Die Zeit der Hexenprozesse, wie auch Juden-Verfolgungen

Vor das Forum (zum Richterstuhle) der Centen gehörte auch ein sehr beklagenswertes Unwesen, das vom Ende des 15. Jahrhunderts an 2 Jahrhunderte hindurch unser Deutschland, besonders einzelne Gaue desselben, wie z. B. auch das ,,Tullifeld“ umflorte, in lange Nacht des Un- und Aberglaubens zu hüllen drohte und aller Menschlichkeit Hohn sprach. Es war der

I. Unsinn der Hexenprozesse.

,,Das Wort Hexe« alth.deutsch hagazussa, verkürzt häzissa, mittelhochdeutsch hecse, hexse (nach Dr. Götzingers Lexikon) bedeutete: die den Hag = Hain, das Gehäge, Zaun schädigende Person (n. Grimm’s Wörterbuch) oder die waldbewohnende Zauberin, Wahrsagerin, ,,Alrune“ – vergl. I. S. 40. im Tullif. -, oder die ,,weise Frau“, schlaue Betrügerin (n. Oertel’s grammatisch. Wörterbuch.) – Die vermeintliche ,,Hexe“ wurde beschuldigt, durch übernatürliche Mittel Menschen und Tiere, Saaten, Weingärten beschädigt, Krankheiten und Plagen erzeugt, ja den Tod ihrer Feinde oder Spötter verursacht zu haben – und zwar durch ein Bündnis, mit Hilfe des Teufels« (n. Dr. Wächter, in Spemanns Collektion, Stuttgart, 1882).“[1] Den ,,Teufel oder Satan“ faßten aber die an Hexerei« glaubenden, und deshalb darüber in unchristlichem Sinne auftretenden Ankläger und Richter ganz anders auf als wie uns das neue Testament zu verstehen giebt’![2]. Denen, die jetzt noch Hexen suchten und marterten, hätte wohl Jesus zugerufen: „der Teufel (Versucher) ist inwendig in euch!“ –

Es fehlt nicht an alten und neuen Schriften, nicht an historischen Mitteilungen über diese grauenvolle Verirrung des damaligen Zeitgeistes, doch wollen wir auch hier unsere Ansichten und Angaben dazu aussprechen, schon um Befangenen jedem Wahn und Hang zu Hexenglauben entgegen zu treten.[3]

!Hexen gab – und giebt es nicht! !

Blödsinn, Wahnwitz, Mißgunst, Rache -,
Fanatismus in Glaubenssache,
Drehten listig ihre Schlingen,
Um ,,Hexen“ an’s Gericht zu bringen!

Und jener Zeiten Rechtsgelehrte
War’n leider halbwegs meist Verkehrte.
Symbol der Justiz: ,,Schwert und Wage
Und aufgelegte Augenbinde“
Verbürgten noch nicht, daß die Klage
Nach wahrer Tatsach’ Urteil finde!

Um sich dabei nicht zu verstricken,
Ließ auch die Cent des Gauverbands
,,Hochstuhlbescheid« als letzt’ Instanz
Aus Jena, Würzburg, Leipzig schicken;

Und so etwa für die Verdammte
Der Land’s- und Reichsherr Mitleid fühlte,
Half’s nicht: der Scheiterhaufen flammte
Bis der Volkshaufe sich abkühlte!!

II. Entstehung dieses Aberglaubens

Bei welchem Volke oder in welchem Lande zuerst der Glaube an Zauberei und Hexerei, oder an die Möglichkeit eines Bündnisses mit ,,Teufel und bösen Geistern« entstanden sei, das ist nicht festzustelIen.[4]

