„Die Altmark“

und die Burg zu Kaltensundheim

I.

„Nort-, Sunt- und Vuestheim“ im engem Tullifeld, diese drei alten ,,Kalten-heim« liegen nach der Karte in einem Triangel, der inmitten keine andere Ortschaft zeigt, selbst aber von dem Höhen-Dreieck Umpfen, Weidberg und Altmark eingeschlossen ist. (Ein Kalten-Ostheim findet sich nicht). Von Kaltennordheim aus südlich gewahrt man, über Kaltensundheim hinweg, östlich von Kaltenwestheim einen Bergkegel, der sich vor seinen Nachbarn auszeichnet als der schönste im Oberfeldagebiet. Das ist der Altmarksberg, ein aus Kalk bestehender Kegel mit basaltischer Spitze, gegen 674 m. hoch. Bis vor etwa 120 Jahren soll sein Scheitel fast ganz von Bäumen entblößt gewesen sein; und heute noch kann er sich auch keiner uralten Eiche oder Buche als Rhönschmucks rühmen, denn nur ein Drittel seines Mantels (südwestlich) ist mit schwachem Laubgehölz besetzt. Aber ein erquickender Duft entströmt dem schönen Fichtenbestand, der seit Menschengedenken nordseits des Berges Schoß umfaßt. Daß sein Haupt so gering bewaldet ist, darf uns nicht groß wundern, denn wo dereinst Steinbauten der Natur den Platz versperrten, konnten Waldriesen ihre Aeste nicht ausbreiten. Hat doch, wie allgemein Sage und Chronik erzählen, in der Vorzeit eine Ritter- oder vielmehr Grafenburg aus der „Altmark“ gestanden, von welcher aber keine Spuren mehr vorhanden sind. Ein durch die Flur Kaltensundheim wie auch im Erben- und Schafhäuser Feld zur Altmark führender alter Weg heißt noch immer der „Burgweg“. Binder, unser neuester, umsichtsvolIster Chronist über das alte „Amt Lichtenberg an der Rhön“ schreibt: „Der Vogt der Cent Kaltensundheim bewohnte, so lange sie (die Cent) noch ungeteilt war, höchst wahrscheinlich ein festes Schloß auf der Altenburg oder „Altmark“. In einem amtlichen Berichte von 1754 heißt es auch, daß auf der Altenburg, zu welcher heute noch der Burgweg führt, der Erzählung und je zuweilen gefundenen Mauern und Kellern nach, ein Schloß gestanden habe.“ –

Spieß giebt zur Altmark noch als Sage an: „Die Bewohner derselben sollen mit denen auf dem Stellberg, auf der Disburg und von Henneberg durch ein Sprachrohr mit einander korrespondiert haben.“ Mit den beiden erstern ist solch’ Zurufen möglich gewesen, nicht so leicht aber mit dem Henneberg wegen dessen doch zu großer Entfernung; und selbst der Blick auf dieses ist von der Altmark durch den Neuberg etwas gehindert. Daß jedoch die Altmarks-Ritter, zumal wegen des in alter Zeit starken Verkehrs auf der östlich vorüberziehenden „Hohen Straße“, sehr oft das Sprachhorn zur Hand zu nehmen für gut hielten, sei nicht bestritten. Die „Altmark“ ist althennebergisch, Gründung und Verfall der Altenburg oder des Altmarkschlosses liegen aber ganz im Dunkeln; seine Existenz scheint nur bis zur Mitte des zwölften Jahrhunderts angedauert zu haben. Wahrscheinlich hat die alte Veste den weltlichen, rittermäßigen Bedürfnissen nicht mehr genügt; und nahe liegt es, daß das Steinmaterial derselben zum Ausbau der „neuen Burg“ von Kaltensundheim hauptsächlich verwandt worden ist, das Uebrige dann allmählich als Baumittel an die nächstliegenden Dörfer abging.

Gruß an die Altmark.

Hoch, ringsum frei und viel umweht,
Jahrtausend alt dein Thron doch steht
Im Tullifeld an fränk’scher Grenz;
Waldgrün schmückt ihn noch jeder Lenz.
Im Fichtenmantel, schwach belaubt,
Stehst du, der ehern’ Kron’ beraubt,
Mit kahlem Scheitel, der da zeugt,
Daß manch’ Geschlecht sich Dir gebeugt,
Weil du so grundfest und so stark
Wach’ hieltest, treue Altemark!
Drum sei im Herpf-Felda-Gefild’
Uns stets ein lieblich Friedensbild!

