Wiesenthaler Krieg 1866
Inhalt
- Ein Augenzeugenbericht
- Ein weiterer Augenzeugenbericht
- Der historische Hintergrund
- Der Bruderkrieg 1866 in der Rhön
- Karten der Kampfplätze
Ein Augenzeugenbericht
In den „Heimatglocken für Gehaus“, ein Heimatblatt, das von 1910 bis ca. 1922 durch die Kirche vertrieben wurde, fand ich diesen Augenzeugenbericht über die Kampfhandlungen zwischen der preußischen und der bayrischen Armee im Preußisch-Deutschen Krieg 1866:
Die Juni- und ersten Julitage erinnern an die Tage von 1866, die unserem Orte eine wichtige Bedeutung in der Kriegsgeschichte des werdenden Deutschen Reiches gegeben haben Mochten hier noch einiges zusammenstellen, was sich aus der Erinnerung noch heute Lebender damaliger Zeitgenossen hat feststellen lassen. Besonders betrifft das die Angaben, die wir unseren Mitbürgern Joh Heinrich Schäfer (unser armer erblindeter Veteran, der damals 19-jährig war), Ludw. Denner, Valt Happ (Choradjuvant), Emil Hofmann, J. Anding, Jung, Kr. Seifert (sein Großvater Joh. Ad. S. war schon 1813 „mit“ gewesen) und anderen verdanken. Wir verweisen auch auf das in der Märznummer 1911 unserer Heimatglocken mitgeteilte Erlebnis des verst. Forstwarts Karl Sauer (der die Bayern bei ihrem Durchmarsch mit Fleisch und Suppe bewirtete). Der Verlauf der Ereignisse, soweit er unseren Ort betrifft, war nach den Schilderungen der Augenzeugen ungefähr folgender:
In jenen Julitagen herrschte (ungefähr 14 Tage lang) anhaltendes Regenwetter. Die Bayern kamen am 1 Juli, an einem Sonntag wahrend des Gottesdienstes, über den Roßberg von Meiningen aus gezogen, legten die Wache in das Schlotzhauer’sche Haus (am Rieth), das damals ein Neubau und noch nicht bezogen war. Dann zerstreuten sie sich in das Dorf, woselbst sie drei Tage verweilten. Hier kam es am 3 und 4 Juli zum Kampfe. Sie forderten die Einwohner auf in den Wald zu flüchten, da sie in den Häusern nicht sicher genug seien. Eine Anzahl Einwohner, hauptsachlich Frauen und Kinder, folgten dem Rate und flohen auf den hohen Asch zu. Die Beherzten und Erfahreneren (Joh. Ad. Seifert, der schon früher den Krieg mitgemacht hatte) blieben daheim und bargen sich in den Kellern, einige vergruben ihr Geld, entweder im Garten oder im Keller, den sie dann wohl ganz vermauerten. Ein furchtbares Durcheinander herrschte im Ort. Die Bayern verbarrikadierten die Straßen, indem sie mit quergestellten Wagen und Gerümpel Hindernisse in die Wege legten. Anfänglich war die Meinung, daß hier eine Hauptschlacht stattfinden sollte, die allerdings erst für den 5 Juli preußischerseits geplant war. Dieser Plan änderte sich später. Die Bayern erreichten aber mit den gelegten Hindernissen nicht ihren Zweck, vielmehr schadeten sie sich selbst, da sie nun selbst schwer hin und wieder konnten (Überhaupt hatten die Bayern die Absicht ostwärts zu ziehen, um sich mit den Ostreichen zu vereinigen. Diese Absicht wurde durch die Treffen bei Zella, Dermbach, Wiesenthal und Roßdorf vereitelt. Die Bayern wurden endgültig an den Main zurückgeworfen). Am Mittwoch, den 4 Juli, war der Haupttag. Viele der Einwohner des Dorfes, die zurückgeblieben waren, hatten sich schließlich noch unter der Brücke (bei Joh. Jung u Dresches Christ) in den Kanal verborgen, der jetzt wasserleer war, da man den Graben von der Miesbach aus abgestellt hatte. Eine der hierhin geflüchteten Frauen hatte noch ein Laib Brot in der Hand, das sie in der Eile vorher ergriffen hatten. Die preußischen Husaren sollen den Leuten im Ort zugerufen haben, ebenso wie die Bayern, schon vor ihnen. »Räumt das Dorf.« (Die Bayern hatten den Leuten auch zugerufen! »Wir wollen euch beschützen.«). Die Familie Anding wollte gerade beim Hause des alten „Hüterche? vorbeifliehen („Michels Wiesche“ auch „Zöllner“ genannt), da kamen die Preußen die Rommelshohle her. Der neunjährige Johannes (Adam Jorges Hannes) ließ erschrocken den „Oberraft“ Brot (Knust) fallen, den er mitgenommen hatte. Da rief ihm ein preußischer Soldat zu, er solle sein Brot nur wiederholen. Dann stürmten die Preußen an ihnen vorbei ins Dorf, nachdem der Knabe sein Brot geholt hatte.