Schon die ersten christlichen Kaiser des römischen Reichs bedrohten durch Gesetz die Zauberei mit Todesstrafe; und die ältesten deutschen Gesetzbücher: ,,Sachsenspiegel u. Schwabenspiegel« – setzten den Feuertod darauf fest; auch die ,,Peinliche Gerichtsordnung“ Kaiser Karl’s V. (,,die Carolina“) – Die Kirchenregierung ganz besonders noch erblickte einen Abfall vom christlichen Glauben darin, wenn Jemand im Verdacht stand, von ,,satanischen Mächten sich abhängig gemacht zu haben! da stellte man Zauberei mit ,,Ketzerei“ (Abweichung vom herrschenden Kirchenglauben) zusammen. – In Deutschland wurde die Inquisiti0n (peinliche Untersuchung im Ketzergericht) gegen Ende des 15. Jahrhd. durch Papst Innocenz VIII. eingeführt. Der sogenannte ,,Hexenhammer«[5] (1489 zuerst in Köln gedruckt) ist das Buch, nach dessen Lehrsätzen einige Hunderttausend Menschen gequält, durch, ,,Tortur und Folter“ gemartert wurden, um ihnen ein Geständnis abzuzwingen. Die dabei meist nur erpreßte Anzeige von Mitschuldigen war die gefährlichste Aussage, indem dann aus einem Hexen-Prozeß leicht Hunderte von Verfolgungen entstanden. (Wächter).

Man sollte meinen, derartige bestialische Mißhandlung der Menschen, (wie kein wildes Tier, keine ,,Bestie“ tut), hätte in keiner gerichtlichen Verhandlung vorkommen können, am wenigsten in der kultivierten Welt, wozu doch die christlichen Staaten zuerst gezählt werden; nach Karls des Großen Zeit und mehr noch nach dem Mittelalter (n. Luther) sind Hexenprozesse schreckliche Schatten im Geschichtsbilde! Der lichterlohe Scheiterhaufen von Costnitz 1415 war doch erloschen, die wilden Brandfackeln des 30jährigen Krieges waren doch verglommen, die Religionslehre und die Naturwissenschaften hatten doch bereits geläutertere Ansichten und Grundsätze bei Fürst und Volk gesunden! – und dennoch beeiferten sich bis zu Ende des 17. Jahrhunderts Justiz und Verwaltung, das Volk mit Gespenstern zu verwirren!! – –

War die der Hexerei beschuldigte Person bei der Verhaftung erschreckt, so galt das als Zeichen ihrer Schuld; zeigte sie sich getrost und gefaßt, so galt es als unbegreiflicher Mut, den ihr der ,,Teufel und Hexenmeister“ geliehen habe; versuchte sie die Flucht, so war das Hauptverdachtsgrund ihres vermeintlichen gottlosen Wesens. – Der Hexen-Wahn schonte kein Alter, kein Geschlecht, keinen Stand, spottete allem Schwören, Flehen, Wimmern und Schmerzgestöhn! – die Fangarme der Hexen- und Ketzer-Riecher und Richter umspannten das Kind in der Wiege wie den Greis am Grabe. Diener und Henkerschaft schlichen scheinheilig umher; Freundschaft wie Feindschaft mit dem Angeklagten konnten ganz gleich ihm wie Jenen verderblich werden. Bloße Gerüchte, eine leichtsinnige, wenn auch nicht boshafte Aeußerung gab genügenden Anlaß zur Vorführung ans Gericht!!!

III. Berichte über Hexenprozesse.

Verschiedene kurze Citate aus alten Urkunden über das in deutschen Gauen stattgehabte Unwesen, welches neben viel’ Anderm die Volksleiden steigerte.

a., (nach H. Fuchs, Gymnasiallehrer in Schleusingen, Oster-Programm 1889)[6]

,,In Deutschland wurden die meisten Hexen und Hexenmeister im 16. und 17. Jahrhundert verbrannt z. B. in Quedlinburg (nach Soldan – Heppe’s Geschichte) 1589 an einem Tage 133; in der Grafschaft Henneberg, wozu das Tullifeld gehörte, kamen von 1597 bis 1676 = 197 Hexenverbrennnngen vor.

