Franz Xaver Mozart – 2 Klavierkonzerte

Franz Xaver Mozart war der jüngste, 1791 geborene Sohn von Wolfgang Amadeus Mozart. Im folgenden Link findest Du ausführliche Infos zu Leben und Werk von Franz Xaver Wolfgang Mozart. Seine Mutter bereitete ihn schon früh auf den Musikerberuf vor und nannte ihn daher geschäftstüchtig in Wolfgang Amadeus um, damit er von dem Ruf seines Vaters zehre – eine dumme Idee, die dem Sohn eher schadete als nutzte.  1808, als 16-jähriger, schrieb er sein erstes Klavierkonzert, das 1811 bei Breitkopf und Härtel erschien. Das Konzert zeigt noch wenig eigenen Erfindungsgeist, der letzte Satz ist in seiner Struktur detailgetreu dem letzten Satz des Klavierkonzerts KV 450 seines Vaters nachempfunden.

Klavierkonzert Nr. 1 C-dur op. 14

I. Allegro maestosoII. AdagioIII. Allegretto

Julie Holtzman, Klavier
McGill Chamber Orchestra, Dirigent: Alexander Brott

Als 17-jähriger ging Franz Xaver als Klavierlehrer nach Lemberg (heute Lwiw, Ukraine). Zu diesem Jahr 1808 zitiere ich aus Walter Hummel „W. A. Mozarts Söhne“, Bärenreiter-Verlag Kassel und Basel, 1956 aus Seite 29:

Hier sei ein Urteil über Mozarts künstlerische Tätigkeit eingeschaltet, das im Mai 1808 gefällt wurde und beweist, daß sich der erst Siebzehnjährige eines vorzüglichen Rufes als Künstler erfreute und neben den hervorragendsten Vertretern seines Berufes genannt werden konnte. Die Schrift „Vaterländische Blätter für den österreichischen Kaiserstaat“ bringt eine offenbar von Ignaz Franz Mosel herrührende „Übersicht des gegenwärtigen Zustandes der Tonkunst in Wien“ und zählt (S. 51) „Clavierspieler, Künstler und Professoren“ auf, darunter auch Mozart den Jüngeren.
Ein schon mit Ruhm genannter Nahme gehört auch hieher unter die ersten. Herr Louis van Beethoven, dessen Spiel sich durch Schnelligkeit, Kraft und Praecision, eben so wie jenes des oben als Componist angeführten Herrn Joh. Nep. Hummel, durch Ruhe, Deutlichkeit und Annehmlichkeit auszeichnet.
Herr Streicher und seine Gemahlinn, die berühmte Fortepiano-Bauerin, eine geborne Stein, nebst ihrem Bruder, Herrn Stein, Herr Czerny Sohn, einer der vorzüglichsten Clavierspieler, (welcher auch für Composition zu angenehmen Hoffnungen berechtigt), ferners die Herren Gelineck, Förster, Preindel, Sommer (k. k. Hoforganist) und der schon oft vorteilhaft erwähnte k. k. Hofkompositor Teyber, ferners Herr Heckel, Madame Pessenig, geb. Auerhammer, und Madame Wolf, geborene Mrasek, werden für die vorzüglichsten der hiesigen Claviermmeister gehalten.

Die im Inn- und Auslande rühmlich bekannte blinde Clavierspielerinn, Fräul. Therese v. Paradies, hat es durch nicht genug zu lobende Industrie und Beharrlichkeit nun auch so weit gebracht, daß sie mit bestem Erfolge Lectionen geben, ja sogar mittels gewisser Verrichtung eines gefurchten Brettes, und mit Hülfe beweglicher Notenstiften, musikalische Compositionen selbst aufsetzen kann.
Wolfgang, der jüngste Sohn des unsterblichen Mozart, würde unstreitig für einen vortrefflichen Clavierspieler gelten können, wenn man nicht durch den Nahmen, welchen er trägt, zu mehr als gewöhnlichen Forderungen berechtigt zu seyn glaubte, die er bis jetzt jedoch nicht ganz erfüllt. Er hat schon einige Versuche in der Composition gemacht, und gibt ebenfalls Lehrstunden.

