J. S. Bach: Triosonate G-dur BWV 530 für Orgel
Diese Sonate hat für mich, außer im Klagegesang des mittleren Satzes, einen eindeutig tänzerischen Charakter, so habe ich – im Unterschied zu den meisten Interpretationen – ein relativ beschwingtes Tempo für die Ecksätze gewählt.
Zu den Sonaten selbst gibt es eine gute Analyse unter www.bachs-orgelwerke.de die ich als PDF anbieten kann. Weiterhin zitiere ich mangels ausreichend eigener Kompetenz das in der „Einführung in das Gesamtwerk von Johann Sebastian Bach“ der Internationalen Bachakademie Stuttgart aus dem Jahre 2000 gesagte:
Mit seinen 6 Sonaten à 2 Clav: et Pedal (= Triosonaten für Orgel) (BWV 525 – 530) knüpfte Johann Sebastian Bach an die große Tradition der barocken Triosonate an, als deren Inbegriff die 48 formvollendeten Kirchen- und Kammersonaten Arcangelo Corellis (1653 – 1713) gelten. Doch die übliche Besetzung – 2 Soloinstrumente und Generalbass – behielt Bach nur in wenigen Fällen bei. In seinem wie immer kreativen Umgang mit tradierten Formen schrieb er vielmehr als erster und einziger Komponist des Barockzeitalters Triosonaten für ein Soloinstrument (Violine, Flöte, Gambe) und obligates Cembalo, mit einer Melodiestimme in der rechten und der Bassstimme in der linken Hand.
Diesen instrumentalen Sonaten sind die Sonaten für Orgel stilistisch am nächsten verwandt – aber Bach wäre nicht Bach, würde er nicht auch in diesem Zyklus ganz Neues und Individuelles schaffen und so die Entwicklung von der ‘klassischen’ Triosonate über die Solosonate mit obligatem Cembalo noch hinausführen: Die Sonaten für Orgel sind Gipfelpunkte des instrumentalen Triospiels schlechthin. So bringt Bach neben der Tradition der Triosonate das italienische Solokonzert ebenso mit ein (in der dreisätzigen Anlage mit der Folge schnell-langsam-schnell, in Solo-/Tutti-Kontrasten u. a. mehr) wie Elemente der dreistimmigen Choralbearbeitung in Form eines Trios oder auch der französischen Orgelmessen mit ihren Triosätzen; außerdem sind in der stilistischen Vielfalt der Sonatensätze Tanz-, Lied-, Rondo- und Arienformen vertreten: Ähnlich wie in sonstigen Werkzyklen wie vor allem den Sonaten, Partiten und Suiten für Violine solo bzw. Violoncello solo war Bachs Anliegen auch hier offensichtlich, alle nur denkbaren Möglichkeiten einer Gattung auszuschöpfen und in der Art eines umfassenden Kompendiums vorzulegen. Nicht nur die unterschiedlichsten Satztypen sind hier zusammengestellt, sondern auch verschiedene Arten der thematischen Arbeit; polyphone Abschnitte wechseln mit homophonen, konzertierende mit liedartigen, sodaß beim Hörer der Eindruck der Mannigfaltigkeit und lebendigen Abwechslung vorherrscht.
Ein Kompendium des Triospiels auf der Orgel sind die Sonaten bis heute geblieben. An ihnen führt kein Weg vorbei, will man die Kunst des vollendeten Orgelspiels erlernen, speziell des gleichmäßigen Anschlags beider Hände und Füße sowie der Unabhängigkeit der Stimmen, die für die durchsichtige Darstellung der polyphonen Linien unabdingbare Voraussetzung ist. In der Gleichberechtigung der Stimmen, insbesondere der beiden Oberstimmen, geht Bach weit über alle anderen Komponisten hinaus. So rühmte auch Albert Schweitzer die Sonaten als die beste nur denkbare Orgelschule, und Hermann Keller empfahl sie allen Organisten als Pendant zu Chopins Etüden für Pianisten, als ‘Hohe Schule’ des Orgelspiels. Wie diese ‘Etüden’ ja keine ‘Übungsstücke’ im wörtlichen Sinne sind, sondern Kunstwerke ersten Ranges, so sind auch die Sonaten Meisterwerke der absoluten Musik – wenngleich sie ursprünglich aus pädagogischem Interesse zusammengestellt wurden, wie Johann Nikolaus Forkel in seiner 1802 veröffentlichten Bach-Biographie berichtet: ‘3) Sechs Sonaten oder Trio für zwey Claviere mit dem obligaten Pedal. Bach hat sie für seinen ältesten Sohn, Wilh. Friedemann, aufgesetzt, welcher sich damit zu dem großen Orgelspieler vorbereiten mußte, der er nachher geworden ist. Man kann von ihrer Schönheit nicht genug sagen. Sie sind in dem reifsten Alter des Verfassers gemacht, und können als das Hauptwerk desselben in dieser Art angesehen werden (Es folgen als Notenbeispiele die ersten Takte der 6 Sonaten). Mehrere einzelne, die noch hier und da verbreitet sind, können ebenfalls schön genannt werden, ob sie gleich nicht an die erstgenannten reichen. (Forkel spricht hier von einigen einzeln überlieferten Triosätzen Bachs, Anm. d. Verf.).’