Unter Actum Schleusingen, 4. Febr. 1663 berichtet F. ausführlich den Prozeß gegen Anna Matthes Bo…s Eheweib, wie 1662 contra. Anna Stu . . . von Schmiedtfeld: Schultheiß Hans K . . ., Kirchen-Eltester Bernhard K . . ., Anna, Hans des Dürren Pf . . . Eheweib, Magdal. N. von Nordheimb u. vier a. treten als Ankläger gegen die Inquisitin auf; in 49 Articuli inquisitionales wird die Beklagte durch Amtm. Salz . . . . ., durch 1 Amtsschreiber, 2 Gerichtsschöppen und 1 Stadtschreiber verhört; die B. beantwortet lt. Protok. fast alles mit negat (Verneinung) und fügt mehrmals hinzu: und wenn man sie martere, daß die Sonne durch sie schiene und man Riemen aus ihrer Haut schnitte, könne sie doch nicht dieses Falles bekennen.“ Zum 2. Male werden die Akten nach Naumburg« und Jena an den Haupt-Schöppenstuhl eingesandt. — Nun wird Inquisitin mittelst Tortut in Schlsg. ,,examiniert.“

b., Koburg-Meiningischer Obristlieutenant von Sprengseysen (1790) meldet:

,,Im Jahre 1610 d. 6. August wurde in Meiningen die erste Hexe verbrandt, den 29. Dzbr. schon wiederum 2! – 1611 wurden zwölf Weiber weg. Hexerei verbranndt; 1614 eine alte Frau geköpft und verbrandt. Aus besonderem Mitleid wurden von 1628 ab die Verurteilten erst geköpft und dann verbrandt! – Wir würden es müde, aller dieser Unglücklichen zu gedenken. In 92 Jahren sind da 80 Personen w. H. verbrandt worden“

c., Dr. O. Wächter, in s. Buche ,,Vehmgerichte und Hexenprozesse«, Stuttgart, Verl. v. Spemann, 1882. – S. 180:

,,Im Braunschweigischen war die Menge der Brandpfähle auf der Richtstätte vor dem Löchelnholze so groß, daß sie von Zeitgenossen mit einem Kiefernwalde verglichen wurde . . . . Der Magistrat von Neisse hatte einen eigenen Ofen zum Hexenverbrennen herrichten lassen. In der Wetterau wurden die Verhafteten in die Höhlen des Hexenturmes zu Lindheim gebracht. In Ellingen (in Franken) wurden 1590 in 8 Monaten 65 Pers. w. H. hingerichtet (S. 182). Im Trierschen blieben unter dem Bischof Johann bei einem großen Hexenprozeß im Jahre 1585 in zwei Ortschaften nur 2 Personen am Leben . . . . Im Bistum Würzburg (unter dem auch der größte Teil des ,,Tullifeld“ stand, wurden von 1622-29 mehr als 200 Personen) nach einer damals erschienenen Schrift über 900 sogar) wegen Hexerei und Zauberei hingerichtet!! auch Geistliche, Ratsherren und Söhne des fränkischenAdels, Matronen, Jungfrauen, unmündige Kinder; ja, irgend eine ausgezeichnete Eigenschaft war für den Beschuldigten zur Anklage, führte zum Scheiterhaufen“, (und wohl hptsl. die Mißgunst, der Neid) ,,14 Dom-Vikare, ein geistl. Doktor, 3 Chorherren, ein blindes Mägdlein von 9 Jahren u. a. m.“ (S. 190 .). Im Kurfürstentum Mainz begann mit Anfang des 17. Jahrh. eine weitumfassende Hexenverfolgung. In Hessen ist 1672 Kath. L . . . ., eines Schulmeisters Ehefr. von Betziebdorf, mit allen Torturen gequält worden; ihre „O wehe, o wehe! Hilf Himmel, o Jesu komm mir zu Hilfe“ wurden nicht beachtet; kein Glied des Körpers blieb verschont. Doch die Standhaftigkeit dieser frommen Frau ertrug alle Grade der Folter, und – kein Geständnis von Schuld war ihr zu erpressen! Ihre Seelenstärke war größer als die Bos- und Rohheit ihrer Peiniger -! Endlich wurde die unglückliche . . . . des Landes verwiesen!« (4 Seiten lange Schilderung nach d. Protok. im Archiv Marburg) ,,Ein Hexen-Richter in Fulda“ (so eng an Tullifeld) Balzer Voss rühmte sich, er habe allein über 700 beiderlei Geschlechts verbrennen lassen und hoffe, es über 1000 hinauszubringen; ( – das Stadtgericht war die sogenannte ,,Müntz“; n. Wächter) – O Zeit der blutigen Taten des Unsinns!!

