Die Bezirke Tullifelds
Nach unserer Auffassung dieses Gaues (in seinem weitesten Sinne) sind es 14 verschiedene Bezirke, die ihm zugehörten. Durch solch’ große Zahl seiner Einzelgebiete wurde wohl dem Sendgrafen die Oberaufsicht ebenso erschwert, wie anderseits dem Centgrafen das Gemark-Gericht erleichtert! Wir zählen, meist auf Grund der Genßler’schen Angaben, folgende Bezirke auf:
- 1) einen großen Teil des alten fuldaischen Amtes Rockenstuhl (jetzt Geisa);
- 2) einen kleinern Teil vom Amte Crayenberg, (1155 Creinberc, später gewesenes Amt Tiefenort);
- 3) die Stadt Vacha und den größten Teil des Amtes Vacha;
- 4) teilweis die alte Herrschaft Frankenstein, insoweit sie links der Werra lag, denn Stadt Salzungen war nicht tullifeldisch, sondern gehörte wie die Hälfte des Salzunger Amtsbezirks dem Thüringer Landgrafen;
- 5) das alte Amt Sand (jetzt zum Amtsbezirke Wasungen gehörig);
- 6) die reichsritterschaftlichen Gebiete des alten ,,buchonischen Quartiers“ der Herren von Roßdorf, Stadtlengsseld u. Weilar;
- 7) das Gebiet ,,Derer von der Tann“;
- 8) die Centbezirke Kaltennordheim und Kaltensundheim;
- 9) das ehemalige Hennebergische Erbamt Fischberg (Visobergk);
- 10) das ehemals Würzburgische Amt Hilders (Hildriches);
- 11) den nördlichen Teil des Amtes Gersfeld, (doch wohl ohne das Gebiet ,,Derer vom Eberstein“);
- 12) verschiedene einzelne Orte des vormaligen Amtes Bieberstein;
- 13) einige Ortschaften im Winkel Friedewald-Schenklengsfeld-Heimboldshausen;
- 14) das Amt Ostheim (früher Lichtenberg); dieses nennen wir mit besonderer Berufung auf Junker, wie später bemerkt.
Tullifeldische Orte, über deren wirkliche Gauzugehörigkeit man wahrscheinlich vor 1791 schon in einigem Zweifel sein konnte, nennt uns Obermarschkommissär Sprengseysen in einer Zusammenstellung unter ,,II. Im Pago Tullifelt“:
- 1) Barfelt, Barchfeld, ein hessisches Dorf; urkundlich 1355 erwähnt,
- 2) Bettenhusen, Bettenhausen, früher Amts Maßfeld, 1414,
- 3) Bratingun, Breitungen, eigentlich Königsbreitungen, welches das heutige Frauenbreitungen ist; vor 940,
- 4) Clingison, Klings im Amt Fischberg, 860,
- 5) Cralug, Crahenlucke, Kralug, Kralack bei Geisa, 1306,
- 6) Embricheshusen, Empfreshausen, Amts Fischberg, 825,
- 7) Frankenstein, vestes Schloß im Amt Satzungen,
- 8) Frankinberc, vestes Schloß im Amt Frauenbreitungen,
- 9) Geohusa, Gohusa, Gehauß bey Lengsfeld,
- 10) Helmericheshusen, Helmershausen im Amt Lichtenberg, 857,
- 11) Heripha, Erphe, Herphin, Heriffa, Herpf im Amt Maßfeld,
- 12) Humperateshusun, Humpfershausen,
- 13) Kazzaha, Katz im Amt Wasungen,
- 14) Lengisfelt, Lengsfeld, Dorf am Hahnberg,
- 15) die Stadt Lengesfelt, 1137,
- 16) Mimininga, Meiningen, vor 980,
- 17) Mittilesdorp, 812, Miltilsdorf 1169, Mittelsdorf, Amts Lichtenberg,
- 18) Nithartheshuson, Neidhartshausen im Amt Fischberg, 829,
- 19) Orentileshus, Oernshausen im Amt Kaltennordheim, 837,
- 20) Reodun. Roth bey Sundheim,
- 21) Ronaha, Rönhof, (vielleicht zwischen Wüstensachsen und Bischofsheim),
- 22) Rostorph, Roßdorf, jetzt meiningisch,
- 23) Richildehusen, Reichenhausen, vor 1383,
- 24) Rubenhus, Erbenhausen, Geruvineshusum im Amt Lichtenberg, 912,
- 25) Sandez, ein Meiningisch Amt,
- 26) Sewa, Seba im Amt Maßfeld, (östlich am Gebaberg),
- 27) Sigisfrides, Seifers (wahrscheinlich unter Birx), jetzt Amt Hilders,
- 28) Sigimareshuson, Sinnershausen im Amt Wasungen, 1292,
- 29) Starefrideshuson, Stepfershausen im Amt Maßfeld,
- 30) Suvolunga, Suvalunga, Schwallungen im Amt Wasungen,
- 31) Theodorf, Diedorf im Amt Fischberg, 788, auch Theotorp,
- 32) Thietobaldeshuson, Diebaldshos beynTann, (Theobaldshof, vulgo Teufelshof),
- 33) Visberg, Schloß Fischberg, (westlich v. Dorf Fischbach) 837,
- 34) Vuasungen, Wasungen, 840,
- 35) Waltgereshus, Waltgerateshus, Waltershausen bey Römhild,
- 36) Wentilgereshusen, Wernshausen im Amt Frauenbreitungen, vor 933,
- 37) Wisentahu, Wisendah, Wiesenthal im Amt Fischberg, 1183,
- 88) Wolfmuntereshuson, Wolfmunteshusun, Wohlmuthausen, 857.