Der Altmark zur Rechten streckt sich von ihrem Abhang ostwärts die flache Heide (s. Heft I. S. 18) bis an den Leichelberg, neben dem dann die „Disburg“ sich erhebt; südlich, ohne Zusammenhang mit dem Altmarksberg, steht zunächst der Stellberg, und von dem recken sich hinaus der Streufelsberg und Ellenbogen zur hohen, langen Rhön, die nun aber jede erwünschte weitere Aussicht nach Südwest unmöglich macht. Näheres über die Umschau von der Altmark kann später Erwähnung finden.

 II.

Erinnern wir uns dessen, was Heft I. S. 30. 39. 63 u. 64 bereits von Kaltensundheim gesagt ist, und vergegenwärtigen wir uns, wie großartig sein Kirchberg sich der Altmark gegenüber präsentiert, so muß man es ganz zutreffend finden, was der Chronist Weinrich angiebt: „Kalten-Sundheim, ein Marktflecken, welcher in denen alten Zeiten rennomiert gewesen. Denn soviel sich aus dem jetzigen Kirchbau entnehmen läßt, muß solcher vormals Sitz eines vornehmen Herrn oder wohl gar eines Grafen von Henneberg gewesen sein. Um die Kirche ist eine zweifache Mauer gezogen. Zudem wird der Berg, darauf dieses Gebäude ruht, Burgstädel genennet, in dem vermutlich die Hofstallungen, Schaf-Hof und Behältnisse zur Vieh-Zucht darauf gewesen. Gar glaublich scheint es, daß Graf Wolffram I. von Henneberg, ein Sohn Popponis (XII., neuester Linie II.,) auf der alten Burg bey Kaltensundheim residieret und wohl gar die neue Burg angelegt habe: denn er sonderlich Kaltensundheim, Mittelsdorf u. a. zur Appanage (Abfindung) gehabt hat.“ Spangenberg meldet, daß dieser Herr mit dem Beynahmen Montacoc benennet worden sey. – Heim bemerkt dazu: „Sein Vater, auch Wolffram genannt, dritter Sohn Poppos I. (s. II. Heft S. 4.) starb 1155 zu Schmalkalden; der hatte zwei Söhne, Wolffram- und Heinrich, und des erstern Gemahlin hieß Gisela, die ihm keine Erben hinterlassen hat.“ Die Erbauung der Burg Wolffram’s dürfte demnach auch in die erste Hälfte des zwölften Jahrhunderts zu legen sein. Halten wir diese Notizen der drei Henneberger Chronisten für zuverlässig und sich einander unterstützend, so ist es wohl nicht unpassend, die neue Burg Kaltensundheims nach ihrem mutmaßlichen Gründer als die Burg „Montacoc’s“ zu bezeichnen.[1]

Beachten wir nun erst einmal die Hauptmomente aus der Geschichte des Burg– und Marktsleckens Kaltensundheim! Binders „Amt Lichtenberg“ giebt jedenfalls die meisten Nachweise, von denen folgende hervorgehoben sein sollen:

Im Jahre 795 n. Chr., am 23. Dezember, schenkte Voto für sein und seiner Gattin Rathilde Seelenheil sein ganzes Eigentum in „Sundheim“ u. a. Orten Tullifelds an das Kloster Fulda.[2]

„1147 beteiligte sich ein Heribot de Sundheim (Letzter seines Stammes) an einem Kreuzzuge und hatte zuvor den Sigiloh de Westheim, beauftragt, falls er nicht wiederkäme, seine Güter und 12 Leibeigene dem Kloster Fulda zu übergeben. – 1468 auf dem „Tage“ oder Gericht zu Kaltensundheim klagten die Grafen Friedrich und Otto von Henneberg gegen „Fürst“ Heinrich zu Kaltennordheim. 1491 sollten wieder auf einem Tage zu Kaltensundheim Streitigkeiten zwischen Graf Otto und der Gräfinwitwe Margarethe (geb. Herzogin v. Braunschweig) geschlichtet werden; 1499 ward die Sache ausgeglichen. 1470 raubten Karl von Luder und Engelmann von Buchenau, Feinde der Grafen von Henneberg, in Kaltensundheim einigen Unterthanen des Stifts Schmalkalden, das im Dorfe Lehngüter besaß, drei Pferde, worüber Fürst Heinrich (in Kaltennordheim) sehr unruhig wurde und dem Stifte Genugthuung verschaffte. – 1529 entschied Markgraf Georg von Brandenburg (als Obmann), daß Graf Wilhelm außer dem Centgerichte sich „sonst keinerOberkeit und Gerichtbarkeit zu Kaltensontheim anzumaßen noch zu gebrauchten habe.“ Die Einigung in dieser Sache erfolgte zwischen Wilhelm und Graf Hermann (Römhilder Linie) nur erst 1530.

