Burg Völkershausen
Südöstlich von Vacha, aus dem Abhange, welcher links am Oechsegrunde den östlichen Fuß des 627 m. hohen Oechsenberg’s mit seinem Flurgewande deckt, zeigt sich in sonniger Höhe das althessische, jetzt weimarische Dorf Völkershausen. In dreiviertel Stunden von Vacha ab gelangt man auf sandigem Fahrwege dorthin und passiert inzwischen das Westgelände des „Riemens“, an dem die Oekonomiehöfe Hedwigsberg und Busengraben und höher, hinter diesen, das Filialdorf Martinroda sichtbar werden.[1] Im Wiesenthälchen der Oechse trifft man nun erst auf den Weiler Luttershof. (Dieses schöne ländliche Anwesen steht zum Namen Luther in gar keiner Beziehung; die dabei gelegene „Sauermühle“ ist in neuerer Zeit eine Spinnfabrik gewesen.[2] In unserer „Umschau“ Heft I. S. 69 und 70 brachten wir bereits geschichtliche Angaben über Völkershausen im Tullifeld. Zunächst sei nun (nach Grau) noch erwähnt: „1214 ist ein Eberhard von Völkershausen Burgmann in Vacha gewesen. – 1525, in der Nacht von Donnerstag zu Freitag nach Ostern belagerte eine aufrührerische Bauernschaar den Hans von Völkershausen in seiner Veste; sie konnte aber in die mit Wall und Graben umringte Burg nicht eindringen.“
Kronfeld berichtet: „In der wichtigen Grenzburg Völkershausen saßen Burgmänner; 1246 wird urkundlich ein Heinrich von Volkricheshusen als Zeuge aufgeführt, und 1348 ist ein Ritter von Volkeshusen auch Burgmann in Vacha. Das Schloß zu Völkershausen bestand ursprünglich aus der mit Mauern und Graben befestigten Burg und Vorburg. (Der Burggraben, gut ummauert und noch wasserhaltend, ist heutiges Tags noch zu sehen). Im Jahre 1613 wurde ein drittes, das sogenannte „untere Schloß“, jetzt Forsthaus, erbauet; zu Mitte unsers Jahrhunderts enthielt es die Renterei des Amtes Vacha, und ein kleineres, massives Haus am nördlichen Ende des Dorfs diente zu jener Zeit dem Förster als Wohnsitz.“ – 1707 starb der letzteHerr von Völkershausen. In der Kirche befinden sich 16 Grabstätten der adeligen Familie! Das ehemalige Ritter-, später Kammergut, dessen Wohn- und Wirtschaftsgebäude da standen, wo jetzt die obere, neue Schule fiir 2 Klassen und Lehrerwohnungen steht, ist nunmehr an die Gemeindenachbarn von Völkershausen verkauft; so ist auch das früher dazu gehörige Kammergut Martinroda zerschlagen. Spieß bemerkt unter Anderm: „Es war Völkershausen (817 Vuolfrikeshuson) ehedem ein reichsritterschaftlicher, zum Canton Rhön-Werra zählender Ort mit eigenem, 5 Dörfer und 5 Höfe umfassenden Gerichte.“
Nur wenigen buchonischen Burgen hat die Natur ein solch’ doppeltes Bollwerk vorgebauet gehabt, wie es der 629 m hohe, südwestl. breitgelagerte Dietrichsberg und der nördlich hinter ihm postierte Oechsenberg (deren gemeinschaftlicher Sattel der Hahnkopf ist) für Burg Völkershausen waren. Unmittelbar nördlich am Dietrichsberg, südwestl. hinterm Hahnkopf liegt der Weiler Rodenberg (1323 castrum=Vorburg Rotenberg), 5 Wohnhäuser, zu Deicherode gehörig. – Auch der Oechsenberg (fälschlich Ochsenberg), nach dem weimarischen Staats-Handbuch „Usinoberga, Uhsinberg, Oesinberge“ 786, westl. von Völkershauseu, soll eine Veste gegetragen haben, wie Spieß, Schneider und Fuchs erwähnen.“ – Die Ableitung des Namens „Oechsen“ vom gothischen Worte Ocan d. i. Schrecken, welche man wie Fuchs versucht hat, ist wirklich sehr gesucht.