G. F. Händel: Orgelkonzert F-Dur op. 4 Nr. 4

 

Besetzung: Soloorgel (Samples der Riegerorgel im Konzerthaus Wien, Vienna Konzerthaus Organ)
2 Oboen, Violinen I und II, Bratschen, Basso continuo (Samples Kirk Hunter Diamond Orchestra)

00:06 – Allegro
04:23 – Andante
10:39 – Adagio
11:36 – Allegro

Diesem Konzert, dessen Komposition bereits am 23. März 1735 von Händel beendet wurde, soll aus mehrfachen Gründen eine etwas ausführlichere Betrachtung gewidmet werden. Einmal gilt es in der Händel-Literatur seit langem schon als ein Meisterwerk. Zum anderen rechnet es in der musikalischen Praxis zu den relativ am häufigsten gespielten Orgelkonzerten Händels.

Der Meister leitet den ersten Satz (Allegro, 4/4“Takt) mit einem aus Dreiklangsbrechungen entstandenen Thema von 7 Takten ein. Es kann in seiner Einfachheit und männlich-festen Eigenart als eine der einprägsamsten Melodien Händels bezeichnet werden.

Noch bedeutender, seinem musikalischen Gehalt wie auch seiner künstlerischen Anlage nach, ist das folgende Andante (in der Subdominante B-Dur, 4/₄-Takt). Schon der Anfang lässt Großes erwarten. Denn entgegen seiner sonstigen Gewohnheit beginnt Händel den Satz sofort mit dem Orgelsolo (Hauptthema) und lässt erst im 5. Takt das Tutti einsetzen, noch dazu pianissimo, das heißt in echohafter Wiederholung des Hauptthemas. Des weiteren ist das Orgelsolo dadurch besonders herausgehoben, dass ihm Händel ausnahmsweise genaue Registrierungsvorschriften mitgab: »Open Diapason« (»Prinzipal«), »Stopt Diapason« (»Gedackt«), »Flute« (»Flöte«). Der Satz sollte mit drei achtfüßigen Grundstimmen registriert werden, selbst in der Baßstimme, für die kein sechzehnfüßiges Pedal disponiert ist. So klingt denn die edle, sequenzierend entwickelte Andantemelodie zuerst in der Orgel auf:

Die Orgelkonzerte Händels

Neben den Concerti grossi behaupten Händels Orgelkonzerte unter seinen Instrumentalwerken den höchsten Rang. Sie stehen einerseits dem Concerto grosso nahe, nämlich insofern, als man den Solopart der Orgelkonzerte dem Concertino in den Orchesterkonzerten durchaus gleichsetzen kann; denn auch der Orgelpart hat das Tutti des Gesamtorchesters zum musikalischen Gegenspieler. Andererseits knüpfen sich auch gewisse Verbindungsfäden zum Soloinstrumentalkonzert der Italiener; kann es doch keinem Zweifel unterliegen, dass Händel schon in jungen Jahren auf seiner Studienfahrt die Solo-Violinkonzerte, wie sie insbesondere durch Tommaso Albinoni und Giuseppe Torelli geschaffen worden waren, an der Quelle studierte und sich mit Begeisterung zu eigen machte. So ist denn die Ansicht wohlberechtigt, dass es für Händel als Orgelspieler nahegelegen habe, der Orgel als Soloinstrument ähnliche Auf­gaben zu stellen, wie dies seitens der Meister Albinoni und Torelli für die Solo-Violine geschehen war. Händel schrieb seine Orgelkonzerte zumeist im Sinne von Zwischenaktmusiken für seine Oratorienaufführungen.

Als Händel Orgelkonzerte zu komponieren begann (sein erstes Orgelkonzert erklang 1735), war die italienische Orgel – eine einmanualige Orgel, genauer gesagt, ein einmanualiges Positiv, dem ein selbständiges Pedal fehlte – sein Ideal geworden. Demgemäß ist Händels Orgelklang bar jeder polyphonen Verhäkelung; sein Orgelstil ist schlank und elegant, er vermeidet nahezu jede stärkere Kraftentfaltung. Durch Händel wurde dieser Orgelklang nach England übertragen.

Händels Orgelkonzerte liegen in zwei Hauptsammlungen vor: op. 4 1735/36) und op. 7 (entstanden 1740-1751, erst 1761 nach Händels Tode gedruckt).

Überblickt man die Sammlungen der Orgelkonzerte, so ist man zunächst überrascht von dem festlichen Glanz, der über diese Musik gebreitet ist. Bei näherem Zusehen wird man sogar gewahr, dass jenen Händelschen Schöpfungen eine kirchenmusikalische Tendenz, die man früher wohl in ihnen sah, völlig fernliegt. Denn diese durch harmonische Feinheiten, motivische Arbeit und Eleganz der Faktur ausgezeichneten Orgelkonzerte sind fast ausschließlich für den Festsaal bestimmt, darum auch (für den Solisten!) improvisierend angelegt, stilistisch von strenger Polyphonie ferngehalten. Rein musikalisch fällt an diesen Werken auf, dass von den 12 Orgelkonzerten die überwiegende Mehrzahl in Be-Tonarten geschrieben ist; allein drei von diesen Werken stehen in g-Moll. In architektonischem Sinne sind besonders interessant jene gelegentlich vorkommenden, rezitativisch untermischten Adagio-Einleitungen, so vor allem in op. 4 Nr. 2 und op. 7 Nr. 4. Überhaupt offenbart sich zwischen den beiden Hauptsammlungen op. 4 und op. 7 ein gewichtiger musikalischer Unterschied. Die Orgelkonzerte op. 4 verraten bei blühender Melodieentfaltung und genialer Freizügigkeit in der Gestaltung des Ganzen einen mehr volkstümlichen Einschlag, während den »Alterswerken« op. 7 kunstvollerer Aufbau mit geistvolleren Verknüpfungen eigen ist.

Walter Serauki

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