Seite 31 ff.:

Niemetschek, der Wolfgangs Fortschritte als Künstler aus der Ferne mit Aufmerksamkeit verfolgte, schrieb in der damals erschienenen zweiten Auflage der „Lebensbeschreibung des Kapellmeister Wolfgang„:

„W. A. Mozart Sohn ist gegenwärtig 17 Jahre alt und durch die ersten Produkte seines musikalischen Talentes dem Publikum schon vorteilhaft bekannt. Sein Klavierspiel zeichnet sich durch feinen Ausdruck und Präcision aus und so wäre denn zum Theil die scherzhafte Voraussage seines Vaters erfüllt, daß dies Kind ein Mozart würde … S. S. 12) … Möge der hoffnungsvolle Sohn in dem Streben nach Vollkommenheit nicht ermüden, und so wie er der Erbe des väterlichen Talentes ist, auch seinen rastlosen Fleiß in dem Studium großer Meister geerbt haben! Nur dadurch geht der Weg zum wahren Ruhm!“
Ende Oktober 1808 reiste Wolfgang nach Galizien, um beim Grafen Viktor Baworowski seine erste Stelle anzutreten. Er wurde Erzieher des Sohnes und Musiklehrer der sehr begabten Tochter Henriette, die später ihrem Lehrer alle Ehre machte, denn sie wurde durch ihr ausgezeichnetes Klavierspiel und ihr seltenes Kompositionstalent rühmlichst bekannt.
Wolfgang ergriff nunmehr seinen wahren Beruf, den des Lehrers, als welcher er stets anerkannt werden sollte.

Im Dezember 1818 trat er von Lemberg aus eine im Juli 1821 in Wien beendete Konzertreise an. Vor seiner Abreise aus Lemberg komponierte er sein Klavierkonzert Nr. 2, op. 25, das er bei einem Konzert (am 17.Dezember 1818) zum Abschied selbst aufführte. Dieses Klavierkonzert diente Mozart auf seiner  Konzertreise als pianistisches und kompositorisches Aushängeschild. Ursprünglich umfasste das Konzert nur den ersten und den dritten Satz; diese Fassung trug Mozart unter dem 28. Oktober 1818, dem 31. Geburtstag Josephine Baroni-Cavalcabòs, in sein eigenhändiges Werkverzeichnis ein. Den mittleren Satz komponierte Mozart am 22. April 1820 während eines Aufenthalts in Wien. Dort fand zehn Tage später auch die Uraufführung der dreisätzigen Fassung statt, über die der Komponist am 6. Mai 1820 an Franz Xaver Niemetschek berichtete: „ich wurde mit so ungeheuren Applaus empfangen, d[a]ß ich schon glaubte, ich würde gar nicht zum spielen kommen. Darauf spielte ich mein Concert, welches durch ein erst hier componirtes Andante, sehr gewonnen hatte. Dieses Andante, machte solches Glück, d[a]ß, was bey einem Clavierspieler ein seltener Fall ist, mitten hinein geklatscht wurde. –“ (Staatsbibliothek zu Berlin · Preußischer Kulturbesitz, Signatur Mus. ep. W. A. Mozart Sohn 3; vgl. Mozart. Briefe und Aufzeichnungen, Bd. 4, S. 457 f.) Der Erfolg des mittleren Satzes sollte jedoch nicht darüber hinwegtäuschen, dass bereits die zweisätzige Fassung des Klavierkonzerts op. 25 auf ein durchweg positives Echo gestoßen war. Besonderer Beliebtheit erfreute sich der Schlusssatz, wie unter anderem aus einem Bericht über Mozarts Konzert in Warschau am 14. Juni 1819 hervorgeht: „Das Rondo ist sehr angenehm und hat allgemein gefallen, um so mehr, da das Thema an die Zauberflöte, in dem Momente, als sich Pamina und Tamino zum ersten Male erblicken: Er ist’s, sie ist’s, etc. erinnert“ (Allgemeine musikalische Zeitung, 21. Jg., Nr. 42, 20. Oktober 1819, Sp. 708).

Die Tochter Julie des Hauptregierungsrats Ludwig Cajetan Baroni von Cavalcabò und der Sängerin Josephine Baroni von Cavalcabò wurde als Schülerin Mozarts später Pianistin und Komponistin. Ihr widmete Robert Schumann seine Humoreske B-Dur op. 20 (1838/39). Ihre Mutter, die Sängerin Josephine Baroni von Cavalcabò wurde Geliebte und Alleinerbin von Franz Xaver Wolfgang Mozart.

