung, die vom Absturz eines Fieseler Storches im zweiten Weltkrieg herrührte. Zwar suchten wir als Kinder bei unserem Herumstromern am Berg stets nach irgendwelchen außergewöhnlichen Resten des Flugzeuges, die Suche blieb leider stets erfolglos. Das entmutigte uns allerdings durchaus nicht, immer wieder dort herum zu stöbern.
Andere Leute soll das Suchen am Baier beinahe Glück gebracht haben und sie wurden traumreich… Der Baier wie auch andere Rhönberge werden gerne von Botanikern aufgesucht, weil da manche seltene Pflanze zu finden ist. Am Arzberg bei Otzbach wächst zum Beispiel die rare und unter Schutz stehende Szilla. Auch zu Heilzwecken wurden Kräuter gesammelt, und das Vorkommen bestimmter Blumen galt als Anzeichen für mancherlei Erhofftes oder auch Befürchtetes.


 

Die Wunderblume am Baier

Wen wundert es da, wenn von Wunderblumen erzählt wird, denen geheime Kräfte innewohnen, und wo sollten sie sonst zu finden sein, als an geheimnisvollen, ja unheimlichen Orten wie dem Baier?
Von der Wunderblume am Baier berichtet eine der bekanntesten Baiersagen:
Einst ging ein armer Mann, der sein karges Brot als Heilkundiger verdiente, wieder einmal am Baier auf die Suche nach Heil- und Wunderkräutern. Plötzlich gewahrte er eine prächtige Blume, die er bisher noch nie gesehen hatte, auf der Baiershut. Vorsichtig grub er sie aus; denn bei vielen Heilpflanzen, wie den Alraunen, ist ihre Kraft in den Wurzeln zu finden. Unterdessen staunte der Mann nicht schlecht, als er die Pflanze in der Hand hielt: an der Wurzel hing ein alter Schlüssel! „Na so was“, dachte er, „da hat wohl ein Dusseliger seinen Schlüssel verloren und nun ist die Pflanze hindurch gewachsen.“ Aber kaum hielt er den Schlüssel in der Hand, gewahrte er am Hang des Berges einen Torbogen und darin eine Tür. Staunend ging er zum Tor und wollte hineingehen, doch die Tür war verschlossen. „Ei ja, wenn mal nicht dieser Schüssel passt, wer sollte ihn sonst wohl verloren haben, wenn nicht der Bewohner dieser geheimnisvollen Klause?“ und tatsächlich konnte der Mann die Türe mit dem gefundenen Schlüssel öffnen. Er folgte einem langen dunklen Gang und betrat ein hell erleuchtetes Gewölbe. Eine wunderschöne Jungfer empfing ihn mit den Worten: „Nun hast du gefunden, was du ein Leben lang vergeblich suchtest. Nimm dir mit, was du hier findest, aber nur soviel du brauchst – doch vergiss das Beste nicht!“ Er schaute sich um, entdeckte jedoch außer einem Sack voll Weizen nichts Brauchbares. Zögerlich steckte er sich eine Handvoll Weizen in die Taschen, ein Feld hatte er nicht um ihn auszusäen und lief missmutig zum Ausgang. Da rief ihm die Frau nach: „Vergiss das Beste nicht!“ Er jedoch wollte so schnell wie möglich weg hier: „Die olle Krähe, “ denn nun war ihm die Jungfer nur noch halb so schön, „die denkt wohl, sie sei das Beste hier. Ich nehme‘ sie nicht mit, hab genug damit zu tun, mich durchzubringen in diesem kargen Land!“ und krachend fiel das Tor hinter ihm zu. „O verteufelt, der Schlüssel – wo ist er? Vielleicht kann man ja wenigstens den Sack Weizen verscherbeln!“ Doch den Schlüssel hatte er im Gewölbe liegen gelassen. Ärgerlich warf er den Weizen aus seiner Jackentasche weg „Was sollen mir die paar Körner, wo ich einen ganzen Sack hätte haben können?“ Eine riesige schwarze Krähe stürzte sich wie am Verhungern auf den Weizen und pickte ihn auf. „Ach, was soll’s, der einen Krähe hab ich ihn genommen, die andere hat ihn gefressen und ich hab wohl nur geträumt. Fand gewiss eine von den ganz starken Traumzauberwurzeln, die gut sind den Ängsten zu entfliehen.“ und ging nach Hause.
Am anderen Tag staunte der Mann nicht schlecht als er in seine Jacke griff, da fand er etliche Weizenkörner aus blankem Gold. „Oh, ich altes Rindvieh, wieso nur hab ich nicht begriffen, was die Jungfrau mit dem Besten meinte? Wie beschränkt war ich bloß in meiner Engstirnigkeit, die nicht weiter denkt als eine Mücke spuckt. Manchmal ist ein Wunder nichts weiter, als den Zufall so recht beim Schopfe zu packen“ Doch was soll’s, hinterher ist immer vortrefflich lamentieren.
Die zuversichtliche Weisheit des Rhöner Kräutermannes:
„Heälft’s mei, so schoadt’s nüscht,
verreckste, so verreckste!“
hat schon manchen Rhöntropfen schadlos durch die Kehlen gluckern lassen.


