Georg Ernst
letzter gefürsteter Graf des Hauses Henneberg
Durch treffliche Eigenschaften ausgezeichnet, ward es ihm leicht, das Alles schnell aufzufassen, was sein Zeitalter erregte und bewegte. Die ganze Lebenszeit dieses Grafen gehörte nicht mehr dem Mittelalter, sie gehörte schon der neuen Zeit an. Am 27. Mai 1511 zu Schleusingen geboren, genoß er unter den Augen seines Vaters eine gute Erziehung. Als Jüngling begab er sich an den Hof des Herzog Wilhelm zu Jülich. Hierauf hielt er sich geraume Zeit bei dem Herzog Albert in Preußen auf, der ihn besonders lieb gewann und ihm für immer seine ganze Zuneigung schenkte. Auch den Hof des Landgrafen Philipp zu Hessen in Gießen besuchte er. Zu Jülich lernte er den Geist und die Sitten der Franzosen, Niederländer, Rheinländer und der Westphalen, bei Herzog Albert hingegen das Wesen der Polen, Dänen, Schweden und Russen, bei dem Landgrafen Philipp aber vorzugsweise Geist und Gang damaliger Reichsangelegenheiten und hauptsächlich der Reformation kennen. Der Landgraf nahm ihn 1530 z. B. mit auf den Reichstag nach Augsburg. 1532 bat er brieflich von Gießen aus seinen Vater um die Erlaubnis, dem bevorstehenden Feldzuge gegen die Türken beiwohnen zu dürfen. Er erhielt sie. Auch zum König Franz I. von Frankreich, und 1534 beim Einfall in Würtemberg, gegen Herzog Ulrich, begleitete Georg Ernst als Offizier den Landgrafen. 1586 diente er in der kaiserlichen Armee gegen König Franz I. von Savoyen und rückte bis Marseille vor. 1542 ging er wieder mit gegen die Türken und wurde Obrister des fränkischen Kreises unter dem Kommando des Churfürsten Joachim II. In diesem Feldzuge in Ungarn bewies er sich oft keck und kühn. Hier war es auch, wo er dem Herzog und nachmaligen Churfürst Moritz von Sachsen das Leben rettete. Soeben wollten die Türken den schon vom Pferde gestürzten Moritz durchstechen und hatten bereits seinen treuen Diener Heinrich Ribisch, der seinen Herrn mit seinem Leibe deckte, durchstochen, als augenblickliche kühne Tapferkeit Georg Ernsts den Herzog befreite.
Graf Georg Ernst vermählte sich im Jahre 1543 mit der Prinzessin Elisabeth, ältesten Tochter des verstorbenen Herzogs Erich von Braunschweig-Lüneburg, deren Mutter Elisabath eine geborene Markgräfin zu Brandenburg war. Seine Gemahlin sowie seine Schwiegermutter bekannten sich längst schon frei und öffentlich zum Protestantismus, indes; nur erst 1542 seines Vaters stille Einwilligung zu Einführung der Reformation im Hennebergischen erfolgte. Von 1543 an hatte derselbe die Regentschaft seinem Sohne überlassen, worauf 1544 auch Graf Georg Ernst sich öffentlich für Luthers Lehre erklärte. Wilhelm VI. trat erst 1549 zur „neuen Kirche“ über, da er schon 71 Jahre alt war. Wie schon erwähnt, hatte Verschiedenes diesen vorletzten Fürstgrafen und Machtherrn von Henneberg in ungeahnte Verlegenheiten versetzt, und er war dadurch im Allgemeinen wohl mißgestimmt, etwas mißtrauisch und Neuerungen so abhold geworden, daß er zum Aufgeben altgewohnter Grundsätze sich nur schwer entschließen konnte. Sein geliebter Georg Ernst hatte dadurch gar keinen leichten Stand, um eigenen ideellen Anschauungen und denen seines Vaters gerecht zu werden. War ja auch Graf Wilhelm VI. zu Schleusingen zu seinem innersten Leidwesen von großer Schuldenlast gedrückt, die zumeist schon dadurch entstanden, daß das gräfliche Einkommen von einem Aufwand weit überstiegen wurde, den er und sein Haus den fürstlichen und churfürstlichen Häusern gegenüber sich kosten ließ, aus welchen die Grafen ihre Gemahlinnen suchten und fanden. Zu dem finanziellen Verfalle trugen natürlich zu Wilhelm’s Zeit auch die Folgen des Bauernkrieges bei, der gerade für die Linie Henneberg-Schleusingen die tiefsten Wunden schlug. Und daß der sogenannte Schmalkaldische Krieg dem Grafen Georg Ernst neue Unruhe und Kümmernisse bereitete, ist auch zu erwägen. Die Schlacht bei Mühlberg (24. April 1547) war ja für die protestantischen Stände verloren gegangen, und deren Lande waren den kaiserlichen Scharen preisgegeben. Kaiser Karl wollte z. B. nun auch an der Stadt Schmalkalden Rache nehmen, sie plündern und von Grund aus zerstören. Da eilte Graf Georg Ernst in das kaiserliche Lager und erhielt durch Fürsprache von Moritz zu Sachsen auch Zutritt; er fiel vor Karl V. auf die Kniee und bat um Gnade. In harten Worten entgegnete ihm der Kaiser anfangs, ließ sich aber doch zur Schonung der Stadt bewegen. – (n. Sauer).
