Landplagen am und im Tulligau

Unter dieser Bezeichnung wollen wir von solchen Nöten und Gefahren des Volks unserer Heimat reden, die zu verhindern ,,weltlicher und kirchlicher“ Regierung die Macht gebrach; da mußte, wen das Leiden traf, die Kniee beugen.“ – Auf Seite 59 deuteten wir bereits darauf hin: z. B. der Grimm des Winters, (in Buchonien von jeher, zumal auf der hohen langen Rhön meist kernfest und auf die Dauer“). Spieß schreibt: „Das Klima ist im Allgemeinen rauh und wild; im Winter heftige Kälte, im Sommer durch das Zurückstrahlen der Sonnenstrahlen manchmal in den tieferen, engeren Rhönthälern eine drückende Hitze. Der Schnee erreicht oft eine Höhe von 30 – 40 Fuß und schmilzt erst im Mai ganz weg.“ – Binder berichtet (in s. ,,Lichtenberg“)  – ,,daß 1572 ein grausam kalter Winter gewest, deßgleichen bey mannsgedenken nicht geschehen, mit großen langwierigen schneh und unseglicher keltt’, in welcher sehr viel leudt hin und wider erfroren funden.“ – Wasserüberschwemmungen – sind in Heft II. S. 41, III. S. 19 u. IV. S. 8 geschildert. – Allgemeine Mißernten durch Ungunst der Jahreszeiten, durch Heuschrecken etc. etc. in verschiedenen Fluren und Zeiträumen konnten selbstverständlich das dürftige Tullifeld in manche Hungersnot bringen. 1749 d. 15. Sept. erließ der fürstl. Amtmann Erdmann aus Ostheim eine Verordnung, ,,daß von Unterfranken her Heuschreckenschwärme droheten. – Die Tierchen seien fingerslang, braunbunnt, grünlich an Köpfen; in Ochsenfurt, hätten sie 2 Acker lang schuhhoch übereinander gelegen . . . Es ergehe schleunige Nachricht davon an Bürger und Nachbarn zur genauen Beobachtung und ernstliche Vermahnung zur Tödung des Ungeziefers, sobald man es gewahre. (Eine ausführliche Angabe der Vertilgungsweise folgte; doch schweigt die Chronik, ob u. wie arg das Tullifeld damals betroffen wurde.) – 1753, d. 15. Okt. wurden von dem genannten Amtmann die Schultheißen und Zwölfer in Kaltensundheim und Helmershausen befehliget, »daß zur Erhaltung armer Leuthe die Beyschaffung  von Früchten höchst nötig und dieses der einzige Weg zur Verbannung der Theuerung sey, an jedem Ort eine oder zwo Fuhren Korn von Seligenthal oder Erfurt ungesäumt gehohlet würden.“ – Die uns bekannt gewordenen ,,Annalisten“ oder Chronikschreiber für Rhön- und Werragegend bezeichnen die Zeit von 779 – 1026 mit Hunger und Pest.

a., Die vorhin erwähnte Chronik von Fulda giebt an:

,,Während der Regierung des S. Abtes (Hatto I.) sei 842-50 eine solche Hungersnot in Fulda gewesen, daß sich die Eltern kaum enthalten konnten, ihre Kinder zu, verzehren«

b., Sprengseysen’s Magazin meidet:

1226 waren alle Nahrungsmittel sehr billig: z. B. 1 Mß Weizen kostete 14 Pfg., 1 Mß Korn 8 Pfg., 1 Mtz Gerste 5 Pfg., 15 Stück Eiern bekam man für 1 Pfg., eine Henne für 2 Pfg., 8 Heringe für 1 Pfg.« – (demnach war die Ernte gut ausgefallen, das Geld hatte damals sehr hohen Wert), –

– aber: –

,,1315 ward große Theuerung: ,,1 Mlt. Korn 11 alte Gulden“. – 1340 wollte Hermann von Schlitz, Fuldaischer Marschall, die Stadt Meiningen am Palmsonntag erobern, weil er an Würzburg Forderung habe; die Bürger aber wehrten sich u. – Schlitz mußte abziehen. Im Sept. des Jahres brannte die halbe Stadt nieder; ja 1175 schon den 12. Juni brannte der größte Teil der Unterstadt (durch Blitzschlag) ab, und den 3. Juli legte dasselbe Element den Kirchturm, Pfarrerei und mehrere andere Häuser in Asche« – vergl. 1198 u. 1349!).

Die Pest,

in den zeitgenössischen Chroniken „das große Sterben“, auch der ,,schwarze Tod“ genannt, ist jene furchtbare Seuche, die als Volkskrankheit um’s Jahr 1348 in Europa auftrat und zahllose Opfer hinwegraffte. ,,Sie bestand in hitzigem Fieber, begleitet von Blutauswurf; bald erschienen Brandbeulen (,,Bubonen“), schwarze Flecken auf der Haut, die Lymphdrüsen waren angeschwollen; in den Achseln und Weichteilen brachen die Bubonen (bis zur Größe eines Taubenei)[1] hervor und meist in drei Tagen schon war der von der schrecklichen Krankheit Befallene eine Leiche. – Zuerst wird ihr Auftreten an der Südküste Europas gemeldet . . . Im wesentlichen waren es die großen Handels- und Verkehrsstraßen, die zugleich Heerstraße des schwarzen Todes wurden; in Breslau zeigte sich die Pest erst 1372. Eine energisch durchgeführte Quarantaine[2] gewährte Schutz, wie für Ostfranken die Grenze vom Odenwald, Spessart, Rhön, Thüringerwald und für Böhmen die umgebenden Gebirge. – Erdbeben u. dergl. Naturerschütterungen, bei denen ,,irdische Dünste“ gewaltsamen Ausweg fanden, sollen die Luft allgemein verpestet haben etc. etc. Ein für die Rhöngegend aber auch eingetroffenes Pestjahr war doch schon 1340, wo an 5000 Menschen im Hzgt. Weimar starben, (nach Binder’s Sondh.). – 1350 brach die verheerende Pest in Fulda aus, wo (nach der 1839 in Vacha gedruckten Chronik) ,,3000 Menschen in der Stadt von der Seuche verschlungen wurden.“ Sprengseysen meldet: ,,1315 schon hat die Pest 2000 Menschen weggeraffte“ – und ,,1350-56; 57 u 58 wüthete sie in Meiningen so, daß über 1500 Msch. daran starben. 1462 starben (wohl nicht an Pest) 1800 Msch. in der Stadt! n. Binders ,,Sondh.“ kam 1635 die Pest wieder, wo im Dorfe viele Msch. daran starben.

