Joh. Seb. Bach: Toccata und Fuge fis-moll BWV 910

bearbeitet für Orgel von Max Reger und von mir mit Samples der Riegerorgel des Großen Saals im Konzerthaus Wien (Vienna Konzerthaus Organ) eingespielt.

Das Präludium der Toccata in fis-Moll beginnt, wie BWV 911, mit einer rhetorischen, monodischen Fanfare. Nach einem kurzen Pedalton erweitert es sich zu einer vierstimmigen Figuration in gebrochenem Stil nach eindeutig französischem Vorbild. Eine kurze Überleitung führt zu einem auf einer fallenden chromatischen Figur basierenden Adagio, ein kompositorisches Mittel, das die Eröffnung mit dem Thema der Schlußfuge verbindet. Darauf folgt ein kontrapunktischer Satz, der mit presto e staccato markiert ist. Dessen Thema, eine einfache absteigende Tonleiter, verbindet sich später mit einem aus fallenden Sechzehntelnoten bestehenden Gegenthema. Sowohl Thema als auch Gegenthema tauchen durch das gesamte Stück in ihrer ursprünglichen als auch umgekehrten Form auf. Der ersten Fuge schließt sich ein Adagio-Satz an, dessen Grundfiguration einundzwanzigmal wiederholt wird; dadurch werden die Konturen einer Reihe ausdrucksvoller Harmonien hervorgehoben. Diese Technik bringt Willi Apel in seiner Geschichte der Tastenmusik vor 1700 mit einem ähnlichen Abschnitt in der einzig erhaltenen Toccata von Johann Adam Reincken in Zusammenhang. Neuzeitliche Experten haben Bachs Verwendung dieses Mittels kritisiert, das allerdings auch das Rahmenwerk für einige seiner großartigsten kompositorischen Meisterwerke bildet: Die Inventionen und Sinfonien sowie verschiedene Präludien aus dem Wohltemperierten Klavier.
Unter den zahlreichen Schätzen, die man in BWV 910 findet, ist die Schlußfuge in mehrerlei Hinsicht der außergewöhnlichste Satz. Beruhend auf der chromatisch fallenden Figur, die im ersten Adagio der vorliegenden Toccata eingeführt und auch im ersten Chor der Kantate Weinen, Klagen, Sorgen, Zagen (BWV 12 von 1714) verwendet wird (die Bach später als crucifixus der Messe in h-Moll, BWV 232 wiederverwendete), gehört der Satz, der nur kurz durch eine Passage im »phantastischen« Stil unterbrochen wird, derselben Welt von Intensität und Leid an wie Bachs großartiger Chor.

zitiert aus dem Booklet
Einführung in das Gesamtwerk von Johann Sebastian Bach
der Internationalen Bachakademie Stuttgart

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