Bedenkt man nun, daß in früherer Zeit Meiningen, Würzburg und Fulda auf das Volksleben einen maßgebenden Einfluß übten, so ist nicht groß zu verwundern, wenn leider auch unser von diesen Justiz-, Kirchen- und Verwaltunsgssprengeln eng an und eingeschlossenen Tullifeld dem Wahne der Hexenprozesse verfiel! Davon berichten uns mehr oder weniger folgende Chronisten:

d, Binder (in s. ,,Lichtenberg“ I., 1893:

„Für“ Bosheit war die Hexen-Angeberei ein bequemes Mittel, sich unbequemer Leute zu entledigen; unter 1000 ,,Hexen“ gab es aber damaliger Angabe nach nur einen der Hexerei schuldigen Mann; geriet eine Unglückliche unter die Hände der Folterknechte, so war sie verloren.“ Dazu fügt B. in einer Fußnote: „Aus Helmershausen (ehemals auch eine Cent), wurden von 1611-21 vierzehn Hexen hingerichtet, deren Namen auch genannt sind.“ – Bei Angabe einiger Fälle aus Gericht Ostheim vom Jahre 1635 äußert sich B. „sie zeigen, wie unter den Schrecken der Kroaten-Einfälle, der Hungersnot und Pest der Hexenglaube sein Recht behauptete. In B’s ,,Sondheim vor der Rhön“ ist bemerkt, daß im März 1663 Frau Martha D… aus Ostheim in Kaltensundheim als Hexe enthauptet wurde. Im Juni desselben Jahres ist die Frau des Gerbers K. im Septb. die ,,schwarze Cathrine“, im März 1664 Susanne O… im Gestrüpp unterhalb der Lichtenburg – verbrannt worden. – Im Amte Kaltennordheim starb 1652 d. 28. Jan. in Oberweid der Pfarrer Kr… angeblich von einer Hexe zu Tode gemartert; laut Kirchenb.; 1657 starb in Westheim Hans Br., der 16 Jahre lang mit den Kroaten geritten, und den seine Mutter zu Tode ,,gezaubert“ haben soll. 1660 wurde die Kltnordhr Hebamme verbrannt, sie habe ihre Schwiegermutter[7] behext, daß sie 12 Jahre verrückt worden . . . Am 27. Sept. 1660 ist Osanne K., Schmieds Weib, und 1663 Martha Sch…, Weib des Anton S. aus KNordheim. verbrannt worden; ferner Ursula, des Heinz T. Weib a. Westheim, (8 Wochen später darauf hielt der „brave“ Heinz wieder Hochzeit). – 1682 wurde in Oberweid Jakob G…’s Kind begraben; es war getauft, aber das Gerücht ging: „Die Hexen hätten’s wieder aus dem Grabe genommen; auf gerichtliche Anordnung wurde das Grab geöffnet -, und alles war noch in Ordnung. – Am 7. März 1682 wurde nach gehöriger Tortur Margth. L…, Osanne G… und Anna Sch… aus Oberweid in Kaltennordheim verbrannt“ – (n. Bdr.)

e., Das Kirchenbuch von Fischbach (Amts „Fischberg“ a. d. Felda):