Sobald die Preußen am 4. Juli sichtbar wurden, begannen sie ein scharfes Schießen. Ihrerseits hatten sie die Nacht zum Mittwoch im Salzunger Forst (dem sog. „Haderholz“) biwakiert. Dort fand man als deutlichen Beweis später noch viele Frühstückspapiere liegen; nun kamen jene in Abteilungen, teils über den Horn, teils die alte Urnshäuser Straße herauf, am Lindig herüber, nach der Dermbacher Hohle zu marschiert und verteilten sich schnell bis in die Dippach, wo die Bayern sich aufgestellt hatten. Die Patrouillen schwärmten hin und her. Der erste Kanonenschuß fiel in das Haus des Klempners Hofmann an der Kohlgrube. Die Kugel steckte das dort liegende Flachsstroh in Brand. Doch wurde der Brand schnell gelöscht. Zu einer Beschießung des Ortes seitens der Preußen kam es nicht. Sie schossen weiterhin über den Ort hinweg.
Die Bayern waren sehr siegesgewiß aufgetreten, waren aber im Allgemeinen schlecht mit Munition versehen. Ihre Kanonenkugeln machten „großen Krach?, richteten aber keinen Schaden an, da das Pulver fehlte (es war „Hammerschlag? darin), so daß sie nicht zündeten. Wie Kegelkugeln flogen diese Kugeln umher. Unter den bairischen Truppen waren viele junge, noch minderjährige Leute als Soldaten eingestellt. Man erzählt sich, diese sein von ihren Priestern aufgestachelt worden (da sie sämtlich katholisch waren) am „Kriege teilzunehmen, von denen ihnen dieser Krieg als ein Glaubenskrieg geschildert worden sei. So kam es, daß diese Truppen dem Ernst der Lage nicht gewachsen waren.
Die Bayern flüchteten vor den preußischen Schnellfeuer die Roßdorfer Straße entlang und das Tal am „Edelbach“ und beim Friedrichshof hinauf nach dem Nebel, wo sie nun Deckung suchten und von hier aus den Ort beschossen. »Die Preußen wollen uns versenken mit ihren Donnerwetterkartätschen«, so riefen sie auf der Flucht.
In dem Dorfe sah es wüst und trostlos aus. Schon die Bayern hatten vieles demoliert. Die Pfarrei war ausgeraubt und auch die Scheunen durch und durch zerwühlt. Die Frau Pfarrer hatte ihre Fleischwaren und Kleider in Säcken in den Garten geschafft, die zwar durchregnet wurden, aber unversehrt blieben. Durch Unvorsichtigkeit war viel Schaden entstanden. Die gefundenen Kaffeebohnen hatten die Soldaten auf die Straße geworfen. Der alte Pfarrer Weißenborn war noch am Schlachttag mit seiner Frau und mit der Familie des Kantors Pfannstiel auf Geleitsbrief auf der Roßdorfer Straße nach dem Bleß geflüchtet, wo sie sich im Wald verbargen und später über Urnshausen (gegen 4 Uhr nachm.) zurückkehrten.
Auch köstliche Episoden unfreiwilligen Humors trugen sich im Dorfe zu. So hatte eine Frau in der Eile, anstatt die Eßwaren, u.s.w. zu verstecken, den Tisch gedeckt und ihren Mann in der Stube eingeschlossen, so daß ihn die Bayern aus seiner unfreiwilligen Gefangenschaft befreien mußten, indem sie nun ihrerseits wie zur Belohnung, den Tisch gedeckt fanden. Auch hatte eine Frau einige Gänse mit auf den hohen Asch genommen, durch deren Gegacker die Geflüchteten nun verraten zu werden fürchteten.
