Das „Jagdschloß“ auf dem Bleßberg’

(Bleßgipfel 645 m, heute wird der Berg Pleß genannt)

Der „Rosa“ stilles, grünes Thälchen[1] umschließt den Nordsaum des Zillbacher Waldgebietes und scheidet zugleich dadurch das Weimarische große Forstrevier von dem Herzoglich Sachsen-Meiningschen. Vom Dörfchen Georgenzell aus, welches noch Ueberreste eines Klosters aufzuweisen hat, (die im nächsten Hefte unserer Umschau besprochen werden sollen), überschreiten wir den Rosabach und wenden uns westlich am Kloster-Kohlberge hinauf in eine Waldpartie am Südostgelände des hier gar großartig gelagerten Bleßbergs, die nach Weiland-Kieperts Specialkarte (von 1860) „das Paradies“ genannt ist.[2] Ja, „wo Büsche stehn’ und Bäume voll tausend schöner Träume, und Laub und Gras und Blumenduft ringsum erfüllt die frischeLuft; wo’s lustig hüpft und springet und schwirrt und ruft und singet, und nah und fern das Jagdhorn schallt, und nah und fern die Büchse knallt . . ., im Wald, im Wald, da ist mein liebster Aufenthalt!“ Solch‘ heitere Stimmung, (nichts von Unlust), möge Jeden beleben, der zum Tullifelder Bleßgipfel[3] hinaufwandert oder von dort hernieder steigt.- Den Rhönführer Spieß zur Hand, erfahren wir: „Zwei Stunden südlich von Salzungen, am Wege von da nach Roßdorf, oder dreiviertel Stunden nordöstlich von der „Stoffelskuppe“ (616 m)[4] ist ein beträchtlicher, von Kopf bis zu Fuß in prächtigen Laubwald gekleideter, aus Basalt bestehender kegelförmiger Berg, der Bleß [heute Pleß geschrieben]. Auf dem Gipfel zahlreicher bemooster Basaltblöcke sind zwischen diesen verschiedene „Salzlecken“ zur Erfrischung des hier großen Wildstandes[5]. Aussicht gewährt der Gipfel aber fast gar nicht, man muß dieselbe etwas niedriger, nördlich und östlich, an dem „Schweinsgraben“ und bei den „Bärenlöchern“ suchen. Unter dem nordwestl. Teile des Gipfels liegt das Bleßhaus, ein zur Aufbewahrung des Jagdzeugs dienendes, von alten Buchen beschattetes, mit Tischen und Bänken versehenes hölzernes Gebäude (1882). Am Bleß gewahrt man noch Spuren der sogenannten „Wildlöcher“, das sind in den Boden eingegrabene, durch Einsacken des Erdreichs jetzt in Form eines Triangels erscheinende Gruben, welche zur Zeit des dreißigjährigen Krieges den An- und Umwohnern des Bleß zum Verbergen ihrer Habseligkeiten dienten“ (Vergl. Heft I S. 19 und Bechsteins Sage vom „wüthenden Heer’.“)

Gegenwärtig hat der Bleß ein vor etwa 15 Jahren von Sr. Hoheit dem Herzoge Georg II. von Sachsen-Meiningen neu erbautes größeres, nobleres Forsthaus als „Jagdschloß“, welches nebst Nebenbauten dem Schutze eines daselbst ständig wohnenden Forstwarts anvertraut ist, Touristen auch gezeigt werden kann; (wobei man aber auf sogenannte Sommerwirtschaft nicht rechnen darf).