(Bemerkung. Die eingeklammerten Erläuterungen wie auch die urkundlichen Jahreszahlen habe ich, und zwar letztere nach dem weimarischen Staatshandbuch oder nach Chroniken beigefügt. Es ist anzunehmen, daß diejenigen im vorstehenden Verzeichnis vorkommenden Orte, welche außerhalb der nach Genßler angegebenen Grenzlinie liegen, entweder Parzellen, d. h. in einem nichttullifeldischen Bezirk mit eingeschlossene tullifeldische Trennstücke waren, oder daß sie nach irgend einem Vergleiche in das tullifeldische Gaugericht überwiesen wurden.)
Nach den von uns angedeuteten Grenzen Tullifelds (in seiner weitesten Ausdehnung) käme dem ,,pagus Tullifeldon“ eine ganz ansehnliche Größe zu: Die durchschnittliche Breite von Wasungen westwärts bis Spahl (Wasunga bis Spanelo), zu nur 4¼ geogr. Meilen, und die durchschnittliche Länge von Vacha südwärts bis Gersfeld (Faca bis Gerefelt), zu nur 6 geogr. Meilen gerechnet, ergäbe 25½ Geviertmeilen oder etwa 1404 qkm, im Flächengehalt einigermaßen dem Herzogtum Sachsen-Altenburg gleich. Nach jetzigen politischen Grenzen verteilt, gehören vom Tullifeldgebiete ziemlich 2 Neuntel der neupreußischen Provinz Hessen, 1 Neuntel dem bayrischen Kreise Unterfranken und 6 Neuntel Westthüringen an; dieser letzte, größere Anteil entfiele mit 1 Drittel auf das Meininger Unterland und mit 2 Drittel auf das Weimar-Eisenacher Oberland.
So sehr ich auch Genßler das Wort geredet habe, kann ich doch nicht verfehlen, noch einige andere altertumsforschende Schriftsteller über Grenzen und Bezirke des Gaues bezügl. der Gaugrafschaft Tullifeld sich hören zu lassen. Hoffentlich wird dadurch das Interesse für das Tullifeld umsomehr geweckt und die Grenzfrage genügender Lösung näher gebracht. Der ,,alte“ Heim meidet im II. Teile, Capitel 24: Es schreibt schon Junker in der Geographie der mittleren Zeiten, wo er viele Dörfer dieses pagi Tullifeld erzählet und sagt: „Es hat in sich begriffen die drei Aemter Ostheim, Kaltennordheim und Fischberg“ (wonach also der Baringau vom Tulligau umfaßt worden ist). Sauer drückt sich kurz in sieben Worten aus: ,,das Tullifeld (Kaltennordheim, Fischberg, Sand und Tann)“, und Heim ergänzt den Satz, indem er erklärt: „diese Gegend (Auersberg und Burg Tann) liegt in dem Gau Tullifeld.“ – Binder dagegen sagt in seinem Vortrage über die Cent Kaltensundheim: ,,Von der Ansicht, daß der Umfang des Tullifeldgaues sich mit dem des würzburgischen Kapitels Geisa gedeckt habe, ist man neuerdings, besonders seit Gegenbaurs Abhandlung über das Grabfeld, zurückgekommen. Der nördlichste urkundlich beglaubigte Ort des Tullifelds ist Roßdorf; demnach scheint es nur die Gebiete der Centen Helmershausen, Kaltensundheim, Dermbach und Roßdorf umfaßt zu haben.“ – Gegenbaur nimmt den Umfang des Tulligaues etwas weiter, aber zugleich unbestimmter an, indem er schreibt: ,,von der hohen Rhön bis zur Vereinigung der Ulster mit der Werra“ und fügt noch bei: ,,nach Würdtweins Registern soll das Capitel Geisa die westliche Grenze Tullifelds ausmachen.“ – Die eben vorgeführten Angaben von Heim-Junker und Sauer, Binder und Gegenbaur zusammengefaßt, lassen immer noch das Tullifeld als bedeutenden Gau erscheinen. Wenn Gegenbaur behauptet, die Feststellung von Gaugrenzen hätte sich am sichersten aus Originalurkunden zu stützen, so muß man ihm wohl beistimmen; doch wo finden sich solche und so viele Urkunden aus der alten „guten“ Zeit (in der man nicht immer schreib- und siegelfertig war), die uns zur scharfen Markierung der ganzen Tullifeldergrenzen unzweifelhaften Anhalt bieten können? – Wo der Mangel echter Urkunden vorliegt, oder wo die aufgefundenen schriftlichen Urkunden keinen sichern Ausweis geben, halten wir es doch für erlaubt, den alten Chronikschreibern ein gewisses Recht auf Zuverlässigkeit einzuräumen, soweit ihre Mitteilungen weniger auf Vermutungen als vielmehr auf Tradition, d. h. auf mündlicher, im Volke lebendig fortgepflanzter Ueberlieferung beruhen.
aus
C. E. Bach
„Im Tullifeld“
Eine historisch-landschaftliche Umschau in engerer Heimat
– der Vorderrhön –