Im Ort hatten die Bayern auch sonst gewütet. Den Schullehrer Herrn Tischer sowie den alten Bittorf („den Bezze Schnider“) hatten sie als Spione aufgegriffen und ganz unschuldigerweise die Sakristei der Kirche gesperrt. Als der alte Bittorf wieder nach Hause zurückkehrte, rief sein Sohn ihm zu: »Ach mein lieber, schöner, dürrer Vater (abgezerrt durch den Schrecken), warum kommst du gar nicht wieder!« Auch einige andere Männer wurden von den Bayern gefangen gehalten. Die Glockenschwengel im Turm hatten die Eindringlinge abgeschnitten und im Schulofen verbrannt, damit nicht mehr geläutet werden konnte.
Schon am Dienstag gestaltete sich die Lage durch das Näherkommen der Preußengefahr bringend und drohend. Folgendes lustiges Reiterstück ist an diesem Tag geschehen, preußische Husaren kamen plötzlich im Galopp durchs Dorf nach der Roßdorfer Straße geritten. Einer von ihnen schoß mit dem Karabiner auf die bairische Patroille und traf den Feind tödlich. Als die Husaren dann die Höhe besetzt fanden, ritten sie schleunigst wieder zurück. Einen tiefen Eindruck machte das auf den kleinen Denner, der als 15jähriger Knabe die Szene mit ansah.
Bei dem eiligen Fliehen der Bayern am Mittwoch wurde das Pferd eines Majors von einer Kugel aus einer Granate getroffen. Der Mantel des Reiters geriet in Brand, und er mußte das Pferd verlassen. Er sei in den Edelbach gesprungen, um das brennende Gewand zu löschen, so erzählt man sich. Überall lagen Tote und Verwundete umher, die einen schrecklichen Anblick boten. Ein totes Pferd am Edelbach war vollständig aufgetrieben.
Dennoch kamen auch auf preußischer Seite Fehler vor. bei dem Sturm auf den Nebel führte ein Hauptmann seine Kompanie geschlossen gegen den Berg. Da hatten die Bayern gut schießen. Bei einem Sturm in Schützenlinie hätten die Preußen geringere Verluste an Mannschaften haben müssen. Erst als später nach Vertreibung der Bayern eine preußische Kanone auf den Nebel gebracht wurde, war auch hier das Schicksal des Tages entschieden. Die Bayern flohen bis nach Meiningen.
Am Abend des Schlachttages mußten die Männer aus dem Dorfe die Leichen und Verwundeten fahren; die Verwundeten wurden in der Kirche und Schule gebettet. Pferde waren in dem Ort nicht mehr aufzutreiben, da ihre Besitzer mit den Tieren die Fourage der Preußen fahren mußten. So mußten die Kühe für die Verwundetentransporte herhalten. Ein so bespannter Wagen mußte noch am selben Abend nach Dermbach fahren. Bei diesen Transporten passierte es, daß ein Mann aufgegriffen wurde, der trotz seiner Weigerung, »er sei kein Bauer«, gezwungen wurde, die Kühe anzuspannen, denen er nun aus Unkenntnis die „Jüchter“ (Joche) auf die Stirn legte (umgekehrt statt nach vorn, nach hinten aufgelegt).
Die eigentliche Schlacht hatte nach preußischem Plane erst später erfolgen sollen, da der General v. Manteuffel für den 5. Juli erwartet wurde. Nunmehr wurde die Marschrichtung schnell geändert, und die Preußen schwenkten noch am selben Schlachttage in westlicher Richtung ab, um bei Kissingen noch einmal mit den Bayern in Gefecht zu geraten. Erst nach 3 Tagen kehrten die Wiesenthaler, die mit ihren Pferden die preußische Fourage bis Hünfeld hatten begleiten müssen, nach Hause zurück, voller Staunen über die Größe und Schlagfertigkeit der preußischen Armee, von der der eine der Zurückkehrenden, der „Happetines“ (Bruder des Happenmüllers) sagte: »Wenn der Manteuffel noch gekommen wäre, so wäre der ganze Rebelberg weggeflogen.«
In der unteren Schulstube verstarben von den Verwundeten der preußische Offizier, Hauptmann v. Cavzinski?; er hatte einen Granatschuß in den Leib bekommen. Auf einem Bett, das über die Totenbahre gelegt war, ward er gebettet. Frau Cantor Pfanstiel mußte ihn verbinden helfen; zwei Ärzte bemühten sich noch des Nachts um 2 Uhr um ihn. Am anderen Morgen war er entschlafen. Auf dem Dermbacher Friedhof für die gefallenen Krieger wurde er bestattet. Ein anderer preußischer Offizier (Major v. Rüstow?) war auf dem Friedhof (südlich der Kirche) gefallen. Auch er wurde am Morgen zur Bestattung mit jenem anderen zusammen auf einem Leiterwagen nach Dermbach geschafft. Auch in der oberen Schulklasse starben in derselben Nacht zwei daselbst untergebrachte preußische Soldaten. Für die auf dem Friedhof zu Wiesenthal beigesetzten 11 preußischen und 9 bairischen Krieger wurde ein einfaches Denkmal errichtet, bei dem an dem Sockel eines eisernen Kreuzes folgende Inschrift angebracht ist: „Den neun bairischen Soldaten, ruhmvoll gefallen in den Gefechten bei Rosdorf am 3. und 4. Juli 1866, das dankbare Vaterland? und an der andern Seite: „Sie ruhen an der Seite von elf preußischen Kameraden.“ Dieses Denkmal wird nunmehr vom Kriegerverein zu Wiesenthal durch treue Fürsorge mit einem eisernen Gitter versehen.
