„Welt“-berühmte Gehauser
Inhalt
(Fast) alle aus Gehaus stammmenden oder ihre Wurzeln hier habenden und berühmt gewordenen „Gehauser“ hat Herr Reinhold Lotz, Ortschronist von Gehaus, ausfindig gemacht. Freilich sind sie nicht im Dorf berühmt geworden oder haben im Andenken der Gehauser Bedeutung erlangt. Gerade deshalb scheint es notwendig, das Geschichtsbewusstsein der Gehauser auch auf die aus ihren Reihen stammenden zu lenken – wir sind kein Dorf von hinter dem Mond, auch wir sind auf vielfältige Weise mit den großen Strömungen der Geistesgeschichte und Politik verknüpft und haben diese bewegt – auch wenn es uns oder der Welt kaum aufgefallen ist.
Karl Julius Herrmann und Hermine Grobe
Auch Gehaus hat in seiner wechselvollen Vergangenheit berühmte Persönlichkeiten hervorgebracht. So unter anderem den Sohn des Pfarrers Salomon Grobe, Julius Grobe. Salomon Grobe war in den Jahren 1801 – 1807 in Gehaus als Pfarrer tätig. Am 18. Oktober 1807 erblickte Julius Grobe in Gehaus das Licht der Welt. Zu seiner Zeit war er ein berühmter Musikwissenschaftler besonders mit seinen Gemischten- und Männer-Chören. Eines seiner bisher bekannten Werke entstand 1840, da war Grobe wahrscheinlich schon Musikkantor in Nürnberg. So zu entnehmen dem „Gesangbuch für die evangelisch-methodistische Kirche in der DDR“ von 1971 aus dem Union Verlag Berlin. Dort war sein Kirchenlied „Alles mit dem Herrn“ in vierstimmigen Satz abgedruckt. Ich habe dieses Lied am PC für Orgel synthetisiert:
Der Liedtext stammt von Christoph Christian Hohlfeldt (1776 – 1849):
Mit dem Herrn fang alles an!
Kindlich musst du ihm vertrauen,
darfst auf eigne Kraft nicht bauen;
hüte dich vor stolzem Wahn!
Mit dem Herrn fang alles an,
mit dem Herrn fang alles an!
Mit dem Herrn fang alles an!
Die sich ihm zum Führer wählen,
können nie das Ziel verfehlen;
sie nur gehn auf sichrer Bahn.
Mit dem Herrn fang alles an,
mit dem Herrn fang alles an!
Mit dem Herrn fang alles an!
Mut wird dir der Helfer senden,
froh wirst du dein Werk vollenden,
denn es ist in Gott getan.
Mit dem Herrn fang alles an,
mit dem Herrn fang alles an!
Noten und Text wurden mir vom Vorsitzenden des Heimatvereins Gehaus, Reinhold Lotz†, zur Verfügung gestellt. Reinhold hinwieder hatte es von Dietmar Andreas bekommen. Vielen Dank dafür!
Im Jahr 1877 verstirbt Julius Grobe in Nürnberg. Wenig bekannt dürfte die ältere Schwester Julius Grobes, Hermine, sein. Sie wurde am 08. Oktober 1804 in Gehaus geboren. Ihr späterer Lebensweg ist deshalb von Interesse, da sie den Mitbegründer von Meyers Lexikon Joseph Meyer kennenlernt und seine Ehefrau wird. Ein klein wenig wollen wir nun bei ihr verweilen.
Wie bereits erwähnt stand ihre Wiege in Gehaus. Der Vater Johann Salomon Grobe stammt aus Stotternheim bei Erfurt, war Sohn eines Lehrers. Dieser besuchte 1783 – 1787 das Gymnasium in Erfurt. Danach studierte er in Erfurt und Jena, wird anschließend Prediger an der dortigen Mädchenschule. 1797 wird er dann Vikar und kommt 1801 als Pfarrer nach Gehaus/Rhön. Infolge der Napoleonischen Zeit wird er im Jahre 1807 von Gehaus nach Weilar versetzt und eröffnet dort eine Privatschule.