Die Baiershöhle

Weiter geht’s fast halb um den Baier herum, nun schon in Richtung Baiershof, zu einer weiteren Kinderattraktion: der Baiershöhle. Ich habe eingezeichnet, wo sie meiner Meinung nach zu finden ist. Man musste ein kurzes Stück einen Steilabhang herunter, unter einem Felsüberhang war der Höhleneingang, in den man kriechend etwa 10m tief hinein konnte. Nach dem zweiten Weltkrieg haben sich hier flüchtende Wehrmachtssoldaten versteckt, die angeblich von Frau Teske und Tochter, die in dem damals noch einsamen Haus auf der Unteralbaer Seite dicht am Waldrand lebten, verpflegt wurden. Etwas Geheimnisvolles umgab diese einsam lebenden Frauen für uns. Sie hatten den einzigen Esel weit und breit, der ihnen ihre Einkäufe auf die Höhe tragen half. Für uns Kinder war ein Esel ein ungemein exotisches Tier, das auf keinem Bauernhof zu finden war. Oft schlichen wir uns wie Verschwörer bis zu ihrem Haus, in der Hoffnung einem dunklen Mysterium zu begegnen oder wenigstens den Esel zu sehen. Den Esel sahen wir zwar hin und wieder oder hörten wenigstens sein Geschrei, das Rätsel Teske indes blieb für uns Kinder ungelöst. Wenigstens war sie eine Künstlerin, was sie fühlbar von unserer gewohnten Dorfleben abhob. Frau Teske-Wahl war eine Holzbildhauerin, und starb 1989. Von ihr stammt die Inschrift des Grabsteins der Johanna Nußbaum auf dem Judenfriedhof von Gehaus.
Noch interessanter aber war für uns die Vorstellung, dass der Rhönpaulus aus dem 18. Jahrhundert, darin Unterschlupf gefunden habe. Wirklich war er wohl in nie hier und seine Räuberschätze konnten auch wir, wie Generationen von Jungs vor uns, niemals finden.
Dessen ungeachtet ist in der Sage Rhönpaulus als zauberkräftiger Räuber auch mit dem Baier und dieser Höhle verknüpft worden. Völlig unrecht tat man damit dem tatsächlichen Rhönpaulus, der als Einzelgänger hin und wieder durch Mundraub überlebte, allerdings auch ein sehr pfiffiger Kerl gewesen sein muss. Manchmal schmuggelte er auch Salz. Damals war Salz noch ein wertvoller Stoff, der in Handarbeit durch Salzsieden aus Sole gewonnen wurde.


Die Sage vom Rhönpaulus

Vor mehr als zweihundert Jahren hauste am Baier ein gefürchteter Räuber mit Namen Paulus, vor dem die Leute solche Angst hatten, dass sie kaum seinen Namen aussprachen, weil er überall erschien, wo man ihn nannte, denn er hatte mit dem Teufel einen Pakt geschlossen und dadurch große Macht erlangt. Er konnte die Leute festmachen (an einer Stelle fest bannen, dass sie sich nicht rühren konnten), die er mit seiner Bande berauben wollte. Und ließ er sich manchmal fangen, so war sicher darauf zu rechnen, dass Paulus am nächsten Morgen über alle Berge war, denn keine Mauer war ihm zu hoch und zu dick, kein Schloss, kein Riegel, keine Kette so fest, dass sie ihn halten konnten. Er ver­mochte sich auch unsichtbar zu machen, in einen Hund oder Hahn zu verwandeln und so die Häscher irrezuführen.
Einmal waren einige seiner Bande in Mittelsdorf bei einem Bauern eingestiegen, um diesem den großen Kessel aus der Küche zu stehlen. Der Bauer aber konnte mehr als Brot essen, hatte Unrat gemerkt, bannte die Räuber fest und rief die Häscher aus Kaltennordheim herbei. Doch ehe diese noch die Räuber schließen konnten, war Paulus mitten unter ihnen, löste den Bann, machte den Bauern und die Häscher fest und verschwand mit seinen Kumpanen und dem Kessel.
Ein andermal verkaufte ein reicher Bauer zu Glattbach ein paar fette Ochsen an den Metzger. Als er nun sein Geld abends bei Licht nochmals nachzählen wollte und sein Kind nach den blanken Talern griff, um damit zu spielen, drohte er: Junge, sei still, sonst gebe ich das Geld dem Paulus!“ Der Junge aber gab keine Ruhe. Da strich der Bauer das Geld ärgerlich in den Beutel, schob das Fenster auf und hielt ihn mit den Worten hinaus: „Da, Paulus, hast du das Geld!“ – Da langte eine Hand zu und verschwand damit.
Nur vor zwei Leuten hatte Paulus Respekt, dem alten Papiermüller bei Weilar, der seine Mühle dem Zugriff der Bande dadurch entzog, dass er sie mit Wasser umgab und an Ketten hoch in die Luft hängte, und dem Schlosser aus Wiesenthal, dem Hexenmeister Joseph.
Mit Hilfe dieses Hexenmeisters wurde Paulus in seiner Höhle überwältigt, und Joseph hatte ein besonderes Schloss gemacht, das Paulus trotz seiner Zauberkraft nicht aufblasen konnte. Paulus wurde in einem besonderen Kasten, aus dem Kopf, Hände und Füße so herausragten, dass sie nochmals geschlossen werden konnten, zum Richtplatz gebracht. Vor seiner Hinrichtung bat Paulus um die Gnade, noch einmal die Erde berühren zu dürfen, was ihm aber verweigert wurde. Da gestand er, er habe dem Schlosser noch Tücke antun wollen. – Der Hexenmeister aber hielt sich, weil er so etwas geahnt hatte, den ganzen Tag in seinem Keller auf, denn nur dort war er vor des Räubers Zauberkraft sicher.
Jetzt aber hinauf auf den Baiergipfel, echte Räubermoritaten werde ich dir in den Dorfgeschichten erzählen.