So ruhet nun, im Leben getrennt, im Tode vereint, ihr braven Söhne deutscher Erde, im Schatten der 3 Eichen, die euer Grab bergen! Auch ihr habt für die Ehre des Vaterlands euer Leben gelassen und die Zeit der Einigung für Deutschland heraufführen helfen! Ruhet in Frieden in unserer Mitte! Wir alle Ortsansässigen werden auch treue Wächter sein!
Und eueren wackeren Nachfolgern von heute im deutschen Heere, wo Bayern und Preußen, Sachsen und Württemberger und Söhne aller deutschen Stämme Schulter an Schulter, ein einzig Volk von Brüdern kämpfen gegen eine Welt von Feinden in West und Ost und Nord, möge Gott glorreichen Sieg verleihen! Gott mit uns!
Ein weiterer Augenzeugenbericht
Aus den Heimatglocken für Gehaus vom Juli 1916
Im folgenden drucken wir den authentischen Bericht eines Zeitgenossen von 1866 ab, den uns Herr Lehrer K. Tischer in Sondheim, aus eigenen Erlebnissen und nach einem s. Z. im „Eisenacher Kreisblatt“ erschienenen Aufsatz gütigst zur Verfügung gestellt hat:
„Am vergangenen Sonntag, den 1. Juli, gegen Mittag rückte ein Teil der bayerischen Armee von Roßdorf bis Dermbach vor, 3-4.000 Mann, während die Hauptmacht derselben angeblich noch in der Gegend von Wasungen, Wernshausen u. s. w. stand. Jedoch in der Nacht vom 2.- 3. Juli gingen diese Truppen von Dermbach über Wiesenthal nach Roßdorf zurück, da man hörte, daß preußisches Militär bereits im Anzug und bis Urnshausen vorgerückt sei. Nachdem nun die preußischen Truppen Dienstag früh Dermbach besetzt hatten, wechselten in Wiesenthal preußische und bayrische Patrouillen, und es schien, als wenn der Kampfplatz in unsere Nähe fallen würde. So fand unweit Dermbach, bei Glattbach, ein kleines Vorposten Gefecht statt, und Dienstag Abend rückten gegen 1.000 Mann bayerische Truppen von Roßdorf her in Wiesenthal ein. Dieselben wurden eines Teils einquartiert, und der andere Teil biwakierte im und um das Dorf, während die Hauptmacht in Roßdorf und andern naheliegenden Orten lag. Mittwochs früh 8 Uhr hatten sich bereits die in Wiesenthal biwakierenden Truppen aufgestellt ober- und unterhalb des Dorfes, und gleichzeitig wurden nun durch Generalmarschschlagen die in Roßdorf liegenden Truppen gesammelt, welche dann gegen ½10 Uhr gegen Wiesenthal mit sämtlichen Geschützen und Munitionswagen verrückten. Es entspann sich gegen 10 Uhr eine furchtbare Kanonade; denn die bayerische Armee mit ohngefähr 50 – 60 Geschützen und 15. – 18.000 Mann eröffnete durch 3 Kanonenschüsse den Kampf. Zu gleicher Zeit hörte man die von Dermbach anrückenden preußischen Truppen, ohngefähr 3. – 4.000 Mann, diese Begrüßung erwidern, und im Zeitraum von einer Stunde waren die bayerischen Truppen ½ Stunde weit zurückgeworfen! Diese nahmen nun eine feste Stellung an dem zwischen Roßdorf und Wiesenthal liegenden bewaldeten Nebelberge, wurden jedoch bald, nachdem es zu kleinem Gewehrfeuer gekommen war, von hier aus bis Roßdorf zurückgeworfen und nahmen abermals oberhalb der Kirche in einem Hohlweg eine feste Stellung. Um nicht durch Umgehung von ihrer Artillerie abgeschnitten zu werden, zogen sich die preußischen Truppen unter fortwährendem Bombardement nach und nach zurück und die bayerischen Truppen retirierten durch Roßdorf bis in die Gegend von Eckarts und zogen noch denselben Abend über Kloster Sinnershausen, Hümpfertshausen und Oberkatz ab. Hiermit war denn der blutige Kampf zu Ende, bei dem Roßdorf ganz und gar verschont blieb, während in Wiesenthal eine Granate in ein Wohnhaus einschlug. Übrigens sind die Felder der beiden Orte grenzenlos verwüstet, so daß der Landmann mit Tränen im Auge auf die schönen Fluren blicken muß. Die Zahl der Toten und Verwundeten von beiden Seiten ist bis jetzt unbekannt; jedoch hat Bayern derselben mehr als Preußen. Gleichzeitig fand auch der Kampf zwischen Neidhartshausen und Zella statt.