In dieser Zeit hat sich als lutherischer Geistlicher der Pfarrer Johann ,,Herbert“ (Herbart), der 1633 mit einem lutherischen Schullehrer zuerst in Nordh. eingeführt war, – und dann nach Sondh. versetzt wurde, als echter Seelsorger und Tröster erwiesen. In 11½ Monaten, während er nur 8 Kinder taufen konnte, hat er allein in Sondheim 190 Tode beerdigt. Er war zugleich Vikar von Oberwaldbehrungen, Stetten und Urspringen; in letzterem Orte war der Pfarrer Cyranus ebenfalls von der Pest übereilt worden. Auch in Stetten, wo er im Sept. 1635 fest angestellt worden war, starben gegen 200 Personen in diesem Jahre. Nur erst 28 Jahre alt, war er gleichsam der evangel. Seelsorger des Baringaues.“ – Weniger grausig scheint die Pestperiode in dem Mittel Tullifelds gewesen zu sein, wo z. B. das Fischbacher Kirchenbuch angiebt: ,,1625 v. 23 Oktober bis Ende des Jahres niemand gestorben; 1641 u. 1657 nemo mortuus“; in Diedorf starb 1642 Niemand, 1649 = 0; (im Filial Empfertshs. aber 1635 = 86 Personen, und in dems. Jahr in Klings 154 Pers, – wohin aber Leute aus Neidhtshs. u. Fischb. sich wegen Kriegsbedrängnis geflüchtet hatten.) Das Kaltennordheimer, erst 1636 neu angelegte Pfarr‘-Amtsbuch meldet von 1644 nur 1 Person gestorben.

Die Pfarrei-Chronik von ,,Nidhardshusen“ enthält aber die Notiz: ,,1575 starben viele Leute an der Pest in hiesiger Gegend; z. B. in Klings ist Wiegand Heinz Tochter Els gestorben; hat sie der Mann aIlein auf einer Leiter zum Grabe geschleppt, ist kein mensch weder jung noch alt zum grab gangen denn der pfahr und schulmeister.“ – Die von Kuno Walther, Superint. in Dermbach 1876 angelegte Chronik bemerkt auch: ,,1640—45 war furchtbare Hungersnoth und wieder mit ihr die Begleiterin Pest. . . . Schließen wir dieses Trauerkapitel mit einigen Beurteilungen aus Dr. Götzinger’s Reallexikon: „Daß diese Seuche in den raschaufblühenden mittelalterlichen Städten, wo große Menschenmassen eingepfercht gewesen sein müssen, sich üppig entwickelte und arge Verheerungen anrichtete, ist natürlich . . . Abscheuliche Mißbräuche in Handhabung des Leichenwesens: die Toten wurden begraben in Kirchen, oder doch innerhalb der Stadtmauern, Schmutz und Elend waren neben Unsittlichkeiten die mächtigsten Bundesgenossen der Pestilenz! – Nach gleichzeitigen Berichten ist kein Zweifel zu hegen, daß beispielloses Entsetzen die Gemüter ergriff und Leidenschaften entfesselte, die sich roh und gewaltsam äußerten: unverkennbar steigerten sich Ueppigkeit, Luxus und Verschwendung, zügellose Begierden nach Genuß bei denen, die da meinten, die ihnen vergönnten nur noch wenigen Lebensstunden auch auszunutzen!! Charakteristisch sind daher die seit 1356 in Dtschl. häufigen Regierungsverordnungen gegen Kleiderluxus, Tanz u. Schwelgerei u. a. m.

,,Noch zu erwähnen wäre, daß sich auch die damalige Kirche die allgemeine Todesangst zu Nutze zu machen wußte, wovon eine Unzahl von Testamenten und Immunitäten (Befreiung von herkömmlichen Abgaben) beredtes Zeugnis ablegen“ . . . (n. Götzinger.)


aus
C. E. Bach
„Im Tullifeld“
Eine historisch-landschaftliche Umschau in engerer Heimat
– der Vorderrhön –



[1] „Karbunkeln d. i. Karfunkeln an den Beinen“

[2] 1857 gelegentl. m. Reise nach Belgrad sah ich in Semlin noch Ueberbleibsel der Vorsichtsmaßregeln zu der 40tägigen Absonderung eingehender Schiffs-Waaren, Passagieren u. selbst Pakete und Briefe; besonders interessierte mich dortige Sankt »Rochuskirche« (mit Hospital) bezgl. der isoliert gehaltenen Kirchstände.


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– nach Themen sortiert –


 

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