[3] Am Nordabhang des Oechsen ist großes Basaltgerölle, das Steinmeer genannt; beim Durchschreiten desselben vom Hofe Poppenberg her (ehemaligem Klosterhofe westlich am Ausgange des Oechsengrundes) empfindet man jedoch nichts Schreckenhaftes. Mit voller Ueberzeugung muß man aber bekennen, daß die Aussicht vom Oechsen, wennauch nach Süden hin keine freie und weite, doch eine ganz entzückende ist; ein in neuerer Zeit dort eingerichtetes Schutzhaus verlockt zu längerm Aufenthalt. Beim Weitermarsche südwestl. über Rodenberg hat man in guter halber Stunde auch den Dietrichsberg erstiegen, den besonders auf dem Westabhang vom Fuße bis zum Scheitel ein kahles, ungeheuer massenhaftes Basaltfeld weithin bemerkbar macht, das nicht ohne Gefahr ein schwindeliger Wandrer überschreiten kann. Nach Osten und Süden ist der Berg mehr mit schöner Laubwaldung bereichert, die sich über den „Geiskopf“ herab nach Wölferbütt zu erstreckt.Zugabe. Letzgenanntes, hoch und frei gelegenes Dorf, das nach Völkershausen seinen Kirchgang hat, hieß 786 „Steininfeld“ und soll der Sage nach aus folgendem Vorfall den Namen verändert haben: Zur Vorzeit da noch Wölfe in dortiger Gegend zahlreich hausten, hatte sich ein solcher Nimmersatt bis in die Küche eines Bauern gewagt und Proviantforschung angestellt, dabei aber durch ein bekanntes Schnaufen sich verraten. Wohlbewaffnet geht der Hausbesitzer dem Gaste entgegen, der in aller Ueberraschung sich nun durch hastiges Hineinkriechen in eine große umgefallene Wasserbutte verbergen will, sich aber dabei weidlich ausklopfen und bändigen lassen muß. Sein Geschlecht wagte hinfort nicht, die lieblosen „Steininfelder“ mit Besuch zu beehren. – Diese Sage begründet jedenfalls den alten Namen des Burgbezirks: ,,Vuolfricheshuson«, und das Völkershausen bei Ostheim dürfte vielleicht auch den ursprünglichen Namen noch mehr von dort hausenden Wölfen und derartigen Bestien als von walddurchhausenden Völkern erhalten haben. (Dieses westlich von Dorf und Ruine Henneberg nur 1 Stunde weit entfernte bayrische Völkershausen ist eine alte Dorfschaft mit einem forstumringten Rittersitze, dessen ehemalige Grund- und Freiherren (die von Stein) wegen ihrer ausgebreiteten Besitzungen die „Fürsten der Rhön“ genannt wurden.) Binder gedenkt einer Urkunde von 804, nach welcher eine Besitzung in „Wolfholds- oder Wolfsstreu“ im Baringau dem Kloster Fulda geschenkt ward; selbiges Wolfstreu 1317 schon als „Albers“ weiter verliehen, wurde Wüstung, aber 1555 als Melpers neu gegründet. (s. Heft II. S. 41 Fußnote). – Noch sei bemerkt, daß bei Völkershausen am Oechsen ein Weiler Willmans und bei Völkershausen hinter der Lichtenburg ein Dorf Willmars zu finden und möglichenfalIs leicht zu verwechseln wäre.
aus
C. E. Bach
„Im Tullifeld“
Eine historisch-landschaftliche Umschau in engerer Heimat
– der Vorderrhön –
[1] Busengraben war in alter Zeit ein Klosterhof, Hedwigsberg (1257 Hedwinis) ein Vorwerk, Martinroda (1330 Merberode), ehedem dort ein Kammergut.
[2] Luttershof, vormals 2 Klosterhöfe, hieß 814 urkundlich Lutra Arnebrunno, dann Lutaraha, Leuters, 1418 Lutrechtis; wie Grau annimmt, wahrscheinlich von lutra= Fischotter abgeleitet. 1418 schenkte Berthold von Manspach dem Kloster Vacha sein Gut zu Luttershof zu einem „ewigen Seelengeräth“ seiner Eltern, und 1420 u. 1430 Thilo von Völkershausen seinen Antheil an demselben und Friedrichroda, welcher Hof oben am Oechsenberg lag, später auch Schuberoth genannt, dessen Länderei zuletzt zum Lutterhofe kam.
[3] Das Dorf Oechsen (vor den Quellen der Oechse) wird 1214 urkundlich Uchsino, Usino und Uhsena genannt.
Bücher und DVD über Geschichte, Landschaft und Kultur der Rhön und Thüringens
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