Klavierkonzert Nr. 2 Es-dur op. 25

I. Allegro con brioII. Andante espressivoIII. Allegretto (Rondo)

Henri Sigfridsson, Klavier
Sinfonieorchester INSO Lemberg, Dirigent: Gunhard Mattes

Ich zitiere weiter aus dem Buch von Walter Hummel, Seite 81 ff.:

Mozarts Tagebuch, S. 38: (Königsberg, Juli 1819)
Den 10ten Sonnabend:
Heute war in künstlerischer Hinsicht, ein sehr interessanter Tag. Mein Concert fiel sehr brillant aus. Allgemeiner Beyfall war der Lohn, meiner Bemühungen; es ging‘ auch alles gut und ich erinnere mich nicht bald, bey so guter Spiellaune gewesen zu seyn. Nach dem C. kamen mehrere zu mir, die beauftragt waren, mich zu einem 2ten auf zu fordern. Die Einnahme betrug 90 Ms. und man stand mir für das doppelte; aber ich schlug es aus, weil ich nie das Ziel meiner Reise, außer Augen setze, was mir die größte Eile vorschreibt, und wonach ich mich am meisten sehne … .
Auch über dieses Konzert ist in der Mozart-Biographie von Nissen (S. 568) ein ausführlicher Bericht aus der Leipziger Allgemeinen Musikalischen Zeitung aufgenommen, der für die Art der damaligen Berichterstattung kennzeichnend ist.