Nachträglich wird noch hinzugefügt, daß der zweite Lehrer vom 3. bis 4. Juli in der Kirche, teils auf der Straße als bayerischer Arrestant unter Wache gestanden hat; dem Ortsgeistlichen wurden alle in dem Keller geborgenen Fleischwaren genommen, auch waren Knöppel und Stränge von den Kirchenglocken abgeschnitten.“
Der historische Hintergrund
Am 11. Juni 1866 forderte Österreich im Bundestag zu Frankfurt a.M. „zum Schutze der inneren Sicherheit Deutschlands und der bedrohten Rechte seiner Bundesglieder? die Mobilmachung der sieben nichtpreußischen Bundeskorps zum Bundeskrieg gegen Preußen. Für Preußen bedeutete dieser Antrag ein Bruch des Bundeshauptes, denn nach dem Bundesrecht gab es einen Bundeskrieg nur gegen einen äußeren Feind, aber niemals gegen ein Bundesmitglied. Der österreichische Antrag wurde am 14. Juni von der Mehrheit des Bundestages mit 9 gegen 6 Stimmen angenommen. Preußen richtete daraufhin am 16. Juni eine Note an die norddeutschen Staaten, konnte aber nur einige militärisch unbedeutende Länder als Verbündete gewinnen. Der Krieg bedeutete das Ende des 1815 gegründeten Deutschen Bundes.
Der Deutsche Krieg wird in unserer Zeit häufig als „Deutsch-Österreichischer Krieg“ oder auch als „Preußisch-Österreichischer Krieg“ ausgegeben, diese Bezeichnungen sind aber eindeutig falsch. Das Königreich Preußen führte offiziell Krieg gegen den Deutschen Bund, deshalb bezeichneten zeitgenössische Historiker diesen Krieg auch als Preußisch-deutschen Krieg bzw. als Deutschen Krieg.
Die Ursachen des Krieges lagen in der Rivalität zwischen den deutschen Großmächten Österreich und Preußen, die seit dem Emporkommen Preußens unter Friedrich des Großen bestand und daher jeden Versuch einer Einigung Deutschlands vereitelten. Schon 1848 gab es Bestrebungen diesen hinderlichen Dualismus zu beseitigen. Die preußische Politik strebte durch Ausschluss Österreichs aus dem Deutschen Bund die Vorherrschaft über Deutschland zu gewinnen. Diese politische Richtung wurde mit dem Namen „kleindeutsch“ belegt, während die auf Erhaltung des Bundes gezielte Richtung „großdeutsch“ genannt wurde. Letztendlich ging es, wie bei fast jedem Krieg, hauptsächlich ums Geld. Preußen, als stetig wachsende Wirtschaftskraft, war für den Freihandel im Deutschen Zollverein, ohne den österreichischen Teil selbstverständlich. Den Freihandel konnten die kleineren deutschen Staaten nicht hinnehmen, da sie sonst in Abhängigkeit zu Preußen geraten wären. Der österreichische Sondergesandte Karl Ludwig Freiherr von Bruck versuchte während den Berliner Verhandlungen die gesamte Donaumonarchie im Deutschen Zollverein zu integrieren. Das konnte wiederum Preußen nicht zulassen, denn dann wäre man der wirtschaftlich Unterlegene gewesen und das nicht nur in der Industrieproduktion, sondern insbesondere die ungarischen Agrarprodukte hätte die ostelbische Landwirtschaft ruiniert. Und so wurde der Krieg, ganz im Sinne von Clausewitz, nur noch die Fortsetzung dieser Politik mit anderen Mitteln.
