Die Lichtenburg

(477 m)

Vor dem über 500 m. hohen, reich bewaldeten „Höhn“ hebt sich auf lichter Höhe hervor die Lichtenburg, dreiviertel Stündchen nördlich von der unten im Streugrund[1] gelegenen, freundlichen Stadt Ostheim. Schneider schreibt: Die Burg wurde im Bauernkriege zerstört und sogleich wieder aufgebaut, 1672 neu befestigt, war der Sitz des Amtes Lichtenberg bis 1680, doch wohnte der Amtsvogt auf der Burg bis 1811. Die Gebäude wurden durch Private sehr ruinirt. Das alte Thor trägt die Jahreszahl 1613.« – Aus einer „Beschreibung der Lichtenburg“, welche die Rhönclub-Section MelIrichstadt-Ostheim zum 4. August 1878 der Generalversammlung als Festgabe erscheinen ließ, könnten wir auch das Wichtigste über Entstehung und Verfall der alten Burg, wie über die Ausbesserung ihrer Ruine noch mitteilen; doch schließt ja Binders ausführliche und gründliche Geschichte des ehemaligen Amtes Lichtenberg Alles so genügend in sich. Vorerwähnte „Rhönclubschrift“ meint auch, daß die Lichtenburg wahrscheinlich zu Ende des 11. und zu Anfang des 12. Jahrhdts entstanden ist. So heißt es unter Anderm in der Beschreibung: »Die Aebte von Fulda übertrugen von Zeit zu Zeit die Burghut verschiedenen, in der Gegend angesessenen Rittern; ein jeder derselben erhielt für Bewehrung der Burg vom Stifte 100 Pfund Heller und machte dagegen seine eigentümlichen Güter dem Stifte dafür lehnbar. 1366 verkaufte Abt Heinrich zu Fulda das Schloß Lichtenburg sammt der halben Stadt Satzungen an die Landgrafen zu Thüringen: Friedrich, Balthasar und Wilhelm für 6000 Mark Silbers und 1800 Pfund Heller mit dem Vorbehalt der Wiedereinlösung.[2]

Was nun die landschaftliche Lage, vornehmlich in Betreff eines hübschen Um- und Fernblicks von der Lichtenburg aus anlangt, entnehmen wir der bewußten Festgabe kurz Folgendes: Gegen Osten erblickt man über das Ostheimer Feld hin zunächst die Stockheimer Warthe und den Kohlberg, wie überhaupt den Sulzgrund, unterhalb dessen Dorf Stockheim liegt.. Etwas weiter, südöstlich die Stadt Mellrichstadt, nordöstlich von dieser Mühlfeld, Nordheim im Ostgrabfeld u. a. Orte dieser Umgegend; im Hintergrunde gewahrt man sehr leicht östlich die Gleichberge bei Hildburghausen. Im westlichen Gesichtskreise zeigen sich nahe Sondheim, Stetten, Urspringen; dagegen sieht man die nur 2 Stunden entfernte Stadt Fladungen, der Flecken Nordheim und einzelne andere Dörfer „vor der Rhön“ von der Lichtenburg aus nicht. Nach Norden hin ist die Aussicht nicht minder schön, namentlich vom Turm aus: über den Höhn weg der Neuberg, .Hutsberg und die Geba. Nördlich liegen nur eine halbe Stunde entfernt die Dörfer Willmars, Neustädtles und Filke, ohne daß man solche von der Lichtenburg aus sehen kann; nordöstlich blickt aber das freundliche Schloß der Herren von Stein zu Völkershausen aus dem Walde. Darüber hinaus, bemerkt man zunächst den Dolmar bei Meiningen, und dann läßt sich im Hintergrund der lange Thüringerwald mit dem Inselsberg sehen. In südlicher Richtung über Ostheim hinweg sieht man den Hainhof und weiter weg einen Teil des fränkischen Saal- und Lauergrundes, südwestlich den Kirschen-Berg und dann die Ostheimer ,,Warthe«; davon südlicher den Heidelberg, der seiner Höhe wegen den Südblick abschneidet. Südwestlich erhebt sich in einer Entfernung von 5 Stunden der „heil. Kreuzberg“. u. s. w.