Kinder berühmter Männer sind gewöhnlich einer harten Beurteilung unterworfen, indem man sie mit ihren Vätern vergleicht. Sie müßten deren Ruhm noch überstrahlen, um den Ansprüchen zu genügen, die die Welt an sie macht. Allein man vergißt, daß der Heros nicht  Heros wäre, wenn er lauter Heroen zeugte, daß ferner große Männer selten auf ihre Kinder große Sorgen wenden können, da sie in der Regel durch mühsamen Unterricht den Lebens-bedarf anschaffen müssen, und daß endlich die meisten genialen Menschen nicht alt werden und also ihre Kinder kaum den Vater kennen. — Zu dieser Betrachtung führte mich das Hier-sein W. A. Mozart’s, des Sohnes, der auf einer Reise von Lemberg, wo er als Clavierlehrer lebt, zu seiner in Copenhagen wohnenden Mutter, hier ein Concert gab. Als Jüngling trat dieser. zweyte Sohn des Unvergeßlichen mit eigenen Compositionen auf, die nicht genügten, theils weil sie als Jugendversuche der Reife entbehrten, theils weil man sie unter den Maß-stab der Werke des Vaters legte. Es freut mich nun, über dieses jungen Mannes Fortschritte in der Kunst der Composition lobend sprechen zu können, und Deutschland auf ihn aufmerksam machen zu dürfen. Doch besser, ich theile Ihnen wörtlich die Notiz aus einem hiesigen Blatte mit, die, wenn mich nicht Alles trügt, einen competenten Richter zum Ver-fasser hat. – Königsberg am 11 ten July. Gestern lernten wir Mozart den Sohn kennen; als Fortepiano-Spieler und als Componisten. Denjenigen Musikfreunden, die sich nicht zum Concert eingefunden hatten, können wir dreist sagen, daß sie etwas versäumt haben. Der  berühmte Name täuschte nicht; Mozart’s Geist war in der That gegenwärtig, und das all bekannte Fortepiano schien in ein neues Instrument verwandelt. Denn zu der Fülle seiner  Harmonien….. und zu dem Schimmer mannigfaltiger Figuren empfing es von den Händen  dieses Spielers noch einen höchst lebendigen und zarten Vortrag, daß die musikalischen Ge-danken ganz mit jener sprechenden Deutlichkeit hervortreten konnten, woran wahre Kunst, hoch erhaben über alle Kunststücke, erkannt und empfunden wird. Hiermit ist schon gesagt, daß auch die Composition in einem hohen Grade vortrefflich war; sollte aber Jemand eine bestimmtere Charakteristik derselben verlangen, so würde es eben darum schwer seyn, ihm zu genügen, weil dieser Künstler, ähnlich seinem Vater, nicht an einer besonderen Manier, sondern eben nur an der Kunst selbst zu erkennen ist, deren Hülfsmittel er vollständig besitzt und mit Gefühl und Besonnenheit gebraucht, ohne nach irgendwelchen Effecten und Seltsamkeiten zu haschen. — Diejenigen, welche Gelegenheit hatten, den noch ziemlich jungen Mann (er soll 28 Jahre alt seyn) zu sprechen, erwähnen mit Achtung seiner gesellschaftlichen Sitten, seiner Gefälligkeit und Bescheidenheit. Vielleicht hat diese Persönlichkeil des Künstlers mit dazu beygetragen, sämmtliche Spielende in die heitere Stimmung zu versetzen, welche sie während des ganzen Concerts zu beleben schien; wenigstens war es auf fallend, daß am gestrigen Abende die Ausführung sämmtlicher Musikstücke vorzüglich wohl gelang..
Die Anordnung des Concerts zeigte eine ehrende Anerkennung von Mozart’s Verdienst, denn der Zettel nannte nur den Namen Mozart. Es wurden die Ouverturen zu Don Juan und zur Zauberflöte gut und mit Feuer ausgeführt. Dem. Dorn128 sang die vortreffliche Scene Ch’ io mi scordi di te etc. Non temer, amato bene etc.. wozu Mozart das concertirende Pianoforte spielte. Dem. Knorre128 trug die Arie: Parto aus Titus mit concertirender Clarinette vor. Hierauf spielte Mozart ein Pianoforte-Concert von seiner Composition, das durch Er findung und Vortrag sehr befriedigte. Erstere ist in der Weise seines Vaters, natürlich mit Benutzung des jetzigen Pianoforte-Umfanges. Eine sogenannte freye Phantasie über ein russisches und ein polnisches Thema machte weniger Eindruck, wohl wegen der unpassenden Benennung, indem es mehr freye Variationen über zwey Themata waren. Doch fand der Vortrag dieses Stückes ebenfalls Beyfall. Die Einnahme war für einen schönen Sommertag bedeutend. Die beyden Ouverturen wurden auch beklatscht, theils um Mozart’s Namen zu feyern, theils wegen der guten Ausführung. Rühmliche Erwähnung verdient es, daß die Mitglieder des Orchesters, jetzt alles Erwerbes beraubt, doch aus Achtung für Mozart’s Namen größtenteils aller Bezahlung entsagten, indeß sich die Herren Eigenthümer des Con certsaales die hohe Miethe für denselben entrichten ließen.
Herr Mozart beabsichtigt, auf seiner Rückreise Hamburg, Berlin, Leipzig und Dresden zu besuchen, alsdann aber nach Lemberg zu seinen Clavierschülern zurückzukehren. Ist denn in Deutschland für Mozart’s Sohn kein Plätzchen offen, das seinem Talente Muße gäbe? In Deutschland, das so viele Ausländer ernährt? — Aber so ist der Deutsche! Bey Säcularfeyern sucht er wohl die Abkömmlinge seiner großen Männer unter der Hefe des Volkes auf, und beschenkt sie mit Bibeln und Medaillen u. dgl., um kund zu thun, wie er Verdienst zu ehren wisse. Die Kinder seiner großen Zeitgenossen zu unterstützen, fällt ihm nur selten ein. Was hätte Frankreich viel für Mozarts Familie getan? …“

Zwei Tage nach dem Konzert in Königsberg kam Mozart wieder nach Elbing, wo ihm seine Freunde, ihrem Versprechen gemäß, das Konzert vorbereitet hatten. Es fand am 16. Juli statt (Tagebuch, S. 39):
Mein Concert ist überstanden. Ueberstanden sage ich mit Recht, denn es gehört wirklich Muth hier Concert zu geben, die Begleitung ist unter aller Kritik. Ich habe noch nie etwas erbärmlicheres gehört. Ich hatte, wie man mich versichert, viel Bey fall, was man mich aber versichern mußte, denn es ist hier nicht Sitte zu applaudiren, Glücklicher Weise hatte man mir es schon voraus gesagt, sonst hätte es mich wohl aus der Fassung gebracht …
Ungesäumt kehrte Mozart nach Danzig zurück, wo er ein Schiff zu finden hoffte, das ihn nach Dänemark bringen könnte. In Fahrwasser, dem Vorhafen der großen Handelsstadt, erprobte er bei einer Bootsfahrt auf stürmischer See seine Seetüchtig keit und bald fand sich ein Kapitän, der ihn nach Dänemark mitzunehmen gewillt war, da sein Segler nach Liverpool bestimmt war. Sobald sich günstiger Wind ein stellte, konnte die Fahrt beginnen.