Der Baiergipfel

Kurz vor dem Gipfel sind Reste zweier aus Basaltblöcken errichten Schutzwälle zu sehen. Sie waren vermutlich Fluchtburgen der von keltischer Kultur beeinflussten Bewohner des 5. bis 1. Jahrhundert v. Chr. unterhalb des Baiers.

„Der Bayer… ist in seinem obersten Theil von zwei concentrischen Basaltsteinwällen umkränzt, die im Jahre 1903 von Oberleutnant Stapff entdeckt wurden. Der innere Ring beschreibt ein Oval von 220 m (Nordost-Südwest) und 170 m (Nordwest-Südost) Durchmesser und wird durch ein kleines Basaltfeld unterbrochen, das vom Gipfel nach Nordnordwest abfällt und unmittelbar über dem äußeren Ring endigt. Dieser folgt in 50 bis 60 m Abstand ein Innenring… Auf der höchsten Spitze befindet sich eine anscheinend nicht natürliche und vielleicht von einem zusammengefallenen Bauwerk herrührende Anhäufung von ziemlich großen Basaltblöcken. Ein Theil des Nordabhanges wird von einem großen Steinfeld bedeckt, an dessen nordöstlicher Ecke zwei künstliche Gräben liegen. Wohnpodien befinden sich westlich von diesem Steinfeld, ferner auf der entgegengesetzten Bergseite und vereinzelt auch an dem Wege, der vom Beyershof nach dem Gipfel führt.“ [Goetze, Höfer, Zschiesche: „Die vor- und frühgeschichtlichen Altertümer Thüringens“, Würzburg 1909]

Ringwallanlage am BaierUns Kinder beeindruckten die Reste der Steinwälle nicht mehr wirklich, die ehemalige Höhe von fast zwei Metern hatte die Zeit längst abgeschliffen. Das letzte Stück bis zum Gipfel hat man sich durch hohe Distelsträucher zu kämpfen, mit nackten Beinen oder Armen nur für Rheumakranke oder Unempfindliche ratsam. Aber man sollte sich unbedingt auf diesen Geröllhaufen aus Basaltblöcken, der den Gipfel bildet, hinaufbemühen, denn dort findet man in eine Modell einer Pilgerkirche – von dem Gehauser Herbert Most angefertigt – das Gipfelbuch und gleich daneben auch eine Sitzbank für den klettermüden Gipfelstürmer. Man kann nur hoffen, dass dies durch den begeisterten Einsatz Gehauser Wanderfreunde mühselig herauf geschafften Dinge, noch lange bewahrt bleiben. Auf dem Gipfel bietet sich jedoch durch den dichten Baumbewuchs keinerlei Aussicht in die Umgebung. Abzusteigen, ohne die zurzeit einzig mögliche, jedoch lohnende Aussicht nach Nordwesten zu genießen wäre also eine Narretei!
Auf dem Weg dorthin erblickt man auch ein Fundament, Rest eines ehemaligen als Luftschutzschleuse im Jahr 1976 projektierten, mit Brettern ummantelten Turmes.
Als Aussichtspunkt hatte er schnell wieder ausgedient, nachdem sich die Jugend des stacheldrahtumwehrten, in seinen Fundamenten bunkerartig angelegten und durch Eisentüren und Schlösser verriegelten Baues bemächtigt und die zur Turmspitze führende Treppe sinnlos zerstört. Dieser Turm fiel 1993 einer Brandstiftung zum Opfer. Dieser rätselhafte Turm hatte bereits mehrere Vorgänger: Zuerst ist es nur eine an eine alte Eiche gelehnte Leiter, später ein mäßig hoher trigonometrischer Turm, die als Ausguck dienen. Dem Rhönklub-Zweigverein Stadtlengsfeld und dem „willigen Entgegenkommen der gräflichen Herrschaft“, wie es heißt, ist es zu verdanken, dass am 17. Mai 1914, als noch niemand an den Weltkrieg denkt, unter großer Beteiligung der Bevölkerung aus den umliegenden Ortschaften, der neue, uns Älteren noch bekannte Baiersturm eingeweiht wird.