Seit dem Wiener Kongress (1814-15) waren die Verhältnisse der deutschen Länder so geordnet, dass die einzelnen souveränen Staaten, unter denen Osterreich von selbst den Vorrang hatte, im Frankfurter Bundestag vertreten waren und dass dieser Deutsche Bundestag über gemeinsame Interessen zu entscheiden hatte. So war die Theorie. Tatsächlich aber hatte der Bundestag nur eine geringe Autorität, in der Hauptsache taten wenigstens die größeren Staaten, was sie wollten. Gerade ein halbes Jahrhundert lang zog sich dies Elend hin und der Bundestag war schon zum Gespött der Welt geworden.
Die österreichische Armee besaß von den Kämpfen der Jahre 1848/49 und 1859 her eine weitaus größere Kriegserfahrung als die preußische Armee und die Zeitgenossen maßen dem eine große Bedeutung bei. Im Sommer 1866 zeigte es sich dann aber von Anfang an, dass die zweckmäßigere und gründlichere Ausbildung der preußischen Soldaten und Offiziere viel stärker ins Gewicht fiel als die Kampferfahrung der Osterreicher. Den österreichischen Oberbefehlshaber Benedek kannte man in ganz Europa, und er galt allgemein als ein bedeutender Feldherr. Moltke hingegen war für die Öffentlichkeit ein unbeschriebenes Blatt und selbst ein Teil der preußischen Generale hielt wenig von seinen Fähigkeiten.
Österreichische Politiker und Journalisten wurden nicht müde zu fabulieren, die Armee ihres Landes werde 800.000 – 900.000 Mann ins Feld stellen und die zahlenmäßig viel schwächeren Preußen erdrücken. Das wurde allgemein für bare Münze genommen, hatte Österreich doch doppelt so viele Einwohner wie Preußen und deshalb eine weitaus höhere Rekrutierungsquote. Österreich musste aber eine große Armee gegen die Italiener bereitstellen, auch brauchte es für „unruhige? Gebiete wie Ungarn starke Besatzungstruppen, ebenfalls herrschte in seiner Militärbürokratie große Unordnung. Die Folge: Im Juni 1866 erschienen auf dem Hauptkriegsschauplatz Böhmen nicht mehr als 248 000 Mann österreichischer Kampftruppen, dafür aber 278 000 Preußen.
In der entscheidenden Schlacht zwischen Preußen und Österreich am 3. Juli 1866 bei Königsgrätz (Hradec Kralove) siegte Preußen. Durch sein rasches Vorgehen hatte sich Preußen aber auch gegenüber den deutschen Mittelstaaten in Vorteil gesetzt. Obwohl es nur drei Divisionen (Goeben, Manteuffel und Beyer), rund 45.000 Mann (preußische Mainarmee) unter dem General Vogel von Falckenstein verwendete, so erreichte es damit doch völlig seinen Zweck. Die Mittelstaaten hatten nicht ernsthaft an die Möglichkeit von Kriegshandlungen geglaubt und sich nur unvollkommen vorbereitet. Die hannoversche Armee hatte sich zwar noch rechtzeitig bei Göttingen gesammelt, war dann aber zwischen Harz und Thüringer Wald tagelang hin und hergezogen, um die Ankunft des bayrischen Heeres zu erwarten. Während das bayrische Heer auf die Ankunft der Hannoveraner südlich des Thüringer Waldes hoffte, kam es am 27. Juni 1866 zum blutigen Gefecht bei Langensalza (Regierungsbezirk Erfurt) das mit der hannoverschen Kapitulation am 27. Juni endete. Hierauf rückte Falckensteins Truppen am 2. Juli über den Thüringer Wald gegen die Bayern vor. Die Bayern, rund 40.000 Mann stark und unter dem Kommando des Prinzen Karl von Bayern waren grade im Begriff sich vom Tal der Werra dem der Fulda zu zuwenden, um sich mit den Württembergern, Hessen, Badenern und Österreichern gebildete 8. Bundeskorps zu vereinigen, als die Preußen bei Dermbach/Wiesenthal (Großherzogtum Sachsen-Weimar-Eisenach) die Bayern zum Gefecht stellten, worauf sich die Bayern durch die Rhön hinter die Fränkische Saale zurückzogen. Die Bayern