Tagebuch S. 41,
„Am Borde des Castors, den 21 ten Mittwoch“
… Es steht nun in Gottes Willen, ob ich je wieder Land sehn werde! … Morgen frühe wird Anker gelichtet, und dann geht es mit Gott weiter. Die Kost, die ich diesen Abend gesehn, ist hier verzweifelt schlecht …

„22 ten“ (Tageb. S. 42)
Diesen Morgen lichteten wir die Anker, haben aber des ungünstigen Windes wegen Danzig noch nicht ganz aus den Augen verlohren. Der ungewohnte Anblick der See, und die ungewohnten Beschäftigungen der Matrosen, haben noch zu viel Reiz für mich, daß mir nicht der erste Tag sollte so ziemlich hingegangen seyn, aber ich zittere bey dem Gedanken, wie ich mich in den folgenden langweilen werde …

„24 ten“ (Tageb. S. 43)
Ein herrlicher Tag, eine heitere Luft, nur trat nach Tisch eine völlige Windstille ein, und wir kamen sehr wenig von der Stelle. … uns verzehrt die lange Weile. Ich habe doch noch meinen Schiller, der mich zu Zeiten, aufheitert, aber immer kann man nicht lesen, und schreiben geht gar nicht an, denn in der Cajüte, ist das Schaukeln unerträglich. … Mein Lieblingswunsch, meinen Geburtstag bey der Mutter zuzubringen wird wohl nicht in Erfüllung gehn; doch bin ich dergleichen Widerwärtigkeiten schon gewöhnt …

Tagebuch, S. 44 „den 26ten“
An meinem Geburtstag mich über Gebühr gelangweilt, beynahe kein Wind, schönes Wetter, Ungeduld. So eben ändert sich die See, es erhebt sich ziemlich starker Wind, und ich hoffe alles von morgen.

In Dänemark
Besuch bei der Mutter

Am nächsten Tag setzte der Segler den ungeduldigen Mozart bei Helsingör ans Land und vom Polizeimeister erfuhr er, daß ihn seine Eltern schon sehnlichst im Kgl. Lustschloß Friedensburg erwarteten131.
Am Abend nach dem Wiedersehen war Wolfgangs seelische Erregung so groß, daß er nur eine einzige Zeile in das Tagebuch eintragen konnte:

Friedensburg den 27 ten Dinstag“
Ich habe meine Mutter gesehn, mehr vermag ich heute nicht zu schreiben.

Erst am folgenden Tag hält er einen Rückblick, schildert die Umstände, unter denen er zu den Eltern gelangte, die ihm schon täglich entgegengegangen waren:

Ich kann nicht sagen, wie mir zu Muthe war, ich zitterte am ganzen Leibe, als ich mich dem ersehnten Augenblicke nahte. Endlich führte man mich in ein Zimmer, und ich erblickte eine Frau darinnen, die ich nicht erkennen konnte, weil sie mir im Lichte stand. Auch sie erkannte mich nicht, wie sie später eingestand; dennoch stürtzten wir uns in die Arme. Es war wirklich ein seeliger Augenblick! Beynahe eilf Jahre getrennt sich wieder zu sehn …
… Ich habe beyde besonders meine Mutter, über alle Erwartung gütig gefunden. Alles Vergangene ist vergessen, sie ist mir eine liebende, wirkliche Mutter geworden, was sie wohl immer war, mir aber nicht zeigen wollte …
Diese Nacht konnte ich nicht schlafen; mein Blut war so in Wallung, daß es mir nicht möglich war einen Augenblick Ruhe zu finden. Mit dem frühesten war ich auf, und fand meine Eltern schon erwacht. Wir frühstückten, und ich überreichte meine kleinen Geschenke, die zwey Beutel, die Furore machten. Dann ging ich mit meiner Mutter in den Garten, wo sie eine Brunnenkur brauchte. Ich machte mir nie ein sehr rührendes Bild, ihres freundlichen Glückes, das nun schon zwanzig Jahre dauert. Sie leben noch wie ich sie verließ. Eines sucht dem andern zuvorzukommen, findet sein Glück nur in dem Glücke des anderen. Dazu kommt noch, daß auch ihre anderen Verhältnisse günstig sind. Sie haben in der Stadt ein Haus, welches ihnen Zinsen trägt, und die Besoldung meines Vaters ist ansehnlich. Wenn etwas ihre Ruhe stören kann, so ist es die Trennung von ihren Kindern …
Es ist eine so herrliche Sache das sich wiederfinden! …