Im Jahre 1606, also bald nach der Lostrennung Kaltennordheims von der Sundheimer Cent[3] wurde die Vogtei dem fürstlich coburgischen Rath und Rentmeister H. Ph. Spielhagen von der Herrschaft „verehrt“. Seine Erben verkauften sie 1617 für sechstausend Gulden an den Kaltennordheimer Amtmann Siegmund Eberhard. Als dieser 1650 gestorben war (er liegt nebst Gattin vor dem Altar in Sundheim begraben), kaufte den Hof Johann Adam von Jossa, Sohn des Vogtes Eckards von Jossa zu Diedorf. Dann kaufte von den Jossa’schen Erben der Oberstleutnant Johannes Walter den Vogteihof; 1728 ward das Besitztum mit Zubehör für sechstausend Gulden an die Gemeinde verkauft und von dieser der Flurbesitz vereinzelt. Der „Vogtei“ (dem Fron- oder Freihof unterhalb der Schule), herrschaftlicher Lehen, stand das Zehntrecht auf gewissen Aeckern und bedeutende Fronen (Dienste ohne Löhnung) aus den Gemeinden Sundheim, Mittelsdorf, Wohlmut- und Helmershausen zu, z. B. Ackerbauarbeiten im Sommer- und Winterflur u. a. m.

In adligem Besitze waren zu Kaltensundheim: der Vasantsche (seit 1569 Hoßbergische), der Allendorf’sche und der von Tann’sche Hof. Letzterer, 1347 schon von Herrschaft Henneberg für 212 Pfund Heller an Heinrich von der Tann-Bischofsheim verpfändet, kam 1477 wieder an Graf Wilhelm.[4]

1458 verkaufte Albrecht Schrimpf, Schultheiß zu Würzburg seine Güter in Kaltensundheim, die von seinen Schwägern, den Truchsessen zu Bartorff auf ihn gekommen waren, für füufundsiebzig. Gulden rhn. an Kuntz Pfaff (später Kaltennordheimer Centgraf), dessen Witwe sie an Graf Wolfgang Ernst von Henneberg veräußerte.“ –

Aus dem Hennebergischen Urkundenbuch läßt sich noch Einiges zufügen: 1315, Juni 8, bekundet Abt Heinrich von Fulda, daß er sich mit Graf Berthold von Henneberg über das Centgericht zu Kaltensundheim vertragen habe. – 1333, Juni 16, giebt Berthold von Henneberg das halbe Gericht zu Sundheim an Fulda zurück, von dem er es in Pfand hatte. – 1343, Januar 12, bekennt Heinrich von der Tann, von Bischofer genannt, daß Graf Heinrich von Henneberg ihm Güter zu Kaltensundheim u. a. Orten versetzt habe; dabei heißt es „die hoffstete tzü Kaldin-Sünthem, die sin sint“. – 1396, Aug. 23 u. 24 „an sent Bartholomeus abunde (Abend) hat Günther Vasald sin lehen emphangen czu Diedorff, item waz er hat czu Kaldinsuntheym pp. – 1399 wird Caspar Truchsess durch Stift Fulda mit Gütern zu Kaldin-Sunheyim belehnet. – In einer Urkunde von 1420, 1, Juni zu Benshausen, ist von Gütern zu Suntheim, die von Eberharten von der Kere gekauft waren, geredet, daß Graf Wilhelm von Henneberg dieselben an den Grafen Friedrich von Henneberg verkaufte. In der Urkunde von 1428, Jan. 20, wird Sundheim als „im Thölfeld“ bezeichnet .