1807 – 1809 verweilt Joseph Meyer zum ersten Mal in Weilar und nimmt am Unterricht in der genannten Privatschule teil. Es kommt in der Folgezeit zu mehreren Aufenthalten, s. u. a. auch 1820, wo er sich in die 16jährige Tochter Hermine Grobe unsterblich verliebt. Noch im gleichen Jahr findet die Verlobung statt. Hier beginnt auch die Verbindung zu Emil Freiherr von Boyneburg, der entscheidend in den nächsten Jahren beiträgt, die Ideen des Joseph Meyer zu verwirklichen (Meyers Universallexikon). Hermine Grobe hielt seit ihrer Verlobung fest zu den zukünftigen Gatten. Von der finanziellen Seite aus gesehen war sie die wichtigste Person bei der Gründung des späteren Verlages. Was für eine starke Persönlichkeit sie war zeigt der 01. August 1828, wo sie die alleinige Eigentümerin des gegründeten Bibliographischen Instituts wird. Zur damaligen Zeit kaum vorstellbar.
Die fruchtbare Partnerschaft erlebte ihren ersten Höhepunkt am 23. Mai 1825 in der evangelischen Kirche zu Maßbach in Unterfranken, wo die Hochzeit des Paares stattfand. Wie stark die Liebe dieser Frau zu ihrem Mann war zeigen die Jahre 1851/1852 als Joseph Meyer wegen Majestätsbeleidigung im Gefängnis saß. Wir Gehauser können auf solche Bürger stolz sein, zeigt sich doch auch hier, dass in solchen kleinen abgeschiedenen Gemeinden auch derartige Persönlichkeiten heranwachsen können.
Am 16. November 1874 verstirbt Hermine Henriette Friederike Meyer geb. Grobe in Hildburghausen. Von ihr und ihrem Ehemann liegen Fotoaufnahmen vor. Auch das Siegel der Familie Grobe ist uns heute bekannt.
Wer mehr über diese Frau in Erfahrung bringen möchte kann sich gerne mit dem HPV e. V. Gehaus in Verbindung setzen. Der Heimatpflegeverein e. V. Gehaus dankt allen, die dazu beigetragen haben, solche kleinen Exkurse in die Geschichte dieser Persönlichkeiten zu unternehmen.
Quellen:
- Aufzeichnungen des Mitglieds unseres HPV e. V. Gehaus, Herrn Klaus von Boyneburgk
- Autor Karl-Heinz May “Der feurige Geist Joseph Meyer” Verlag Frankenschwelle Hildburghausen 1996
- Dietmar Andreas Groß Ossnig
- Chronik von Frau Erika Jacob Weilar
zitiert aus dem Baier Bote 3(2005)12 vom 23. Dezember 2005, Verfasser des Artikels ist Reinhold Lotz†.
Jaques Offenbachs Wurzeln in Gehaus
Im Voraus möchte ich hiermit Herrn Rolf Leimbach aus Stadtlengsfeld danken, der uns auf einen der berühmtesten Männer der Musikgeschichte aufmerksam machte. Wie wir alle wissen haben auch in unserer kleinen Gemeinde berühmte Persönlichkeiten gelebt, wurden hier geboren oder stehen in anderen Beziehungen zu unserem Heimatort. Auf die bisher bekannten Bürgerinnen und Bürger sind wir ja bereits eingegangen, ohne dabei zu vergessen, dass auch wir hier erst am Anfang einer konkreten Aufarbeitung stehen, um Licht in das vergessene Leben dieser ehemaligen Mitbürger zu bringen. Nun kommt durch Zufall ein weiterer hinzu, der zumindest durch großväterliche Bande mit der Ortschaft Gehaus verbunden ist. Es handelt sich hierbei um Jaques Offenbach geb. am 20.06.1819 in Köln und gest. am 04.10.1880 in Paris.