Da Forkel das Leben Bachs in engem Kontakt mit dessen Söhnen beschrieb, folgt die Bach-Forschung dieser Darstellung bis heute. Bach stellte demnach um 1727/30 die Sonaten aus pädagogischen Gründen zusammen, teils nach älteren Vorlagen, teils als Neukompositionen. Sie sind vor allem in zwei Manuskripten aus dem Besitz der beiden ältesten Bach-Söhne überliefert. In Friedemanns Manuskript sind die ersten vier Sonaten von ihm und nur die beiden letzten vom Vater und von Anna Magdalena Bach geschrieben; im Vergleich zum ganz autographen Exemplar Carl Philipp Emanuel Bachs fällt die sehr viel größere Anzahl der Verzierungen auf. In diesem autograph erhaltenen Manuskript sind die einzelnen Stücke jeweils als ‘Sonata à 2 Clav: et Pedal’ bezeichnet; ein Titelblatt fehlt. Der spätere Besitzer des Autographs G. Poelchau (1773–1836) fügte ein solches hinzu, auf dem er die Sonaten als ‘Sechs Orgel-Trios für zwei Manuale mit dem obligaten Pedal’ charakterisierte. Wegen der Einzeltitel im Autograph wollten manche Forscher die Sonaten dem häuslichen Übinstrument, dem Pedalcembalo, zuordnen. Viele Indizien deuten jedoch auf ihre Bestimmung für die Orgel hin, so zum Beispiel deren größerer Reichtum an Klangfarben, vor allem aber auch die häufigen Orgelpunkte in einer Stimme zu Figurationen der anderen: Der flüchtige Ton der angerissenen Saite des Cembalos würde hier allzu rasch verklingen.
Obwohl in einem einheitlichen Manuskript zusammengestellt, sind die Stücke – wie bereits angedeutet – keineswegs gleichzeitig entstanden, sondern gehen zum Teil auf frühere Kompositionen, zum Beispiel aus dem Wohltemperierten Klavier oder aus Kantate 76 (BWV 528, 1. Satz) zurück. Die letzte Sonate, G-Dur, BWV 530 ist offenbar als einzige ganz für diese Sammlung komponiert worden. Dies bedeutet, daß das Unisono zu Beginn beabsichtigtes Stilmittel der vollendeten Kompositionskunst des Verfassers ist und nicht etwa Zeichen mangelnder Reife!
Die Sonaten wurden von Anfang an und zu allen Zeiten gerühmt, selbst als Bachs sonstiges Schaffen für überholt erachtet wurde. Ihre Wertschätzung zeigte sich sowohl an zahlreichen Abschriften und Bearbeitungen, darunter Mozarts Fassung für Streichtrio oder Samuel Wesleys für Klavier zu 3 Händen, als auch an rühmenden Worten der Forscher vom 18. Jahrhundert bis zur Gegenwart.
Sicherlich geht diese Wertschätzung nicht nur auf die Kompositionskunst Bachs zurück, sondern auch und vor allem auf die spezifische Tonsprache der Stücke, die selbst unter Bachs Orgelwerken einzig dasteht: Die Sonaten sind geistreiche Kammermusik, mit eleganten oder auch klagenden Melodien, voll Charme und Witz. Sie sprechen sehr beredt für sich selbst, ohne Assoziationen an Texte oder an Bachs sonstiges Schaffen. Dabei ist die Sprache dem Instrument
vollendet angepasst, die Transparenz der Polyphonie unerreicht. Nicht umsonst pries man die Sonaten schon früh als ‘galant’, womit wohl intuitiv dieser besondere, sehr zukunftsweisende, ja fast ‘moderne’ Stil erfasst ist.
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Sonate VI G-Dur (BWV 530)
Wie bereits erwähnt, deuten die Quellen darauf hin, daß Bach die Sonate eigens für den Zyklus komponierte und diese Sonate für Orgel somit als Inbegriff der Gattung angesehen werden kann.
1. Satz Vivace – eine Art Trio für zwei Instrumente und Continuo in der Form eines Konzerts. Die vier Hauptsätze mit Durchführungscharakter sind in freie, homophone Zwischenspiele eingebettet. Die Themen des Haupt- wie des Seitensatzes werden in weit ausgreifenden Modulationen durchgeführt und miteinander verknüpft.
2. Satz Lente – ein liedartiger Satz von ausgeprägter Haltung des Klagegesangs (vgl. die ‘Erbarme dich’–Arie aus der Matthäus-Passion), obgleich im Rhythmus eines Siciliano (6/8). Das allgemeine menschliche Leiden ist ohne falsches Pathos ausgedrückt und sicherlich für jeden Hörer unmittelbar deutlich und anrührend.
3. Satz Allegro – Auch hier folgt (wie in BWV 525) ein fröhlich-beschwingter Finalsatz als effektvoller Kontrast zum vorausgehenden Lamento. Die formale Anlage ist deutlich dreiteilig und von vollendeter Symmetrie: Hauptsatz (1. Thema) – Seitensatz (2. Thema) – Hauptsatz (Reprise der Exposition mit vertauschten Stimmen): ABA CAC ABA.
Elsie Pfitzer
Benötigt habe ich für diese Produktion an Software: