Die fürstgräflich Hennebergische Wildbahn im Tullifeld
Die vorherigen Abschnitte (Nr. 24 und 25 dieses Hefts) haben uns mit dem Forst- und Jagdwesen des „östlichen Tullifeld“ bereits etwas bekannt gemacht; eine Verbindung von Waldpflege und Jagdbetrieb ist altherkömmlich, ist natürlich. So dürfte folgender Abschnitt auch in unsere Umschau passen.
In dem „Hennebergischen Urkundenbuch“ findet sich unter der Bezifferung CXXVIII eine Urkunde dato Schmalkalden 1330, August 10., die wir besonders als Zugabe zu den Abschnitten über „Jagdschloß Zillbach und Bleß“ auszugsweise hier anfügen; dieses Dokument ist ein weitläufiges, wesentlich in Latein abgefaßtes Schriftstück. Das Urkundenbuch giebt den Inhalt kurzüberschriftlich deutsch an: „Ludwig und Syboth von Frankenstein verkaufen dem Grafen Berthold von Henneberg ihre sämtlichen, dem Stift zu Hersfeld zu Lehn gehenden Orte und Güter nebst der Wildbahn.“ Die Schrift beginnt:
,,Nos Lüdwicus et Sibolo etc. de Frankinsteyn« und bringt die vollständigen Namen der Vertragsschließenden und der von ihnen erwählten Zeugen, auch nähere Angabe der Kaufobjekte wie deren Zugehörungen; wir heben von den die „Wildbahn“ d. h. alle ihre Jagdgrenzen bezeichnenden Ortschaften und deren Waldstrecken und Fluren, von Bergen und Gewässern dabei nur folgende namentlich heraus: „Salczungen, die Sylche (ein Wasser), aqua Werra, cymiterium Husin (s. Heft I. S. 19), Volkinrode, Leymbach, Tyffinhart (Tiefenort), Tütelin (Dietlas), Esschinbruckin, villam Grübe, Schalkislohe, item villam dictam zü dem Schorne, Merberterrode, Hildegerode, Kyssilnbach, Berka, Ysenacum (Eisenach), Stetevelt, Cyginberg, Rammisleybin (Ramsborn?), Brandinvels, Madelungen, Blancstrüt (Lanbstreit?), Newinhain (Neuenhof?), Wechmar, Gundirsleiben, yn Yngirsleybin, yn Kolrestete, yn Wolffezze, Allirleybin (Ellersleben?), Swartzbürg, juxta Kranichuelt, Aldindorff, montem Plesse (Bleßberg), Schneckinhusin et villam Plesse (s. Heft I. S. 19,) Lengevelde (Langefeld), Chaldinbrün (Kalteborn), Mitilnrona (zw.. Ober- und Unterrohn?), Chalinberg, Chüfpirsule (Kupfersuhl), More (Möhra), Hohinsweina (Oberschweina a. Altenstein, Reckincelle (?), Barchuelt (Barchfeld), Kolgrube, Warte (Todtenwarth?), item Cylbach dimidium (Kleinzillbach), in mynori Vanebach (Kleinfambach), item in Swerstete (?), item villam Lyndinowe (Lindenau), Völkirshusen et dicti Swinrüdin, Creyenberg, Gozprethrode (Gospenrode), Rynowe (Rüna b. Berka a./W.), Betmershüsen, Windisschen Sula (Wünschensuhl), item Herde, Heringen item Wilungis (Willershausen in Hessen?), villam Grübe, in villam Türws, item Kyrnsauge apud pontem castri dicti Greftüngin (Gerftungen ?), Eydindorff (b. Eiderfeld?), item judicium in Olfna (Ulfen in Hessen?), ab ecclesia predicta Hers- veldensi (qui volgaliter dicuntur die wiltbane), item de Steyn- buhil usque in Fürchte (Förtha, Furth 1073 an der Eltte) in strata de Furche sursum (aufwärts) at montem, pui dicitur „zu dem