Ursprung des Volks und seiner Fürsten

Die Vorfahren der Bewohner des alten Grabfeldes sind im Allgemeinen weniger die Hermunduren (Thüringer) als vielmehr die Chatten (Hessen) gewesen; dieser Volksstamm war somit wohl auch im Tullifeld am stärksten vertreten. Infolge der fränkischen Eroberungen Chlodwigs und Theodrichs (C. E. Bach meint Theuderich I. 511-534) in der Mitte des 6. Jahrhunderts konnten die alten Thüringer, die vordem eine Art Uebermacht über die alten Hessen besessen hatten, es nicht verhindern, daß die Franken nun eine Volksmischung erzeugten, in welcher gerade das Tullifeld einen chattisch-fränkischen Typus seiner Bewohner in Gesichtszügen und Charakter eingeprägt bekam und auch weiterhin behielt. Genßler schreibt: „Diese Franken (Vrankonen) waren eigentlich suevischen (schwäbischen) Stammes, einer Völkerschaft zugehörig, die zu Ende des 4. Jahrh. vom rechten Rheinufer bis zur Weser und südlich bis jenseits des Mains wohnte: ,,Frank“ war ihr Bundesname. Grimm giebt an: ,,France stammt von Franco, Francho ab und bedeutet die Selbständigen, Unabhängigen, was in natürlicher Auffassung sowohl mit frech als auch mit frei in Verbindung steht.“

Geschichtlichen Notizen nach traf man 740 n. Chr. im Grab- und Tullifeld vereinzelt auch auf Slaven, die allem Anscheine nach als Gefangene im Kriege durch die Franken in deren Klöster oder auf ihre Kloster- und andern Güter versetzt worden waren. Daß im Zusammenhang mit dem mächtig gewordenen fränkischen König- und Kaisertum auch dessen Vasallen überwiegend den Franken entsprossen, kann nicht auffällig erscheinen; ,,denn wer König wird, dem wachsen die Vettern wie Hederich im Hafer“. (Freitag in s. Ahnen). So vertreten auch Spangenberg und Sauer die Ansicht, daß die ersten Grafen von Henneberg, welches später das Grab- und Tullifeld mit umfaßte, jedenfalls nicht thüringischen, sondern fränkischen Ursprungs gewesen seien. Möglicherweise sind sie aus dem nordwestlichen Teil des großen Frankenreichs her in unsere Gegend eingewandert oder von Königen versetzt worden. Diese Annahme würde es uns ermöglichen, den Namen ,,Henneberg“ von ihrem etwaigen ursprünglichen Heimatsland herzuleiten, von dem im heutigen Königreich Belgien gelegenen Hennegau, dessen unweit der Henne gelegene Hauptstadt heute noch Mons oder Bergen heißt, und der auch die Namen Haningau, Heiningow trug.

Kaiser Karl der Große (768 – 814), der Herrscher -und Ordner des großen Frankenreichs, mußte sich begreiflicherweise tüchtige Gehülfen für die Gesetzgebung und zweckdienliche Reichsverwaltung aussuchen. Das war jedenfalls eine Schar kräftiger, immerhin aber verschieden auftretender Männer, sogenannte Fürständer oder Fürsten, Grafen und Centgrafen für die einzelnen Provinzen, Gaue und Marken. Die bis zu seiner Zeit schon wechsel- und zeitweise thätig gewesenen Provinzial-Landpfleger stellte Karl d. G. nun als Sendgrafen (missi regii) für ständig an. Viermal im Jahre (gewöhnlich im Januar, April, Juli und Oktober) mußte der Missus seine ,,missiatische“, d. h. zur Pflege ihm überwiesene Provinz durchziehen. Dieser hatte auch ganz besonders die Verwaltung der königlichen Güter, insoweit sie nicht dem Pfalz- und Burggrafen unterstellt waren, wie der Forsten und Bergwerke nachzusehen, mußte sich aber auch vom Schutz für Arme und Verwaiste überzeugen, wie nicht minder die bei ihm angebrachten Beschwerden gegen das ,,Rechtsurtel“, d. h. gegen den Bescheid eines Mark- oder Gaugegerichts gewissenhaft prüfen.

Wenn der Missus wiederkehrte
Zu des Reichsbeherrschers Throne,
Dieser nun Bescheid begehrte:
Ob Recht und Schutz im Land noch wohne,
Ob man noch in Cent und Gaue
Die alte gute Ordnung schaue.

Nicht, ob Weisheit, schlaue Rede
Und viel Kunst sei Volkes Sache,
Aber, ob wohl Fehd um Fehde
Land und Grenze locker mache;
Und wenn not, ob auch die Mannen
Auf Verlaß zum Heer sich bannen!

Die Annalen oder geschichtlichen Jahrbücher berichten von einem Missus in Frankonien namens Unroch, Huaroch (Heinrich), der 785 schon als Graf von Tullifeld auftritt und von den Chronikschreibern als Stammvater der Henneberger Popponen im Grab-·und Tullifeld angesehen worden ist. Nach Eccard’s Angabe wird er für einen Nachkommen der Friaul’schen Herzogsfamilie gehalten. Zu derselben Zeit lebte im Grabfeld ein hoch angesehener Graf Matto I., auch Manto, Macco genannt, der 788 starb und drei Söhne: Matto, Othelm, Megingoz, und eine Tochter Juliane hinterließ, welche Aebtissin des Klosters Einfirst an der fränkischen Saale wurde. Die vorgenannten drei Brüder waren außer im Grabfeld auch im Saalgau und in angrenzenden andern Gauen reich begütert. Manto II. soll, wie Genßler annimmt, im Ostgrabfeld sehr einflußreich gewesen sein; er habe die gewichtige Stellung besonders seiner Ehe mit Kaiser Karls Tochter Theodorade (Tydrade) zu verdanken gehabt, von der ihm auch ein Sohn, Asis, geboren wurde. – Gegenbaur dagegen meldet, Theodrade (Theotrat) habe früh der Welt entsagt und sei Aebtissin wie dann auch Besitzerin des Klosters Schwarzach im ,,Volkfeld“ (Folcfeld) geworden. Doch bemerkt Gegenbaur dabei, daß im Jahre 837 eine Reihe von Gütern an Kloster Fulda übergegangen seien, welche ein um diese Zeit verstorbener Graf Asis, comes, seiner Mutter Theotrat zu lebenslänglicher Nutznießuug vermacht oder überlassen habe. Nach Manto’s II. Tod und nach dem Ableben des Asis übernahm von 837 an ein Poppo (II.), der bisher als Tullifelder Gau-Graf waltete und dessen Vater Poppo (I.) als Graf von Henneberg schon seit 809 auftrat, – auch die Gaugrafenwürde im Ostgrabfeld. Tullifelder Gaugraf war er wohl nur erst geworden, nachdem ein Grabfelder Graf Adelberto, dem auch das Tullifeld zustand, unter der Regierung des Kaiserkönigs Ludwig des Frommen (814—840) enthauptet worden war.

Bevor wir die Popponen-Genealogie weiter anzugeben versuchen, möge eine kleine Stammtafel (im Allgemeinen nach Brückner und Genßler) einige Beachtung finden.


aus
C. E. Bach
„Im Tullifeld“
Eine historisch-landschaftliche Umschau in engerer Heimat
– der Vorderrhön –


Bücher und DVD über Geschichte, Landschaft und Kultur der Rhön und Thüringens
– nach Themen sortiert –


 

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