Am Schluß der Beschreibung v. 1878 folgt ein längeres Gedicht von Müller, Verfasser der Rhönbilder; der 12. Vers lautet:

„Es berichten uns die Sagen,
Wie unzählbar einst die Wagen
Tragen Dein Gestein empor,
Bis hinan zu Deiner Stätte
Dehnte der Gespanne Kette
Sich von Fulda’s fernem Thor.“

Ja, auch viele Steine verdrießlichen Anstoßes lagen auf der Wandelbahn zwischen Fulda und Lichtenburg, so, daß z. B. der alte Heim in seiner Hennebergischen Chronika „Lichtenberg das bekannte streitige Amt zwischen der Abtey Fulda und denen Herzogen zu Sachsen“ nennen konnte.

Als Motto ist dem Rhönclubschriftchen vorangestellt:

»Auf den Bergen herrscht die Freiheit;
Der Hauch der Grüfte
Steigt nicht hinauf in die reinen Lüfte;
Die Welt ist vollkommen überall,
Wo der Mensch nicht hinkommt mit seiner Qual.“[3]

Doch schreite frisch und furchtlos der Naturfreund durch Gebirg und Thal‘ und singe laut im Morgenstrahl’:

O, wunderschön ist Gottes Erde
Und wert, darauf vergnügt zu sein;
Drum will ich, bis ich Engel werde,
Mich dieser schönen Erde freu’n«. . .

Nach freundlichem Abschiede von dem schönen Baringau in Unterfranken, aus dem bayrischen Streu-Saalgebiete kehren wir nun von der Lichtenburg direkt nordwärts um, wandern nach dem Weiler Schmerbach (im Meiningischen), von da zum Ostabhang der Disburg und über den Hahnberg nach Sinnershausen. Ein wackerer Tourist bewältigt diese aussichtreiche, naturschöne Strecke in 5-6 Stunden.


aus
C. E. Bach
„Im Tullifeld“
Eine historisch-landschaftliche Umschau in engerer Heimat
– der Vorderrhön –


[1] Von ihrer Quelle (720 m) fällt der frische Fluß bis nach Ostheim, in 3½ Stunden, an 428 m.

[2] Weil in den Versatz- und Verkaufsurkunden öfter Pfund-Angaben erscheinen, so bemerkt Spieß darum wohl mit gutem Grund: Lichtenburg· wurde auch die „Pfundburg“ genannt.

[3] Dieses Citat regt sehr gemischte Gedanken und Gefühle an über die Burg-Berge. Ja, die Freiheit wilder Ritter zur Vorzeit herrschte wie in aller Welt, in der Rhön auch und im Tullifeld; aber unter ihr seufzte das Volk nach Freiheit. In den kulturgeschichtlichen Bildern von J. E. Wessely („Deutschlands Lehrjahre“, Stuttgart, Verlag bei Spemann) liest man: „Menschliche Rührung dürfen wir in jenen Zeiten der Romantik nicht (zu viel) erwarten; es war ein greller Kontrast des Lebens, wenn tief unten im Burgverließ über Gerippen oder halb verfaulte Leichen der letzte Gefangene, von Kröten und Nattern umschlirhen, mit dem Hungertode rang, während über ihm (vielleicht) eine lustige Gesellschaft bis zum Uebermaße aß, trank und lachte. So blieb es ziemlich unverändert bis zur Reformation.“ Das arme Volk blickte dann hoffend auf zu einer ganz andern Burg und tröstete sich mit: „Ein feste Burg ist unser Gott!“ – Ja, die alten Vesten mußten fallen, doch über den Ruinen allen rauschen noch die reinern Lüfte durch Gottes Kraft in der Natur.


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