Die Aufzeichnungen Wolfgangs werfen auf seine Gemütstiefe das schönste Licht. Tatsächlich hatte er als Kind erfahren, daß seine Mutter hart sein konnte. Sie war mit Wolfgangs Fortschritten namentlich in der Komposition nie zufrieden, betrieb mit seinem Namen und seinem Talente unerfreuliche Propaganda und ließ es zu, daß er als Siebzehnjähriger in das kulturferne Galizien zog, um selbständig zu sein. Zum Glück hatte sie Nissen geehelicht, der auf Konstanze einen günstigen Einfluß ausübte und sich um deren Kinder liebevoll annahm. Nunmehr zeigte sich Konstanze ganz anders. Ihr Unverständnis für ihren ersten Gatten verwandelte sich in lebhaftes Interesse für dessen Werke, und endlich erwachte auch die Mutterliebe, da sie erkannte, daß sie daraus Nutzen ziehen konnte. Früher durch das wirtschaftlich oft schwere Leben verbittert, sah sie sich jetzt sorgenfrei. – Wolfgang war über den Wandel seiner Mutter und besonders auch über das Verständnis, das sie seinem Liebesverhältnis entgegenbrachte, ganz beglückt. Nun konnte er seiner Mutter das Herz ausschütten und fand in ihr eine Freundin. Das innige Verhältnis, das sich zwischen Mutter und Sohn während des Beisammenseins in Dänemark entwickelte, sollte auch später nie mehr getrübt werden.
Die ersten Wochen verbrachte Wolfgang höchst geruhsam in Friedensburg. Im trauten Gespräch mit der Mutter wurde seines nie gekannten und doch so geliebten Vaters gedacht und Kindheitserinnerungen zogen vorüber. Wolfgang erging sich im Garten, unterzog sich über Drängen der Mutter einer Trinkkur, besuchte mit den Eltern deren Freunde und genoß auf kleineren und größeren Spaziergängen die Schönheit der Umgebung. An den Abenden wurde oft musiziert oder — wie dies auch in der väterlichen Familie der Fall war — dem Kartenspiel gehuldigt. Innige Freundschaft schloß Wolfgang mit dem jungen, hochgebildeten Schriftsteller Birch, der nach Friedensburg gekommen war, um Mozart kennen zu lernen, und nunmehr sein ständiger Begleiter blieb. — Endlich mußte Wolfgang daran denken, „seinen Geschäften nachzugehen“ und ein Konzert vorzubereiten, weshalb er mit Birch nach Kopenhagen zog.