Die Ueber- und Umschau, welche der Bleß (heute Pleß) bietet, befriedigt immerhin reichlich den Natur- und besondern Waldfreund bei jeglichem Besuche. Nach Osten hin gewahrt man zunächst die 510 m hohe Kilianskuppe (i. Heft I. S. 60), welche durch ihre „mehr als tausendjährige Eiche“ denkwürdig geworden ist; vor ihr südöstlich liegen der Mittel- und Rippertsberg, 490 m, nördlich hinter ihr der „Saukopf“, 310 m; von diesem nordwestlich hebt sich aus den horizontalen Schichten der „Hunnkopf“, zu 500 m etwa, und westlich vor diesem langgestreckt der „Schneckenberg“ zu 528 m (n. Karte der preußisch. Landes-Aufnahme von 1880). Vom Bleßhaus ab westlich ist der Bocksberg[6] mit anstoßendem „Hammelstein“ (nach preuß. Karte=Hammerstein zu 494m) gelegen, südlich vor diesen beiden (n. Hoßfeld) der Spital- und Bürgerberg und – dem Bleßberge westlich, der Schrümpfersberg bis zu 550 m. Die preuß. Karte giebt am Südfuße des Bleßbergs nur „Bädlers Born“ an. Am Fuße des Spitalbergs ist südwärts der „Schönsee« in Waldesstille geborgen.[7] Der Bleß, gleichsam Central-Punkt der Nordost-Vorderrhön, hat als feste, als natürliche Gauwarte (vergl. Heft I. S. 11.) zwischen Felda und Mittelwerra seine volle Geltung behalten.[8] Die ehemalige Burg Frankenberg (Heft II. S. 114), ein Stündchen südöstlich unterhalb des Bleßhauses und noch etwas näher nördlich von Zillbach gelegen, hat auch dereinst die bequemste und zugleich zuverlässigste Forst- oder Jagdwarte den ritterlichen Besitzern sein können. Der Bleßwald gehört dermalen zum Forstrevier Frauenbreitungen, welcher klostergeschichtliche, freundliche Ort, zugleich Bahnstation, kaum 2 Stunden ostwärts vom Jagdschloße entfernt ist.

Vom Bleß westwärts sieht man ferner ganz gut den Oechsen und Beyer und davor das Gefilde von Dermbach, welches im Hintergrunde der „Geisaerwald“ mit seinen Vorsprüngen ziert; südlich heben sich neben dem Neuberg die Hausbergsebene, der Hoheasch, Hoherain (nicht Hochrain) und Hahnberg hervor. Von Vacha bis an die „Maienluft“ hinaus kam man die schönen Partieen der Mittel-Werra mit den freundlichen Nebenthälchen nach Osten und Norden beschauen, die unzähligen Vorberge des West-Thüringerwaldes wie ihn selbst bis zu seinem „Rennsteig“ hinan bewundern. – In das Bereich des Bleß hat Spieß, wie vorn angedeutet ist, auch die „Stoffelskuppe“ (Christophskuppe) gestellt und beschreibt dieselbe folgendermaßen: „Die Spitze der schön geformten, waldigen, über der „Kuheller“ sich erhebenden basaltischen, sagenreichen Stoffelskuppe, 1 Stunde nördlich vonRoßdorf, krönt ein 20 Fuß hoher Basaltblock, welcher, als er noch nicht von Bäumen überragt war, einen schönen Anblick auf die Rhön und nach Franken hin bot.“ Das waldreiche Rundum unsers Bleß-Jagdschloßes sei gepriesen mit dem allbeliebten ,,Wer hat dich du schöner Wald, aufgebaut so hoch da droben?“ . . . . und wir stimmen froh in die Worte mit ein: „Schirm’ dich Gott, du deutscher Wald!“


aus
C. E. Bach
„Im Tullifeld“
Eine historisch-landschaftliche Umschau in engerer Heimat
– der Vorderrhön –


[1] Vergl. Heft I. S. 46.

[2] Sonderbar, daß Reimann’s Specialkarte (Verl. Glogau, bei C. Flemming) diese Waldstrecke als „die Unlust“ bezeichnet.

[3] Man nennt auch einen „hohen Bleßberg“ (zu 869 m) in der Umgegend von Eisfeld, auf dem Thüringerwald.

[4] Vergl. Heft III. S. 50.

[5] Wie man mir meldete, ist anzunehmen, daß zur Zeit oft gegen 500 Stück Hochwild im Bleßgebiete, aus den Revieren Hellmers, Frauenbreitungen und Stadtlengsfeld sich dort einfinden.

[6] Dieses Namens finden sich in Deutschland viele, im Tullifeld schon 3 Berge; Heft I. S. 11, 49; III. S. 30.

[7] Vom Dorfe Bernshausen, ¾ St. nördlich liegt der sehr tiefe, länglich runde Schönsee, 15 Acker haltend, mitten im Walde. Die hoch aufsteigenden Ufer haben prächtige Bäume, das Wasser hat die grünliche Farbe der Hochgebirgsseen. Vergl. Heft III. S. 48.

[8] 1866, am 4. Juli haben jedenfalls die preußischen Corpsführer vom Bleß aus den Kampf gegen die auf dem etwa 7 km südlicher liegenden „Nebelberg“ postierten Bayern leicht dirigieren können.


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