 

In Bezug auf die Lage der Burg vom Orte Kaltensundheim, auf ihre und des „Marktflecken“ Befestigung, wie in Hinsicht auf die noch vorhandenen Ueberbleibsel und Spuren der „Wolffram’s- oder Montacocc’s-Burg“ bieten die Chroniken weniger als man in Wirklichkeit an Ort und Stelle gewahr wird.

Kronfeld, der im Allgemeinen mit den bereits angeführten Chronisten übereinstimmt, schreibt unter Anderm: „Die burgmäßig befestigte Kirche mit massivem kurzen Turm giebt dem alten Landgerichtsorte ein imposantes Ansehen“; (s. Heft I S. 64.) Ja, die frei, hohe und an und für sich felsenfeste Lage des Schul-, Kirch- bezw. Burgplatzes weist schon ausreichend auf das leichtmöglich gewesene Bestehen der gedachten Burg hin. Nach Westen zu ist der ziemlich steile Berghügel durch Abgrabungen bei dem in den Jahren 1831 und 32 ausgeführten Chaussee-Bau übersteigbarer gemacht worden, indeß zuvor nur am Fuße des Bergs ein Fußweg mittelst eines Pförtchens den Ein- und Ausgang nach und von Kaltensundheim gestatte. Südlich nimmt die Anhöhe mit dem steilauf errichteten Mauer- und Schulhaus-Bau den staunenden Blick des Beobachters in Anspruch, wie anderseits man von dem sogenannten Cantorat aus einen vollständigen Ueberblick über den viel tiefer gelagerten und von schöner Flur umzogenen Ort „Sundheim“ hinweg nach der Altmark und andern Rhönvorbergen genießt. Oestlich hin dehnt sich der „Kirchberg“ allmählich nach dem Felde aus, welches von der alten Kaltennordheimer Straße berührt wird. Nördlich, außerhalb der Ortsringmauer breitet sich zunächst der grüne, zur Zeit mit Barriére eingefaßte „Schulrasen“ aus, auf dem in der Vorzeit der „Dingstul“ thronte; unten im anliegenden Grunde durchschlängelt der Feldabach die ergiebigen Wiesen. Kein Wunder, daß der Henneberger Graf sich auf solch’ anmutiger Lage ein „Palatium“ herstellen ließ!

Eine glaubwürdige Sage meldet, daß auf dem Kirchberg in längst vergangener Zeit ein Frauenkloster „zu Sankt Katharine“ gestanden habe, doch lässt sie uns darüber ganz im Unklaren, ob es innerhalb der jetzt noch stehenden hohen Schutzmauern, oder auf dem geräumigen Friedhof, oder auf einem sonst geeigneten Platze am „Knottenberg“ (d. i. der nördliche Dorfteil katastermäßig,) erbauet war. Auch über das Jahr seiner Gründung und späterer Aufhebung kann nichts angegeben werden. Nicht unwahrscheinlich bleibt, daß fragliches Kloster von Mitte des vierzehnten bis Anfang des sechzehnten Jahrhunderts mit unter dem landesherrlichen Schutze Henneberger Grafen gestanden haben mag.

„Sei dem wie ihm wolle“, das unterliegt keinem Zweifel, daß Kaltensundheim den „Hennebergern“ ein von Alters her bis zur Teilung der großen Grafschaft wichtiges Zugehör gewesen ist und die dasige ehemalige Burg von Bedeutung sein konnte. Und es ist nicht unintressant noch einen kurzen Rundgang in dem Kirch- oder Burghof’, auf dem „Burgstädel“- und Centhausplatze wie längs der alten Ringmauer, und eine spezielle Angabe über deren gehabte Thore hier anzustellen.

