Robert Schumann: Kinderszenen op. 15
Die Kinderszenen habe ich per MIDI-Technik auf einem Softwaresynthesizer „The Hammersmith Pro“ (hier ist ein Testbericht zu lesen) eingespielt – soweit zur Technik.
Im Internet findet man, abgesehen von dem allwissenden Wikipedia, viel sinnvolles und sinnloses über diese dreizehn Mini-Stücke zum Lesen und Vergessen. Man muss sie hören oder selber spielen, anders erschließt sich ihr Gefühlsgehalt nicht.
Die Kinderszenen sollen laut Robert Schumann keine mehr oder weniger banalen Ereignisse aus der Erlebniswelt der Kinder tonmalerisch schildern, sondern es werden die Gefühle des Erwachsenen zum Ausdruck gebracht, die Erinnerungen an seine Kinderzeit in ihm wachrufen – es sind sinnbildliche »Rückspiegelungen eines Älteren und für Ältere«. Seine nachträglich(!) den Kompositionen beigefügten Überschriften sollen Fingerzeige beim Suchen und Enträtseln ihrer »poetischen Ganzheit« sein.
Hermann Abert schreibt in „Robert Schumann: Klavierkomponist und Kritiker. Deutsche Komponisten von Bach bis Wagner„, S. 63:
Zwischen die beiden musikalischen Herzensbeichten op. 21 und 16 fallen die »Kinderszenen« (op. 15). Der Sturm der inneren und äusseren Wirrsal scheint hier auf eine Zeit lang beschwichtigt zu sein. Träume aus der Jugendzeit sind es, die den nunmehr ins Mannesalter eintretenden Jüngling umgaukeln, in der Erinnerung an seine Kindheit findet er Ruhe und Erholung inmitten der Stürme des Lebens. Sie sind somit, nach Schumanns eigenen Worten, nicht sowohl Stücke für Kinder, als poetische Rückblicke eines Erwachsenen in die Jugendzeit. Es ist im Hinblick auf alles Vorangegangene bewundernswerth, mit welchem Maass künstlerischer Selbstzucht der junge Künstler für seine Gedanken und Empfindungen die angemessene anspruchslose Form wählt. Die Ueberschriften sind auch hier wieder später entstanden und »eigentlich weiter nichts als feinere Fingerzeige für Vortrag und Auffassung.« Die Kritik konnte sich seltsamer Weise gerade mit diesen Stücken lange nicht befreunden: selbst Moritz Hauptmann vermisste an ihnen die »rechte Mitte«.
Und Theoder W. Adorno schreibt in „Ästhetische Theorie – Gesammelte Schriften“, GS 7, S. 252:
Wahr ist Kunst, soweit das aus ihr Redende und sie selber zwiespältig, unversöhnt ist, aber diese Wahrheit wird ihr zuteil, wenn sie das Gespaltene synthesiert und dadurch erst in seiner Unversöhnlichkeit bestimmt. Paradox hat sie das Unversöhnte zu bezeugen und gleichwohl tendenziell zu versöhnen; möglich ist das nur ihrer nicht-diskursiven Sprache. In jenem Prozeß allein konkretisiert sich ihr Wir. Was aber aus ihr redet, ist wahrhaft ihr Subjekt insofern, als es aus ihr redet und nicht von ihr dargestellt wird. Der Titel des unvergleichlichen letzten Stücks aus Schumanns Kinderszenen, eines der frühesten Modelle expressionistischer Musik: »Der Dichter spricht«, notiert das Bewußtsein davon. Abbilden aber läßt das ästhetische Subjekt wahrscheinlich darum sich nicht, weil es, gesellschaftlich vermittelt, so wenig empirisch ist wie nur das transzendentale der Philosophie. »Die Objektivation des Kunstwerks geht auf Kosten der Abbildung von Lebendigem. Leben gewinnen die Kunstwerke erst, wo sie auf Menschenähnlichkeit verzichten. ›Der Ausdruck eines unverfälschten Gefühls ist immer banal. Je unverfälschter um so banaler. Um es nicht zu sein, muß man sich anstrengen.‹«
00:08 – 1. Von fremden Ländern und Menschen G-Dur
01:33 – 2. Kuriose Geschichte D-Dur
02:55 – 3. Hasche-Mann h-Moll
03:37 – 4. Bittendes Kind D-Dur
04:36 – 5. Glückes genug D-Dur
05:25 – 6. Wichtige Begebenheit A-Dur
06:25 – 7. Träumerei F-Dur
09:31 – 8. Am Kamin F-Dur
10:55 – 9. Ritter vom Steckenpferd C-Dur
11:52 – 10. Fast zu ernst gis-Moll
13:51 – 11. Fürchtenmachen G-Dur
15:43 – 12. Kind im Einschlummern e-Moll
17:40 – 13. Der Dichter spricht G-Dur
Vom Stein der Jugend bei der großen Eiche
Grabinschrift im Parco Giardino Sigurta bei Verona
Die Jugend ist nicht ein Abschnitt des Lebens,
sie ist ein Zustand der Seele,
der in einer bestimmten Form des Willens besteht,
in einer Bereitschaft zur Phantasie,
in einer gefühlsmäßigen Kraft,
im Überwiegen des Mutes über die Zaghaftigkeit,
und der Abenteuerlust über die Liebe zur Bequemlichkeit.
Man wird nicht alt wegen der einfachen Tatsache,
dass man eine bestimmte Anzahl von Jahren gelebt hat,
sondern nur, wenn man sein eigenes Ideal aufgibt.
Wenn die Jahre ihre Spuren in den Körper zeichnen,
so zeichnet der Verzicht auf die Begeisterung sie auf die Seele.
Die Abscheu, der Zweifel, das Fehlen von Sicherheit,
die Furcht und das Misstrauen sind lange Jahre,
die das Haupt beugen und den Geist zum Tode führen.
Jung sein bedeutet, mit siebzig, fünfundachtzig oder mehr Jahren
die Liebe zum Wunderbaren zu bewahren,
das Staunen für die leuchtenden Dinge
und die strahlenden Gedanken, den kühnen Glauben,
den man den Ereignissen entgegenbringt,
den unstillbaren Wunsch eines Kindes für alles, was neu ist,
den Sinn für die angenehme und fröhliche Seite des Daseins.
Ihr werdet so lange jung sein,
wie Euer Herz die Botschaft der Schönheit,
der Kühnheit und des Mutes aufnehmen wird,
die Botschaft der Größe und der Stärke,
die Euch von der Welt, von einem Menschen,
oder von der Unendlichkeit geschenkt werden.
Wenn alle Fasern eures Herzens zerrissen
und wenn sich auf ihnen der Schnee des Pessimismus
und das Eis des Zynismus gehäuft haben sollten,
erst dann werdet Ihr alt sein,
und dann möge Gott sich Eurer Seele erbarmen.