Schon 1554 hatte Georg Ernst’s Vater sich genötigt gesehen, mit dem Hause Sachsen-Ernestinischer Linie (Weimar) einen Erbverbrüterungsvertrag abzuschließen, wonach das Haus Sachsen gegen Uebernahme der Hennebergischen Schulden die Hoffnung der Erbfolge für den Fall erhielt, wenn der Mannesstamm des gräflichen Hauses Schleusingen gänzlich erlöschen sollte. Im Jahre 1583 trat dieser Fall wirklich ein. Unerwartet schloß Fürstgraf Georg Ernst am 27. Dezember 1583 die so lange treuwachhaltenden Augen. Zufälligerweise im Stammdorfe seines Hauses, nämlich zur Henneberg, auf dem Rittersitze seines dortigen Vasallen Burkhard Hermann Trott ereilte ihn der Tod im dreiundsiebenzigsten Lebensjahr, nach vierzigjähriger landesväterlicher Regierung. Am 28. Dezember wurde sein Leichnam erst nach Schloß Maßfeld, dann aber, nach vorheriger Balsamierung, in einem zinnernen Sarge unter starker Begleitung von Vasallen und Volk feierlich nach Schleusingen gebracht und dort am 9. Januar beigesetzit. Er hatte im Jahre 1566 schon das gräfliche Erbbegräbnis aus Kloster Veßra in die an der Stadtkirche zu Schleusingen erbauete Egidienkapelle verlegt. Mit Georg Ernst erlosch das gesammte gräfliche „Haus Henneberg!“ Ein gleichzeitiger Chronikschreiber spricht sich über ihn in etwas kräftigerer Weise unter anderm so aus: „Er ist aller Schinderei und Geizhändeln, womit das Armuth bis auf den Grad ausgesogen wird, todtfeind gewesen.“
Sauer giebt noch an: „Dem in der thüringischen Stadt Kahla 1555 abgeschlossenen, von Kaiser Karl V. auch bestätigten Erbvertrage gemäß kam nun die Grafschaft Henneberg-Schleusingen zur größern Hälfte an Ernestinisch-Sachsen. Durch den 1549 kinderlos erfolgten Tod des Grafen Albrecht zu Schwarza hatte Henneberg-Schleusingen einen bedeutenden Zuwachs erhalten, und nun (1583) gehörten dazu noch folgende Städte und Aemter: Schleusingen, Ilmenau, Suhl, drei Teile der Cent Benshaufen, Steinbach-Hallenberg, die Hälfte von Schmalkalden, Kühndorf, Barchfeld, Herren- und Frauenbreitungen, Wasungen, Amt Sand, Amt Kaltennordheim und Fischberg, Meiningen, Behrungen, Maßfeld, Themar, und im Würzburger Gebiet: Eusenhausen, Poppenlauer, Aubstadt, Sülzfeld, Niederlauringen, Hard, Großenbardorf, Wenkheim, die Hälfte der Cent Marksteinach und der Vogtei zu Obervolkach, so wie nicht unbedeutende Einkünfte und Gerechtsame zu Königshofen, Mellrichstadt, Münnerstadt u. a. m. Im Jahre 1572 hatte Kaiser Maximilian II. dem Herzog Johann Wilhelm zu Weimar die alleinige Erb- und Lehnsfolge in die Grafschaft bestätigt. Nach dem Ableben des Grafen Georg Ernst trat aber auch das Albertinische Haus Sachsen als Miterbe auf, indem es einen auch von Maximilian II. ausgestellten Exspectanzbrief (Anwartschaftsbrief) auf fünf Zwölftel der hennebergischen Erbschaft vorzeigte. Es erhob sich darüber ein langwieriger Streit der beiden sächsischen Häuser. Man einigte sich vorläufig zu einer gemeinschaftlichen Regierung und Verwaltung, die auch siebenundsiebzig Jahre, aber wohl nicht gerade zu des Landes Nutz und Frommen, andauerte. Nach Beschluß des Wiener Congresses (Staatenversammlung) von 1815 mußten auch jene fünf Zwölftel der Erbschaft an das königliche Haus Preußen abgetreten werden; die übrigen sieben Zwölftel haben seitdem verschiedene politische Schicksale gehabt. Der König von Preußen, der König von Bayern, der Churfürst von Hessen, der Großherzog von Weimar, der Herzog von Meiningen, der Herzog von Koburg-Gotha, sowie das Hans Stolberg-Wernigerode sind in unsrer Zeit (n. Sauer, 1843) die Herren und Regenten der ehemaligen gesammten Grafschaft Henneberg, die auch in ihrem Titel meistens Graf zu Henneberg sich nennen, nicht zu erwähnen, daß im heutigen Herzogtum Nassau das heunebergische Schloß Dornburg lag, und Graf Berthold zu Henneberg anfangs des zwölften Jahrhunderts durch seine Gemahlin Lucia, einer Gräfin von Baden, im Großherzogtum Baden bedeutende Besitzungen hatte.“ . . .