Der „Burgplatz“, den nunmehr nur die Kirche und das Schulhaus zieren, enthält zwischen diesen Bauten herum einen 4 bis 5 m breiten Hofraum von ½ Ackr. 23 Rth. = 19 Ar Fläche. Seine innere, eigentliche Schutzmauer steht besonders von Westen nach Osten zu ziemlich erhalten in ihrer ursprünglichen Höhe, die außenseitig an 7 m nach innen nur 6 m inlichten beträgt; sechs Schießscharten, welche die 1 m dicke Steinwand noch offen zeigt, sind in Mannes Brusthöhe angebracht. Wenn schon von sehr ungleichem Gestein mit Mörtel gekittet, ist diese Hochmauer doch von den Wurzelstöcken der auf ihrem Scheitel emporwachsenden »Vogelbeerbäumchen« noch nicht so gesprengt, daß der Einsturz drohe. Wenig, aber doch etwas trägt ihr zu längerm Halt der Ueberrest eines Wachtturmes bei, welcher im nordöstlichen Winkel des Hofs unter losem

Ziegeldach hingekauert steht und durch eine knappe Thür zu ebener Erde zugängig ist. Der öde Raum längs der Nordseite des Kirch- und Turmbaues ist etwas düsterig, wennauch ungefährlich. In eine besonders ernste Stimmung versetzt uns aber der Anblick des Ostflügels vom Hochmauer-Viereck: Hier ist das Thor zum Gottesacker! Ueber ihm bemerkt man eine aufgerichtete Steintafel mit einem Leichenvers aus 1727, und darunter im Thorbogen die eingehauenen Jahreszahlen 1600 und 1826.[5]

Einen ganz anderen, lebensfrohern Eindruck bietet die südliche Langseite vom Ringbau des Burg- oder Kirchbergs. Der östliche Teil der Schutzmauer ist hier scheitelfrei, so daß der bescheidene aber nette Kirchturm dem tieferliegenden Marktflecken nicht nur das Uhrenzifferblatt deutlich aufweisen, sondern auch den Glockenklang lauter hören lassen kann. (Der Turm selbst, an 2 gegenüber stehenden Seiten bis zur Spitze altmassiv, von grauem Gestein, ist an den vier Kanten seines Schiefdaches mit Quadersteinen stufenartig ausgekämmt.) Nun folgt in der Mitte der Mauerfront, über dem „Haupt-Burgthor“ der Bau des Schulsaales und westlich daran) in gleicher Höhe und Fluchtlinie das „Cantorat“, d. i. die auf ansehnlicher Untermauer wohlbefestigte, in dieser Seite massive zweistöckige Lehrerwohnung.[6]

Ueber die Einfahrt zur Wolffram’s– oder Montacocsburg sei noch Folgendes erwähnt: Aus dem Dorfe heraus wie überhaupt auch zu den Ortsthoren herein passierten die Gespanne wohl nur den Weg vom „Plan“ durch die untere Knottenbergsgasse, vor dem Pfarrhause, dem Rain entlang zum Aufstieg der niedrigern „Burgvormauer“. Diese umfaßt hier zwei auf dem Felsvorsprung angelegte Hausgärtchen, zu denen rechts und links verschließbare Bogenthürchen führen. Bei dem in neuerer Zeit erst mit ein Dutzend Sandsteinstufen hergestellten Schul- und Kirchsteig‘ ist noch ein Steinpfeiler des ersten „Burgthors“, an der Vormauer sichtbar. Nach wenigen Schritten steht man vor dem imstand gehaltenen, zweiten, massiven, spitzbogigen, eigentlichen Hauptthor’, dessen Wölbung an 4 m hoch und mit 4 m tiefen Seiten in die besprochene innere Schutzmauer gefügt ist. Ein beschlagener Balkenriegel, der sich linkerseits hier in die Steinwand (bis unter des Lehrers Alkoven) einschieben läßt, kann wagrecht wieder vorgezogen und ganz leicht so eingehängt werden, daß sofort das Bohlenthor samt Pforte verrammelt ist. Wo über der Thorhalle die Balkenlage des Schulsaales beginnt, darunter hat ehedem jedenfalls ein drittes Thor, vielleicht mit einem Fallgitter versehen, den voreiligen Zuspruch im vormaligen Ritter- oder auch Klosterhofe gehindert. Ueberdies ist ja bis zu Anfang unsers Jahrhunderts an dieser Stelle vom Parterr’-Zimmer des Schulhauses nach der Thorhalle hinab ein besonderer Ausgang gewesen. Gegenwärtig ist der Eingang zum Lehrsaal und zur Lehrerwohnung ein gemeinschaftlicher an der Nordseite, den Kirchthüren nahe gegenüber.[7]