„Anno 1683 d. 13. Apr. wurde Martha K…., welche aus Stift Brehmen gebürtig, wegen beschuldigter Hexerei, mit dem Feuer vom Leben zum Tode zu Dermbach hingerichtet, da ich sie (nebst Pfr. V. v. Neidhartshausen) trösten und zum seligen Abschied zubereiten mußte; sie betete fleißig. Gott sei Ihr gnädig!“ – ,,In diesem Jahre wurde auch Ottilie, L. Sch…’s Weib aus Klings mit ihrer Tochter Anna gefänglich in Haft genommen wegen Hexerei. O. starb nach ausgestandener Tortur im Gefängniß und wurde bald darauf ihr entseelter Körper verbrannd; die Tochter aber, weil sie in der Folter offt mit der ,,Cacohexia“ angefocht und nichts sonderliches mit ihr anzufangen war, wurde ewig des Lands verwiesen, Kam aber bald darauf wieder nach Klings. Da wurde sie von Centgrafen-Landknecht und Ausschüffern wieder gelangt; unterwegs reißt sie aus und springt in die Fell’, Felda,) sich darin zu ersäufen; die Convey (das Geleit) aber wird ihrer mächtig, liefert sie dem fürstlichen Amt zu, darauf sie wieder gar baldt des Landes verwiesen wurde, 1684; 1685 starb sie im Gefängniß“ . . . (In der Pfarr-Registrande von Fischbach kommt vor: ,,1630 d. 15. Jan. ist Befehl ankommen, daß die Gevattern bei der Taufe das Ja in der frage klar und deutlich aussprechen sollen, wegen des verdachtes des bündniß mit dem Teuffel.“ –

f., Walter, Superint. in Dermbach (1876) führt in s. Pfarr-Chronik aus

,,Jakob Peters E… Eheweib, vulgo Butterlies aus Unteralba wurde im Juli 1657 von 9 Zeugen der Hexerei beschuldigt; H. G. in U. ihr eigener Bruder ist einer derselben; – Schultheiß Georg K. zeihet sie, „daß sie ihm einen Ochsen gesterbet hätte! Sie wäre nun alt genug, er wolle sie selbst verbrennen lassen!“ – und das war ihr Schwager . . . Ambt Kaltennordheim berichtet in dieser Angelegenheit an die Churfürstl. Hennebergische Regierung in Meiningen etc. etc. 1660 giebt der Schöppenstuhl zu ,,Jehna« das Urtel. Die Tortur preßt der Angeklagten das Geständnis aus, daß die 15 Anklagen wahr seien etc. etc. – 1687 wird ein ähnlicher Prozeß gegen Barbara, Georg H…s Eheweib in Oberalba angestrengt, obschon ihr Beichtvater Feuchter ihr ein gutes Zeugniß giebt; 19 Zeugen werden vernommen! Sie beschuldigen -, und tagelang wird die alte Frau schrecklich gemartert. Herzog Johann Georg zu Sachsen-Eisenach entscheidet endlich, die Inquisitin nach abgelegter Urfehde zu entlassen, 14. März 1688. – Die Kosten betragen 85 Gld. und 14 Thaler.“ – 1676 ist Anna Elise St… in Dermbach enthauptet u. verbrannt worden. 1679 ist Kunigunde Ge…, Witwe, 76 Jahre alt, von Oberalba während des Prozesses gestorben; 1681, d. 21. Apr. wurden Barbara K … aus Der1nbach, u. den 27. Mai Kunigunde S… von Neidhartsh. beide enthauptet und dann verbrannt.“