Henneberg-Schleusingen war seit 1310 und Henneberg-Römhild seit 1467 zwar zu einer gefürsteten Grafschaft vom Kaiser erhoben worden; doch die Grafen waren dadurch noch nicht eigentliche Reichsfürsten, hatten aber Sitz und Stimme in den Reichstagen. Das Wappen der Grafen von Henneberg war eine schwarze Henne auf goldenem Felde. Die Schleusinger Linie führte außerdem noch den zweiköpfigen Reichsadler wegen des Burggrafentums Würzburg, und unter dem Reichsadler zwei Reihen eines Schachfeldes von roter und weißer Farbe, desgleichen zwei Streitkolben und eine Sirene (fabelhafte Meernymphe). Ein solches in Stein gehauenes, gut erhaltenes Wappen ist an der Mauer zu Veßra rechts der Einfahrt zu sehen.
Zum guten Schluß des Abschnitts über die Henneberger Genealogie sei noch Folgendes aus Brückner’s Vorwort zum III. u. IV. Teil des Hennebergischen Urkundenbuchs hier beigefügt.
„In Berthold dem Großen, der 1340 Zeit und Ende segnete, hat die Geschichte des Schleusinger Hauses ihren höchsten Blütepunkt; was vorher und bis dahin lebt und webt, trägt mehr den Charakter der großen Seele, was nachher auftritt, mehr den der kleinherzigen gedrückten dynastischen Landwirtschaft. Nach Berthold’s Tod hat keiner seiner Nachfolger Hand und Geist mit gleich starkem und gesegnetem Nachdruck und Ausschlag in alle großen deutschen Fragen und Handlungen gelegt; vielmehr stieg diese Linie von der Höhe einer die eigenen Marken überschreitenden Wirksamkeit herab und offenbart von nun an zweihundert Jahre lang ein Ringen mit bald größerer, bald geringerer heimischer Not, bis am Ausgange des gesammten hennebergischen Geschlechtes noch einmal ein edler Geist, vom Licht der aufgegangenen neuen Zeit beleuchtet, über des Hauses Verkommenheit erhebt.“ –
„Das unter den Königen und Kaisern (von 1878-1417, Wenzel, Ruprecht und Sigismund) zerfahrene, fehdelustige Leben ist auch im Hennebergischen eingerissen: Urfehden (d. h. eidlich gelobte Verzichte auf Rache für erlittene Feindschaft), welche niedergeworfene Ritter den Grafen von Henneberg schwören müssen, richterliche Erkenntnisse gegen gräflicheVasalIen, Eroberungen von Raubburgen, der Lehnträger keckes Auftreten gegen die Grafen in Erhebung von zahlreichen Klagpunkten und in Versuchen, sich den gräflichen Mannengerichten zu entziehen, und endlich die innere Verwilderung mancher ritterlichen Familie u. a. Große Verschuldung und Verarmung giebt sich in den Urkunden dieser Periode überall kund, auch bei Rittern und Grafen, treibt sogar Letztere zur Verpfändung der noch unverpfändeten Landestheile (Wasungen, Schmalkalden) und überliefert manchen „Henneberger“ den gewinngewandten Händen der Juden! Das Alles entwindet dem Wollen der „Freien“ jede Kraft entschiedenen Benehmens und Ausführens.“ –
Um von den Zuständen, welche in jener mittelalterlichen Zeit auch unser Tullifeld beherrschten, ein lebendiges Bild zu bekommen, wollen wir nun die beiden wichtigsten geschichtlichen Erscheinungen jenes Zeitraumes hervorheben: das Ritterwesen und das Mönchstum oder Klosterwesen.
aus
C. E. Bach
„Im Tullifeld“
Eine historisch-landschaftliche Umschau in engerer Heimat
– der Vorderrhön –
Bücher und DVD über Geschichte, Landschaft und Kultur der Rhön und Thüringens
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