Tagebuch, S. 58, August 1819
„Kopenhagen den 21 ten abends 11 Uhr Sonnabend“
Der Abschied von meinen lieben Eltern hat mich sehr ergriffen. Obschon wir uns in wenig Tagen wieder sehn werden, so hatte doch die heutige Trennung als eine Vorbereitung, zu der so bald bevorstehenden langen Trennung, sehr viel betrübendes. Meine liebe gute Mutter bath mich so dringend, die erste Nacht ja gewiß in ihrem Bette zu schlafen! Ich habe leider nie gewußt, wie sehr sie mich lieben, wie glücklich ich sie durch meine Ankunft machen werde. — Hier bin ich nun in Ihrem Hause. Ordnung, Reinlichkeit, zeigt sich überall, mehr kann ich für den Augenblick noch nicht sagen.
Birch machte seinen Freund mit dem Direktor der kgl. Singschule, Giuseppe Si-boni133 bekannt, der als geschätzter Gesangmeister Verbindungen mit den bedeutendsten Kreisen der Hauptstadt hatte. Zu diesen zählten die Großkaufmannsfamilien Tutein und Brun. Beim preußischen Generalkonsul Etatsrat Joh. Friedr. Tutein, dessen Tochter eine gute Pianistin war, musizierte Wolfgang wiederholt; dort lernte er die Gesandten von Rußland, Schweden, England und Spanien kennen, denn Tuteins Haus war ein Mittelpunkt des gesellschaftlichen und musikalischen Lebens in Kopenhagen. Auch im Hause des Konferenzrates Konstantin Brun wurde Mozart gastlich aufgenommen; Bruns Gattin, Friederike, war eine geschätzte Dichterin und hatte ihr Landgut Sophienholm zu einem schöngeistigen Salon von europäischem Ruf gestaltet. Bei den musikalischen Soireen — eine solche war eigens zu Ehren des Ehepaares Nissen veranstaltet worden — kam Mozart mit bedeutenden Persönlichkeiten in Fühlung, wie mit dem großen dänischen Dichter Professor Adam Oehlenschläger und den damals in Kopenhagen führenden Musikkünstlern Christoph Ernst Weyse und Friedrich Kuh1au, ferner mit dem Kammervirtuosen Friedrich Funck, den Violinisten Claus Schall und George Gerson und anderen. Auch mit bildenden Künstlern hatte Mozart Berührung, so mit dem hervorragenden Portraitmaler Hans Hansen 142 und dem Theatermaler Arnold Wallick. Als Mozart beim öster-reichischen Gesandten Baron Steigentisch Besuch machte, notierte er im Tagebuch: . Ich kann nicht sagen, wie angenehm es mir war, wieder bey einem österreichischen Beamten zu seyn, ich bildete mir einen Augenblick ein, ich sey wieder in meinem Vaterlande.“ Mit den österreichischen Gesandtschaftsgeistlichen, dem Abbe Starckbaum und dem Pastor Zimmermann, entwickelte sich sogar ein freundschaftlicher Verkehr.
Bezeichnend für Wolfgangs strenges Urteil sind seine Tagebuchnotizen über die Komponisten Weyse und Kuhlau:

Tagebuch, S. 67, vom 3. September
„Die hiesigen Matadore, die auch bey uns nähmlich bekannnt sind, die Herren Weyse und Kuhlau haben noch keine Neugierde gezeigt mich, oder was sie mehr, als meine Ichheit interessieren sollte, den Sohn meines Vaters kennnen zu lernen, beyden habe ich meinen Besuch gemacht …

 Vermächtnis und Würdigung

 Seite 312/213 des Buches von Walter Hummel:

Schlichter, aber ebenfalls erfüllt von Herzlichkeit und Hochachtung sind die Worte, die Alois Fuchs seinem Freunde 1844 in der biographischen Skizze widmet:
Als Mensch im höchsten Grade achtungswürdig, war Wolfgang Mozart gut, edel, zartfühlend und empfänglich für alles, was gut und schön war. Er tat unendlich viel Gutes im Stillen und unterrichtete nicht selten talentvolle Kinder unbemittelter Eltern ganz unentgeltlich, sowie auch jene seiner besten Freunde.