 IV. Zusätze und Schlußwort.

Fassen wir aus Abschn. III. (d., Binder’s Ausspruch etwas näher ins Auge, so können wir leider selbigem auch nach den uns geschichtlich bekannt gewordenen Hexenprozessen nur beistimmen! Worin hatte aber das große Mißverhältniß seine möglichen Gründe? Wohl weil der ,,Mann“, s. Natur nach, jeder Verdächtigung energischer in Wort, Drohung und Tat sich Abwehr schaffen kann, der Gefahr der Haft leichter ausweichen konnte. Die Justitia der damaligen Zeit suchte nicht nach Entlastungszeugen u. hielt das Weib überhaupt für unmündig![8] In gebildeten Staaten der Neuzeit dürfen gerichtlich Frauen ihre Stimm- u. Menschenrechte sich wahren! Eines Falles, in dem auch ein Mann, trotz aller Tüchtigkeit und voller Unschuld ,,als dem Teufel verbunden“ angeklagt und gräßlichst hingerichtet wurde, gibt Dr. Wächter· an: Es war der Bürgerhauptmann Brabant in Braunschweig, im 17. Jahrhundert. Er hatte die Rechte der Bürgerschaft gegen Uebergriffe der stolzen Aristokratie (Adelsherrschaft) sehr verteidigt. Seine Gegner suchten diese lästige Stimme zum Schweigen zu bringen; dies gelang nur durch Einleitung eines peinlichen Prozesses. In jammervollsten Zustand durch die Folter geraten, – riß man ihm zuletzt – das Herz aus dem Leibe!

 Schluß.

Die Weimarische Zeitung, 1899 Nr. 20 notierte: „Am 21. Januar 1899 sind es erst 150 Jahre, daß im deutschen Reiche der letzte Hexenprozeß stattfand. Würzburg hatte das Schauspiel in seinen Mauern: Das Opfer war eine 70jährige Nonne Maria Benata, die sich stets durch ein frommes Leben ausgezeich net hatte. Aber als sie sich bei der Verhaftung auf die Heiligkeit ihres Wandels berief, da gereichte ihr dies erst recht zum Verderben! Das Autodafés geschah.

In der langen Periode des Centgerichtswesens hätte wohl durch die öffentlichen Verhandlungen das Bewußtsein des Volks mehr veredelt und gehoben, als – wie geschehen – nur gereizt werden sollen. Die Hexen- und Ketzergerichte bewirkten meist eine ungerechte Wut gegen Religionsgenossen, wodurch auch

Judenverfolgungen[9]

entstanden. Das Tullifeld hat sich wohl kaum der Mitschuld daran erwehren können, indem z. B. die beiden Städte Meiningen und Fulda – in deren Verkehr es gezwungen war -, das »arme« Israel in solches Elend trieben!!

 a., Sprengseysen berichtet:

1198 wurden in Meiningen, wie in ganz Franken alle Juden erschlagen; und 1349 machte eine Magd, als die Meininger Bürger in einer Fastenpredigt waren, Lärmen und gab vor, daß sie eine Verschwörung entdeckt habe, nach welcher die Juden versammelt wären, um die Christen in der Kirche zu überfallen . . . Man eilte aus der Kirche, überfiel sie in ihrer Schule, schlug viele tot und nahm alle übrigen gefangen. – Diese armen Gefangenen wurden vom Bischof Albert in Würzburg dahin verurteilt, ,,verbrannd“ zu werden, welches Urteil auch den 17. Juli auf dem ,,untern Rasen“ ohne alle Gnade an ihnen vollzogen wurde, so, daß auch kein Weib und keine Kinder verschont blieben! . . .

Aus ,,Ahasver“.

,,Bin auch ein Mensch, den ihr umsteht,
Doch ,,Jude“ und d’rum so geschmäh’t!! –
Ich bin’s, den Gram so hat gebleicht,
Ich bin’s, den Jammer so tief gebeugt;
Mein Herz allein erhielt sich jung –
Trotz aller Verfolgung und Wanderung!
Ich ward’ geknechtet zum größten Schweiß,
Gehetzt durch Wüsten so glühend heiß. –
Wem ist Zion, da ich einst saß,
Wo man das Recht nach ,,Mose“ maß?
Treibt nun mit mir ,,Jehovah“ Spaß, -?
Hegt seine Brust auch Blutbegier,
Die Er recht sättigen will an mir
Bis einst vom Wandern matt und müd
Zerrieben ist mir jedes Glied? -!
Soll denn mein Volk durch eure Wut
Aussterben in der Flammen Glut? -!
Oh Volk, auf einen Heiland seh’n,
Zu einer Heerde mußt du steh’n.“ . .