Gehen wir endlich hinab vom Knottenberg’ an den östlichen Teil der Dorf-Ringmauer, so kommen wir an das Unter– oder „Planthor“, wie man die dortige Ausfahrt noch nennt, indeß die alte Mauer nur in kleinen Ueberresten, das Thorhäuschen aber in Nichts mehr zu erkennen ist. In ziemlicher Entfernung von da, am südöstlichen Dorfende, stand ehemals das Ober– oder Borngassethor (auch kurz „Gaßlerthor“ genannt). Von dem in den Ort gemächlich fließenden Feldabach, – der sonderbarerweise in Sundheim immer noch nur „Wasser“ heißt -, ist hier, wie westlich daneben wegen des Mühlgrabens der alte Mauerring durchbrochen, ein Thorhaus ebenfalls nicht mehr, aber doch eine größere Strecke absperrender Mauer längs des westlich her ziehenden alten „Straßwegs“ noch vorhanden. Durch diese beiden Thore war der alte Centflecken Sundheim ausreichend für den Verkehr in Kriegs- und Friedenszeit überwacht. In den bis 1570 zurückgreifenden Gemeinderechnungen fand ich auch wiederholte Ausgabeposten für den „Dorbart“ (Thowart, Thorwache). Kronfeld meint: „Die Befestigung von Kaltensundheim hat sich in Kriegszeiten auch sehr gut bewährt, es mußten unverrichteter Sache sogar die Kroaten abziehen.“ Auf Grund der Belege im Gemeindearchiv füge ich dem hinzu, daß gerade im dreißigjähren Kriege neben einem tapfern Auftreten der Ortsnachbarn auch deren bereitwillige Aufbringung von „Contributionen“ (d. h. Leistungen an Geld und Naturalien) dem Eindringen und Plündern feindlicher Scharen zu begegnen half. Bedeutende Zahlungen kostete z. B. die lang andauernde Aufstellung der „Salva- oder Sauve-guardia.“, soll heißen: Schutz- und Rettungs-Compagnie, die aus einem einquartierten schwedischen oder andern Regimente abwechselnd angenommen wurde.


aus
C. E. Bach
„Im Tullifeld“
Eine historisch-landschaftliche Umschau in engerer Heimat
– der Vorderrhön –


[1] Ob nun das Wort montacoc eine lateinische oder italienische Zusammensetzung und ob aus Berghahn oder Hahnberg (statt Henneberg) zu übersetzen ist, das mögen Sprachkenner entscheiden.

[2] 812 schenkte Engilrich (wie Kronfeld schreibt) dem Kloster Fulda seine Güter und Leibeigenen zu Kaltensundheim; und 824 eignete Otmar in der Mark Sundheim 40 Morgen Landes auch dorthin.

[3] Das Cent-Haus, massiv, zweistöckig, stand am Pfarr-Rain, zwischen der dortigen großen Linde und dem Gottesacker, an der dort hinter der Pfarrei weg noch bestehenden Fahrt. Vor 66 Jahren noch habe ich den festen Bau mit seinen verkommenen Räumen und Fenstern selbst gesehen.

[4] 1643 ist auch von einem „Sperberhof“ die Rede, dessen Erben aber später andern gleich „traktiert“ wurden.

[5] Dieses Steinthor hat ursprünglich außerhalb des Burg- oder Kirch-Hofs, draußen am „Knottenberg“ zwischen der südlichen Vormauer und dem ehemaligen Centhause gestanden, so daß die Gemeinde ihre Leichenbegängnisse nicht durch die eigentlichen Burgthore, nicht durch den Schulhof hin abhalten mußte. 1826 wurde die Versetzung des „Totenthors“ vorgenommen. Vordem konnten auch unbemerkter die „armen Sünder“ aus der Cent zu ihrem Gottesäckerchen getragen und in den Schatten des schmalen Grundstücks zwischen der nördlichen Hoch- und dahinter liegenden Dorfringmauer eingescharrt werden.

[6] Scherzweise ist dieses alte Schulgebäude von Manchem „die Schulenburg“, wohl auch „Hochschule“ genannt worden; z. Z. des Cantor Nix hätte sie die „Nixenburg“ heißen können. –

[7] Rechterhand am Thürstein hat man einem Altertumsstück aus dem dreizehnten Jahrhundert (den verwitterten Ziffern nach) die umgekehrte Aufstellung vergönnt, nämlich einem kolossalen Taufstein, der nun wohl als Hofrarität noch lange steht.


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