Kyslinge et ulterius sursum de Rinnestig (Rennsteig) usque (bis) . . . Emmiseberg (?), Nesselberg in Eckerichs (Eckarts?) . in Kaldinlengsfelt et per (u. durch) ligna dicta „daz Eynote“ usque in Vispach (Fischbach) et aquam dictum „die Velda“ . . . usque ad iluvium di Wlstre“ (Ulster) usque „Rosseberg in Kalbach“ (Kohlbach), et sic deorsum (so abwärts bis) in Mansbach . . ., in Eyboldishusen (Heimboldshausen) ad illud vadum (bis zu jener Furt) aque Werra“ u. s. w. (Schluß): In cujus rei testimonium presentes ipsis sigillis . . . Datum Smalkalden anno domini M°ccc°xxx. etc.“
Nach diesen Andeutungen aus der großen Urkunde darf man schließen: 1., daß das Fürstlich Hennebergische Wild- und Jagdgebiet Bertholds VII (s Heft II. S. 7) sich durchs ganze Tullifeld und nördlich wie östlich darüber hinaus erstreckte, so daß man Grafen Berthold einen gewaltigen „Wildgrafen“[1] nennen konnte. 2., daß es ihm an Jägern, Wildmeistern u. Landjägermeistern nicht mangeln durfte, wenn die unliebsamen, oft kostspieligen Jagd- bzg. Schußberechtigungs-Prozesse u. dergl. vermieden oder fest entschieden werden sollten, (s. Heft II. S. 36 Anden– u. S. 88. Schafhausen). Die weiten, dichten Waldungen jener Zeit waren, wie mehrfach schon bemerkt, reich an Wild verschiedener Art, an gefährlichem Grob- und verlockendem Edelwild. Niedere und hohe Jagden standen dem Grafen zu.
Wie wagnisvoll, Wald und Flur durchstürmend, waren die Parforce- oder Hetzjagden; (Wild und frohnpflichtige Treiber wurden oft todmatt gehetzt)! Das aber hinderte die alten Jagdritter keineswegs, dergleichen Waidmannsfeste öfters zu veranstalten. (Aus Dr. Götzingers Reallexikon: „Karl der Große wendete der Jagd große Aufmerksamkeit zu, so daß die Jagd von jetzt an mehr kunstgemäß betrieben wurde; es wurden Jagdgehege angelegt, vorzüglich in den Sümpfen und Niederungen und mit Bohlen eingezäunt; eine Schonzeit wurde festgesetzt. . . . Zu Karls Hofstaate gehörten Pirschmeister, Aufseher über die Wind- und andern Jagdhunde, Biber-, Fuchs- und Dachsjäger. Man unterscheidete Pirsch-, Hetz-und Falkenjagd. Die Jagd war nicht blos eine Kurzweil, sondern ein notwendiger Krieg gegen reißende Tiere und eine notwendige Anstalt, Fleisch in die Küche zu liefern; im Mittelalter war das Fleisch der Haustiere noch wenig beliebt. . . .· Enger mit der Jagd selbst verknüpft sind die alten „Weidspriiche und Jägerschreie“, die man in Grimm’s ,,Altdeutschen Wäldern“ Band 3 gesammelt findet.“)
aus
C. E. Bach
„Im Tullifeld“
Eine historisch-landschaftliche Umschau in engerer Heimat
– der Vorderrhön –
[1] Die „Holzgrafen“ mittelalterlicher und früherer Zeit waren eine Art Oberforstmeister; man hatte auch Lehn-, Salz- und Teich-, ja sogar Stallgrafen (Oberstallmeister). Die Wic– oder Dorfgrafen (abgeleitet von vicux od. viculus=Dörfchen) sind nicht mit den Centgrafen zu verwechseln; letztere hießen auch Dingsgrafen, =Gerichtsbeamte.
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