Was hat aber J. Offenbach nun mit Gehaus zu tun? Wie bereits erwähnt wurde er in Köln geboren und war der Sohn von Isaac Juda Eberst, vom Beruf Buchbinder, Musiklehrer und Komponist. Dessen Vater nun wieder war ein Juda Eberst, der um 1745, andere Quellen sprechen von 1750, in Gehaus geboren wurde und eine bestimmte Zeit in Gehaus sesshaft war. Dies beweist ein Leumundszeugnis aus dem Jahre 1785 für einen Feist Schwarzschild aus Offenbach, ausgefertigt von der dortigen Judenschaft und beglaubigt vom Rat der Stadt. Dieses Leumundszeugnis beweist auch, dass die Boineburgs den Zuzug fremder Juden und besonders ihren wachsenden Anteil an der Bevölkerung doch Schranken setzten. Später verzog dann dieser Judas Ebert nach Offenbach. Hier liegen nun die Wurzeln der Familie Offenbach, mit Ausgang in Gehaus. Offenbach selbst war ein begabter Cellist. Diese Begabung brachte ihm die Aufnahme 1833 am Pariser Conservatoire ein. Damals außergewöhnlich, war doch dies zu jener Zeit Ausländern in Paris untersagt. Danach spielte er im Orchester Opera Comique. 1840 heiratete er Hermine d’Alcain und trat zum katholischen Glauben über. 1850 wurde er Leiter der Schauspielmusik an der Comedia Française, wo er musikalische Einlagen für Theaterstücke komponierte. 1855 mietete er dann ein kleines Theater an dem Champs Elysees. Besonders eigene Einakter führte er hier auf. Im Jahre 1858 entstand „Orphée aux enfers“ (Orpheus in der Unterwelt), opéra-bouffe in zwei Akten, was gleichzeitig die Geburtsstunde der Operette war. Schon die Übertragung ins Deutsche nimmt Offenbachs Werke aber den sozialkritischen Witz und verblasst im Allgemeinen. Da wir aber keine Musikkritiker sind, wollen wir es hierbei belassen. Eine Kritik zu seinen Werken steht uns nicht zu. So waren es vor allem die Werke, die Offenbach in seinem eigenen Theater uraufführte, die seinen Ruhm begründeten. Langsam beginnt sein Stern zu sinken, was auch mit dem Deutsch/Franz. Krieg 1870/71 und dem Zusammenbruch Frankreichs zu tun hatte. Seine wichtigsten Freunde wandten sich nun von ihm ab, ebenso seine Lieblingsinterpretin Hortense Schneider. 1874 war Offenbach bankrott und musste sein Theater verkaufen. Seine neuen Werke waren vom Niveau her sehr gut, ließen aber die geistige Schärfe von einst vermissen. Er suchte nun neue Wege in Form von „Märchenopern“ sowie als letztes großes Werk „Les Contes d’ Hoffmann“, welches seinen Ruf als einer der bedeutensten Komponisten des 19. Jahrh. festigte. Die Premiere 1881 konnte er nicht mehr erleben, da er wie bereits erwähnt am 04.10.1880 in Paris verstarb. Am bekanntesten seiner Werke ist „Can Can“ („Galop infernal“) aus „Orpheus in der Unterwelt“,
aber auch: „La Belle Hélène“ (Die schöne Helena), opéra-bouffe in drei Akten (1864) „Barbe Bleue“ (Ritter Blaubart), opéra-bouffe in drei Akten (1866), „La Vie parisienne“ (Pariser Leben), opéra-bouffe in fünf Akten (1866), „La Grande-Duchesse de Gérolstein“ (Die Großherzogin von Gerolstein), opéra-bouffe in drei Akten (1867). „Les Contes d’Hoffmann“ (Hoffmanns Erzählungen ), opéra fantastique (1881, postum)
Quellen:
- Michael Laricchia: Begleitbuch zum Hörspiel„Le Petit Ménestrel: Offenbach Raconté Aux Enfants [+digital booklet]“
- Juden in Südthüringen geschützt und gejagt, 6 Bde. Band 5. S. 131 von Hans Nothnagel
- Zuarbeitung von Rolf Leimbach Stadtlengsfeld
Im Auftrag des HPV e. V.
Reinhold Lotz†
Ortschronist
Zitiert aus Baier Bote 4(2006)10 vom 29. September 2006
Julius Löwenheim
Auf eigener Nachforschung beruht fogende Entdeckung:
Julius Löwenheim war ein politischer Schriftsteller, geboren in Gehaus, lebte 1895 in Eisenach. Inwieweit dieser mit dem Verfasser von „Die mosaische Religion. Catechismus für den israel. Religionsunterricht in Schule u. Haus“ Eisenach, 1864, einem Julius Löwenheim, Lehrer an der Stadtschule in Lengsfeld identisch oder verwandt ist, vermag ich nicht zu sagen. Gefunden habe ich letztere Angabe hier und hier.
Nun schrieb mir ein Mister Peter Lowe aus Hertford, England in einer Mail:
„I do not think that I am related to him, but have recently been researching him and his family. My interest stems from my family name which used to be LOEWENHEIM. This surname was taken on by earliest ancestor Israel David in 1812 in Tuetz in Westpreussen. As LOWENHEIM is a rare surname, I have followed all people of that name.