wichen weiter nach Westen aus. Falckensteins Truppen erzwangen am 10. Juli die Saalübergänge bei Hammelburg und Kissingen (Königreich Bayern), wo es zu einem blutigen Gefecht kam, wandten sich plötzlich nach Westen den Main abwärts gegen das 8. Bundeskorps, schlugen am 13. Juli die Hessen bei Laufach, zersprengten am 14. Juli bei Aschaffenburg die österreichische Brigade Neipperg und besetzte am 16. Juli die Stadt Frankfurt. Hier wurde Falckenstein abberufen und Manteuffel zum Oberbefehlshaber der preußischen Mainarmee ernannt. Dieser bekam den Befehl in Süddeutschland so weit wie möglich vorzudringen, während gleichzeitig eine aus preußischen und mecklenburgischen Truppen gebildete Reservearmee unter dem Großherzog von Mecklenburg in das bayrische Oberfranken einrückte. Manteuffels Truppen marschierten am linken Mainufer den Bayern und Bundestruppen entgegen. Manteuffels Plan, seine Truppen zwischen beide zu schieben und sie einzeln zu schlagen, wurde zwar durch Goeben vereitelt, der am 24. Juli bei Werbach und Tauberbischofsheim sich mit solcher Wucht auf die Badener und Württemberger warf, dass Prinz Alexander von Hessen mit seinem 8. Bundeskorps sich sofort nach Würzburg, den Bayern entgegen, zurückzog. Am 25. Juli kam es zum Gefecht bei Gerchsheim, Prinz Alexanders Truppen wichen hinter das rechte Mainufer aus, wo sich das ganze Korps auflöste. Die Bayern leisteten am 25. und 26. Juli beim Helmstadt und Roßbrunn den Divisionen Beyer und Flies hartnäckigen Widerstand, zogen sich dann aber auch nach Würzburg zurück. Jetzt beeilten sich die süddeutschen Regierungen, ebenfalls in Nikolsburg (Mähren) von Preußen einen Waffenstillstand zu erlangen, der ihnen am 2. August gewährt wurde.
Inzwischen war am 27. Juli in Nikolsburg Vorfrieden zwischen Preußen und Österreich zustande gekommen, der Österreich verpflichtete, der Auflösung des Deutschen Bundes zuzustimmen, Venetien an Italien abzutreten, seine Rechte in Schleswig-Holstein an Preußen abzutreten, 20 Millionen Taler Kriegsentschädigung zu zahlen und die von Preußen in Norddeutschland herzustellenden neuen Einrichtungen, einschließlich der Territorialveränderungen (von denen nur das Königreich Sachsen ausgeschlossen war), anzuerkennen.
Hinsichtlich der Neuordnung der Verhältnisse in Deutschland beanspruchte Preußen über Nord- (und Mittel-) Deutschland die uneingeschränkte Herrschaft. Es war fest entschlossen, nicht nur Schleswig-Holstein und die norddeutschen Staaten, die am Krieg teilgenommen hatten, Hannover, Kurhessen, Nassau und Frankfurt a.M. seinem Gebiet einzuverleiben, sondern auch sämtliche Staaten nördlich der Mainlinie zu einem staatlichen Gemeinwesen, dem Norddeutschen Bund, zu vereinigen. Preußische Truppen besetzten im Juli die meiningische Exklave Camburg und am 19. September das Herzogtum Sachsen-Meiningen und die Stadt Meiningen. Herzog Bernhard dankte daraufhin ab und sein Sohn, Herzog Georg, schloss am 8. Oktober Frieden mit Preußen. Preußen okkupierte auch das kleine Fürstentum Reuß ältere Linie. Erst am 26. September 1866 schloss die reußische Regentin Caroline Frieden mit Preußen und übergab das Regierungsamt ihrem Sohn Fürst Heinrich XXII. Das kleine Land (2 Städte und ein paar Dörfer) musste die enorme Summe von 100.000 Talern (manche Quellen sprechen sogar von 200.000) Kriegsstrafe zahlen und dem Norddeutschen Bund beitreten. Bismarck wollte zunächst die zwei preußenfeindlichen Länder ganz auflösen und erst die Fürsprache des Großherzogs Carl Alexander von Sachsen-Weimar-Eisenach bei seinem Schwager König Wilhelm von Preußen sicherte den Fortbestand dieser.