 (n. L. Wihl, 1839, Leipzig)

b., Eine schon früher citirte Chronik über Fulda (aus Vacha 1839) giebt an:

1591, da Fürstabt von Fulda, Balthasar von Dermbach, (Jesuitenfreund) mit dem Beinamen Grauel, an 26 Jahre von seinem heil. Amt entfernt war, wurden die Juden in Fulda von den nach Frankreich marschierenden Anhaltischen Kriegern geplündert, und darauf die Bürger vom Kaiser (Rudolf II.) um 8000 Gld. gestraft, weil sie diesem Unwesen nicht abgeholfen hatten.“[10]


aus
C. E. Bach
„Im Tullifeld“
Eine historisch-landschaftliche Umschau in engerer Heimat
– der Vorderrhön –


 


[1] Wahrsager od. ,,Seher« standen (I. Sam. 9, 18—20. und 28, 3—8 d. Bibel) nicht in so schlimmen törichten Verdacht.

[2] Matthäi 11, 18; 12, 27; I. Joh. 3, 8-10.

[3] Wir unterlassen deshalb auch absichtlich, die in den Urkunden ausgeschriebenen Familiennamen vollständig anzugeben.

[4] Eine falsche Auffassung bleibt es, wenn man nach der Bibel I. Mosis 3, 1-6 od. nach Jesus Sirach 25, 32; oder auch n. Matth. 12, 27, Lucä 11, 14. Johannis 8, 44 die Antwort zu finden glaubt. Bei allen heidnischen Volksstämmen ist der Götzen- und Götterdienst nur eine Vermengung von Hoffnung und Furcht vor Geistern gewesen und noch . . . .

[5] Die Mittel der Folter waren: Daumenstock, Beinschrauben, (,,spanische Stiefeln«), Zangen, Klammern, Streckleitern, Drehscheibe, Geiselung, – (dabei Besichtigung des ganzen Körpers), Feuer- und Wasserprobe (Ordalien), monate- ja jahrelange Einkerkerung mit Hunger, Durst n. v. a. m. Es schaudert jedes menschl. Gemüt schon, diese teufelischen Instrumente im Museum nur anzusehen!

[6] „Die Kosten des Prozesses beliefen sich auf 46 Meißn. Gulden, a 21 gute Groschen, und die Anverwandten mußten sie bezahlen!

[7] Dazumal ist jedenfalls manche Schwiegermutter auch vor dem Schwiegersohn in Hexenverdacht gekommen.

[8] Vielleicht doch auch großen Teils in der »Tradition« I. Mosis 3, 16 u. in dem Ausspruche des sonst so weisen Jesus Sirach 25, 32 u. 33; es spricht auch Paulus I. Cor. 14, 34 dem Weibe das Stimmrecht ab; außerdem wird das neue Testament meist der Anwalt und Tröster des schwächern, weibl. Geschlechts; vergl. Jesus Christus!

[9] In Binder’s ,,Sondheim v. d. Rh. ist bemerkt, daß das Volk gemeint habe, die im Jahre 1349 ausgebrochene Pest sei durch eine von den Juden verursachte Vergiftung der Brunnen entstanden, und seit jener Zeit wäre in den sächsischen Ländern kein Jude mehr geduldet worden. –

[10] (sub a., also schrecklichste Intoleranz, sub b., kaiserliche Gerechtigkeit)


Bücher und DVD über Geschichte, Landschaft und Kultur der Rhön und Thüringens
– nach Themen sortiert –


 

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