Der Baierturm von 1914Der Turm ist ein aus starkem Stangenholz gezimmerter, ca.30 Meter hoher Gerüstbau. Von seiner obersten Plattform aus eröffnete sich dem Auge mit dem Blick auf die fernen Horizonte ein beeindruckendes Bild. Bei heller und klarer Witterung sind der Brocken, als ferne Silhouetten sogar die Veste Coburg und der Herkules bei Kassel zu erkennen. Davor die grünen Höhen und blauen Kämme des Thüringer Waldes mit den Konturen der Wartburg. Uns bleiben nur, neben der herrlichen Nordwestaussicht, wehmütige Schwärmereien von einem neuen Aussichtsturm und die vom Heimatpflegeverein Gehaus aufgestellte Infotafel zu den historischen, geologischen und botanischen Besonderheiten des Berges.


Der Abstieg

Der Abstieg in Richtung Baiershof ist sehr steil und nicht ohne Risiko. Vorbei am „Großen Steinmeer“, jenem imposanten Bauwerk der Natur mit seiner Welt der Moose, Farne und Flechten und weiter durch den Hollerborn, erreicht man den Baiershof in nordöstlicher Richtung.
In den Steinmeeren herum zu klettern war eine echte Mutprobe, es ging über große mit Moos bewachsene Basaltblöcke ziemlich steil aufwärts. Von oben war es ein großes Gaudi möglichst große Steine hinunter springen zu lassen – das erzeugte zwar ein sehr achtbares lautes Poltern. Jedoch ungefährlich war das nicht…
Alternativ bietet sich für den Gehauser, der es nach einem Sonttagmorgenausflug auf den Baier eilig hat, rechtzeitig zu Thüringer Klößen und Entenbraten nach Hause zu kommen, der Mosesweg an, der zwar auch ziemlich steil abwärts führt, doch sehr viel kürzer wieder zur Hut zurück führt. Den Namen hat er, wie mir mein Bruder Horst erzählte, nicht von dem Moses, der die zehn Gebote in Stein meißelte, sondern von dem Gehauser Israeliten Moses, der mit Frau und Holzbeladenem Pferdegespann diesen Weg herunter wollte. Seine Frau, sicher in solchen Dingen sehr unbedarft, musste die Bremsen des Fuhrwerkes fest kurbeln, tat aber Entgegengesetztes – die Fuhre gewann nun infolge des Gefälles heftig an Fahrt. Das Pferd (oder waren es zwei?) wurde von der schweren Ladung mehr geschoben, geschweige dass es auf die rasante Fahrt des Ganzen noch irgendeinen Einfluss hätte. Das Pferd bäumte sich angstvoll auf, die Deichsel verfing sich in einer Astgabel, die nachdrängende Last schob Deichsel samt Pferd in die Astgabel und so hing denn das arme Pferd schließlich hilflos in der Luft – doch der Wagen stand endlich, wenn auch nicht wie erwartet.
Die nacheilende Frau zeterte ihren Mann an: „Das geschieht dir ganz recht, du alter Dabber, was musst du auch das Pferd so schnell den Berg runter hetzen.“
Heimwärts kann man sich jedoch noch ein Bierchen am gemütlichen Hundeplatz des Gehauser Hundezuchtvereines in die durstige Kehle rinnen lassen, sofern geöffnet ist. Er bietet neben dem Hundetrainungsplatz nicht nur eine Schönwetterterrasse, sondern für rauere und feuchtere Zeiten für das Vereinsleben auch einen gemütlichen Gastraum mit Küche.


Bildergalerie


Bücher und DVD über Geschichte, Landschaft und Kultur der Rhön und Thüringens
– nach Themen sortiert –


 

Ein Kommentar

  • Ich habe soeben das Rhönlied auf meinem PC flotter und lustiger instrumentiert und und mit Bildern und Videos zu einem schrillen Machwerk zusammen gefriemelt. 😉

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