Am 23. August wurde der endgültige Frieden mit Österreich in Prag abgeschlossen. Der Friedensschluss zwischen Österreich und Italien fand am 1. Oktober statt. Die besiegte Donaumonarchie überließ die Vorherrschaft in Deutschland Preußen. Der Deutsche Bund wurde aufgelöst, und das Habsburgerreich schied damit völlig aus dem deutschen Staatsverband aus. Die drei Herrscher, der König von Hannover, der Kurfürsten von Hessen-Kassel und der Herzog von Nassau wurden von ihren Thronen verjagt und ihre Länder dem preußischen Staat einverleibt. Wenn Bismarck gegenüber Osterreich und auch gegenüber den süddeutschen Staaten Milde walten ließ, dann war das nicht zuletzt aus seiner Besorgnis vor einem Eingreifen des bonapartistischen Frankreich zu erklären, das er um die versprochenen linksrheinischen Gebiete „geprellt“ hatte. Frankreich war vor dem Krieg allgemein als die politisch und militärisch führende Macht Europas angesehen worden und sah sich nun infolge der preußischen Siege auf den zweiten Platz verwiesen. Seine herrschenden Kreise waren aber nicht gewillt, das hinzunehmen. Ihre Parole lautete: „Rache für Sadowa!“ (die Franzosen, für die das Wort „Königgrätz“ ein Zungenbrecher ist, benannten die Entscheidungsschlacht vom 3. Juli 1866 nach dem Dorf Sadowa). Zunächst versuchte Louis Napoleon, das Großherzogtum Luxemburg zu kaufen. Das gelang ihm nicht, da Bismarck es verhinderte. Ebenso wenig glückte ihm sein Abenteuer in Mexiko. Mit dem bewussten Zweck, den französischen Einfluss in Amerika zu stärken, hatte Louis Napoleon eine Eroberung Mexikos begonnen. Seinen französischen Truppen hatte er, Ironie des Schicksals, einen deutschen Fürsten, den Habsburger Maximilian, als Monarch mitgegeben. Maximilian hatte zuerst Erfolg und wurde zum Kaiser von Mexiko ausgerufen. Da sich aber die Vereinigten Staaten einmischten, die nach Beendigung des langwierigen Bürgerkrieges die Hände frei hatten, und da, von Washington aus ermutigt, General Juarez mit einheimischen Streitkräften die Lage beherrschte, sah sich Maximilian sehr bald auf die Stadt Mexiko und Umgebung beschränkt. Im Jahre 1868 nahte die Katastrophe. Der Kaiser von Napoleons Gnaden wurde gefangen genommen und erschossen.
Nachdem Bismarck mit der österreichischen Regierung Frieden geschlossen hatte, verständigte er sich auch in Preußen mit seinen Widersachern. Er leitete dem Abgeordnetenhaus die so genannte Indemnitätsvorlage zu, in der seine Regierung eine nachträgliche Bewilligung jener Geldmittel beantragte, die sie seit 1862 verfassungswidrig ausgegeben hat. Die Mehrzahl der liberalen Abgeordneten stimmte der Vorlage am 3. September 1866 zu.
Noch im Herbst 1866 wurden alle deutschen Staaten nördlich des Mains zum Norddeutschen Bund zusammengeschlossen. Oberhaupt („Präsidium“) des mächtigen neuen Staates wurde König Wilhelm, Bundeskanzler Bismarck. Das „Präsidium“ Wilhelm besaß laut Verfassung des Norddeutschen Bundes eine enorme Machtfülle. Es führte den Oberbefehl über die Streitkräfte, leitete die gesamte Außenpolitik und ernannte den Bundeskanzler. Jedermann wusste aber, dass in Wirklichkeit Bismarck die politischen Entscheidungen fällte. Bis in die Einzelheiten hinein war der Norddeutsche Bund somit ein Modell für das wilhelminische Kaiserreich, das 1871 gegründet wurde. Bismarck hatte einen großen Schritt hin zur Errichtung eines, wie ihn die Historiker nennen, „kleindeutschen Nationalstaates“ getan.
Der Bruderkrieg 1866 in der Rhön
Hamm: Kampfhandlungen während des Bruderkrieges 1866 in der Rhön
Bilder und Karten
Bücher und DVD über Geschichte, Landschaft und Kultur der Rhön und Thüringens
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