The attached images were obtained from records filmed by the LDS (Mormon) and available from their Family History Library. There are entries from the Burgerbuch from Eisenach which confirms the birthplace as Gehaus, and the other entries are from Jewish Registers of the Eisenach Community which appears to include Vacha, Lengsfeld and other neighbouring communities. There are several entries which suggest that Julius Lowenheim born in Gehaus was indeed the teacher in Lengsfeld and I am sure he was the writer who lived in Eisenach. (Übersetzung: Es gibt Einträge im Bürgerbuch von Eisenach, die den Geburtsort Gehaus bestätigen, die anderen Einträge sind aus jüdischen Registern der Eisenacher Gemeinde, die Vacha, Lengsfeld und andere benachbarte Gemeinden einzuschließen scheinen. Es gibt mehrere Einträge, die den Schluss zulassen, dass der in Gehaus geborene Julius Lowenheim tatsächlich jener Lehrer in Lengsfeld war und ich bin sicher, dass er auch der Eisenacher Schriftsteller war.)
I found that Julius was listed in the 1892 Adress-Buch für die Grossherzogliche Haupt- und Residenzstadt Eisenach: Löwenheim Julius, Redact. A.D., Eisenach Wörthstraße 12b.“
Im Eisenacher Bürgerregister von 1876 findet man unter dem 3. Juli den Eintrag: „Name des Bürgers: Löwenheim Julius, Stand: Redakteur, Geburtstag: 6.November 1827, Geburtsort: Gehaus“.
In einer PDF-Datei, einem Ortskatalog zur jüdischen Vergangenheit des Freistaates Thüringen, findet sich auf Seite 242 folgender Eintrag:
„An der vereinigten Bürgerschule zu Lengsfeld unterrichtete viele Jahre Julius Löwenheim, geboren in Gehaus. Er verfasste bedeutsame pädagogische und methodische Schriften und war Ende des 19. Jahrhunderts ein bedeutender Regionalpolitiker.“
Heute (24.04.2012) erhielt ich eine Mail von Frau Evelyn Burkhardt von der Freien Universität Berlin:
„Auf der Suche nach Julius Löwenheim bin ich auf dieser Seite gelandet, die wiederum auf eine Seite verweist, an der ich mitarbeite. Hier steht: „Inwieweit dieser mit dem Verfasser von „Die mosaische Religion. Catechismus für den israel. Religionsunterricht in Schule u. Haus“ Eisenach, 1864, einem Julius Löwenheim, Lehrer an der Stadtschule in Lengsfeld identisch oder verwandt ist, vermag ich nicht zu sagen.“ Im Leopold-Zunz-Archiv gibt es drei Briefe, zwei von einem H. J. Löwenheim, der erste davon aus Gehaus, der zweite aus Lengsfeld. Der dritte Brief stammt von Julius Löwenheim aus Lengsfeld, der Leopold Zunz darin explizit bittet, eine Rezension zu seinem Katechismus zu schreiben (was dieser dann auch getan hat, wie aus der Bibliographie seiner Schriften, auf die hier auch verlinkt wurde, hervorgeht). Er verweist dabei darauf, daß Zunz bereits seinem Vater des öfteren geholfen hat. Daraus schließe ich, daß H. J. Löwenheim der Vater war, der auch in Gehaus gewohnt hat, bevor er nach Lengsfeld umzog, und Julius Löwenheim, der Autor des Katechismus also auch aus Gehaus stammte. Faksimiles der Briefe werden in den nächsten Wochen auch auf der Seite www.jewish-archives.org veröffentlich werden.“
Damit wäre dank Frau Evelyn Burkhardt wohl endgültig geklärt, dass Julius Löwenheim in Gehaus geboren wurde. 😉
Bücher und DVD über Geschichte, Landschaft und Kultur der Rhön und Thüringens
– nach Themen sortiert –
Ich habe ein Video mit meiner Neueinspielung des Chorals von Julius Grobe hinzugefügt.
Moin, allerseits,
die von Ihnen erwähnten Hermine und Julius Grobe sind meine Ur-Ur-Großtante bzw. -Onkel. Sie berichten, im Besitz eines Siegels der Familie Grobe zu sein. Ich weiß zwar, dass es so etwas gab, aber nicht, wie es aussieht. Können Sie mir ein Foto / Kopie / Scan zumailen?
Vielen Dank und viele Grüße
Ulrich Grobe