Die treffendsten, aus persönlichem Erleben schöpfenden Urteile über Wolfgang Amadeus Mozart Sohn stammen von Dr. August Schmidt.
Im Büchlein „Musikalische Reise-Momente auf einer Wanderung durch Norddeutschland“ schreibt Schmidt zwei Jahre nach Mozarts Tod (1846): „… Ich stand mit dem unlängst verstorbenen Sohn Mozart’s im freundschaftlichen Verkehr, allein ich mochte mich bei der zwanglosesten geselligen Unterhaltung einer Ehrfurcht vor seiner Person nicht erwehren; denn ich konnte es nimmer vergessen, daß er aus dem Fleische und Blute des großen Meisters, den wir in hoher Begeisterung verehren, daß er der Sohn des Königs Mozart von Gottes Gnaden des mächtigen Beherrschers im Reiche der Töne sei …“
Zwei Jahre später (1848) erschien von Schmidt ein Buch, das unter dem Titel: „Denksteine“ die Biographien von sieben bedeutenden Musikern und Tonschöpfern der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts, darunter auch die des jüngeren Wolfgang Amadeus Mozart brachte. Schmidts Urteil darf für ebenso objektiv als wohlwollend gelten:
„War je einem Menschen ein angeborener Name zur Bürde, die er sein Leben hindurch mit sich schleppen mußte, ohne sie je abwerfen zu können, so war es W. A. Mozart Sohn. Der Ruhm seines großen Vaters lag mit Felsenlast auf seinem Talente, so daß es nur Wurzel fassen könnte in der Brust des Künstlers, nicht aber Sprößlinge treiben und grüne Zweige ansetzen, die lustig hinausranken in die Öffentlichkeit, beschienen von der zeitigenden Sonne der Anerkennung. War sein Talent auch nicht eines jener großartigen, erhabenen, die sich dem Genius seines Vaters annähern, so war es doch immerhin eine jener Erscheinungen in der Kunstwelt, die vermittelnd auftreten zwischen dem Künstler und dem Laien, welche die Übergangsepochen vorbereiten und die festen Fäden weben, die die einzelnen Teile miteinander zum schönen Ganzen verbinden.
Mozart besaß ein Talent, das sich unter anderen Verhältnissen mit einem ganz unbekannten Namen, für sich allein dastehend, gewiß bald eine allgemeine Anerkennung verschafft haben würde, umsomehr als es schon in der Periode der Entwicklung mit mehr Bestimmtheit und Sicherheit, mit einer größeren Unbefangenheit aufgetreten wäre, als es bei ihm der Fall war und auch sein konnte.
Schon bei seinen Studien stand der Name Mozart als ein drohendes Gestirn über dem Haupte des Knaben, den Jüngling aber schreckte die unerreichbare Höhe ab, zu der sich der Genius seines Vaters mit Adlerschwingen erhoben, er verzweifelte, ihn je erreichen zu können, und doch hatte er kein anderes Ziel; er mußte seinen Vater zum Vorbild nehmen und ihm nacheifern; es war hier keine Wahl; entweder sich zu ihm hinaufschwingen, oder ganz unten bieiben.
Allein selbst auf den exekutiven Künstler, auf den Konzertisten seines Instruments machte sich der hemmende Einfluß des berühmten Namens bei Mozart geltend, auch auf diesem Felde würde er sich mehr Lorbeer errungen haben, als es wirklich geschah, denn er war in dieser Beziehung eine bedeutende Erscheinung, hätte nicht die Erinnerung an seinen Vater seine Willenskraft gelähmt, und der Name sich wie ein Bleigewicht allen seinen Bemühungen angehängt.
Überdies war Mozart immerhin in der jüngst vergangenen Periode eine von den hervor-ragenden Künstlernaturen, die auch an und für sich das Interesse des Musikers angeregt haben würde, hätte ihm nicht schon der Name Mozart ein kunstgeschichtliches Interesse ver-liehen. In Würdigung dessen finde die Biographie W. A. Mozarts eine würdige Stelle, des edlen Mannes, der die Heiligkeit der Kunst wie Wenige verehrt, der ihr auch in seinem Herzen einen Tempel aufgebaut, der nur mit seinem letzten Podien einstürzte.“
Den Worten der Freunde sei noch das Urteil des Mozart-Forschers Arthur Schurig angeschlossen, das ebenfalls auf die Tragik hinweist, die sich im Schicksal des jüngeren Wolfgang Amadeus erfüllt.
„Die Söhne genialer Männer sind selten unter einem guten Stern geboren. Wolfgang fehlte es vor allem an sicherem Selbstbewußtsein, an Glauben an seinen Beruf. Er stand seinem ganzen Können allzu prüfend und befangen gegenüber. Und so kam er nicht in die Höhe, sondern verkümmerte und ging früh zugrunde. Sein Leben ähnelt dem Erdengange von Goethes Enkel, Walther von Goethe, der sich gelegentlich einmal einen „heimatlosen Musikanten“ genannt hat.“

Die Nachwelt vergaß den jüngeren Mozart nur allzu rasch. Schon 50 Jahre nach seinem Tode war das Grab in Karlsbad dem Verfall nahe, wurde aber doch wieder erneuert. Wolfgangs Tonschöpfungen ruhen unbeachtet in den Archiven und kommen nur mehr bei Gedenkfeiern zum Erklingen.



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