Die Grenzen Tullifelds

Im alten Herzogtum Ostfranken (Francia orientalis), genauer in dem schon besprochenen Grabfeld, und zwar meistens in der bis 744 nach Christo angeblich unbewohnt gewesenen Buchonia, hat man das Tullifeld zu suchen. Mit dem Wechsel der Zeiten veränderten sich auch mannigfach seine Grenzen. Vielfache Unterhandlungen zwischen den ehemals im und am genannten Gaue ansässigen Grafen, die bald verwandtschaftlich bald fremd und feindlich zu einander standen, konnten selbverständlich spätern Grenzstörungeu und infolgedessen oft ganz neuen Abgrenzungen nicht vorbeugen. Karten darüber mit genauen Messungen führte man wohl kaum; und so ist auch bis in neuester Zeit weder eine physikalische noch politische Land- oder Gaukarte erschienen, welche zur Lösung der tullifeldischen Grenzfragen wesentlich hätte beitragen können. Sollte man das Tullifeld auf Grund verschiedener Chroniken in eine unserer Special-, z. B. Rhönkarten einzeichnen, so würden seine Grenzen (in weitester Ausdehnung) zwischen 27°33″ bis 28° östl. Länge und zwischen 50°23″ bis 50°52″ nördl. Breite (nach Ferro) zu liegen kommen.  Nach dieser mathematisch-geographischen, aber doch nur mutmaßlichen Grenzenbestimmung könnten dann folgende Berge als natürliche Gau-Warten angesehen werden:

  • im Südosten bei Mellrichstadt der Heidelberg, 523 m (über der Ostsee),
  • im Nordwesten bei Mannsbach der Soisberg, 648 m,
  • im Südwesten bei Gersfeld der Wachküppel, 706 m,
  • ins Nordosten bei Langenfeld der Bleßberg, 645 m,
  • inmitten der gekrümmten Westlinie der Bocksberg, 558 m, bei Obernüst,
  • gegenüber, inmitten der Ostlinie, die Geba, 750 m, bei Herpf.

Besonders nach Fluß- und Stromgebieten hat Genßler die mutmaßlichen Grenzen des Tullifeldes im II. Teile seiner Grabfeld Geschichte (unter Anmerkung 106) folgendermaßen angegeben: „Gegen Norden und Osten bildete die Werra stromauf bis zur Kazza, Kazzaha (Katzbach) die Grenze des Gaus, wo Thüringen, und zwar der thüringische Westergau bei Salzungen anstieß, und um dann weiter südlich das östliche Grabfeld zunächst den Gau Tullifeld berührte. Mittagwärts strich es bis gegen Wüstensachsen hin und erfüllte sonderlich das Land zwischen dem Eltz- und Streuflusse, deren Zusammenfluß den äußersten Winkel des Tullifeldes mittäglich bildete . . . Von Fladungen führte die Grenze über Weimarschmieden an den Fluß Herpf (Erphe), welchen ich (Genßler) für südliche Grenze des Tullifeldes halte.“ – Schultes schreibt: „Der Gau Tullifeld lag auf beiden Seiten der Ulster und erstreckte sich gegen Morgen bis an die Werra und gegen Abend bis an das rechte Ufer der Fulda. Gegen Norden war die hessische Stadt Friedewald der äußerste Diöcesanort des Landkapitels Geysa und gehörte also mit zum Gau Tullifeld.“ Brückner giebt an: „Das Tullifeld lag an der Nordlehne der Rhön von der Fulda bis zur Katza; nach Wenk: bis zur Herpf.“ Krause, ehedem Pfarrer in Fischbach im Tullifeld, erzählt in seinem ,,Erpho von Nithardishusen“: ,,Wo sich das Fuldathal in weitem Bogen ausdehnt, fließt ein Bach von Osten her (wohl die Lütter) der Fulda auf dem rechten Ufer zu . . . Da war das Eichloh, und etwa eine Tagereise östlich vom Eichloh liegt der das Thüringen und Franken scheidende Gau Tullifeld, der in der Geschichte bald als ein ganz selbständiger, bald mit Barin-, Saal- und Weringau zusammen als Grabfeld bezeichnet wird.“

Dem Allem entspricht auch Genßler a. a. O., wenn er schreibt: ,,Das Tullifeld grenzte an Hessen, und Buchonia (ein Teil des Rhöngebirges) war in demselben eingeschlossen, so daß auch jenseits des Ulsterflusses noch ihm zugehörige Ortschaften lagen.“ Da dieser Chronist als unermüdlicher Forscher für die Geschichte des Grabfeldes unumgänglich auch das Tullifeld im Auge behalten mußte, und da er mit unsäglichem Eifer fast unzählige Autoren zu Rate zog, so möge man es mir nicht verargen, wenn ich ihn in unserer Tullifelder Grenzfrage bis auf Weiteres als zuverlässigsten Führer gewählt habe. Ich möchte bei diesem Geständnis auf die Vorrede Genßlers zu seiner Geschichte des Grabfelds und auf die Widmung des Buches (an die damalige Herzogin Anna Amalie zu Sachsen etc.) hinweisen, wonach man wohl getrost annehmen darf, daß Genßler in der gedachten Abhandlung sicherlich große Vorsicht und Gemessenheit beobachtet hat.


aus
C. E. Bach
„Im Tullifeld“
Eine historisch-landschaftliche Umschau in engerer Heimat
– der Vorderrhön –
Kaltennordheim 1897


Bücher und DVD über Geschichte, Landschaft und Kultur der Rhön und Thüringens
– nach Themen sortiert –


 

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