Das Gebiet der „Pfitz“

Breitet man Dr. Hoßfelds Karte des Rhöngebirges (v. 1905) aus, so findet man in dem nordöstlichen und ostsüdlichen Winkel derselben (grünkoloriert) die breitesten Talwiesen-Landstriche der Werra- und „fränk. Saalgegend“; zusammenhängend länger, aber schmäler ist (derartig grün bezeichnet) das Tal Fulda-Haun. Zwischen diesen Niederungen strecken sich die kleineren der Ulster und Felda von Süden nach Norden, recken sich aber desto mehr die Bergzüge und Einzelkuppen der „hohen“ Mittel- und nördlichen Vorrhön. Vom Bayerberg (heute Baier genannt] aus nordwärts, zumal zwischen den Ruinen Crayenberg (bei Tiefenort; 441 m üb. d. Nords.), und Frankenberg (bei Wernshausen, 450 üb. d. Osts.)[1], wie nordwestlich von diesem, von der Kilianskuppe und dem Schneckenberg, sind nur zerstreut liegende Höhen, die in nordöstlicher Richtung dem flacheren Feld der Pfitz einigen Reiz für Bergsteiger bieten, Talfreunde aber weniger verlocken.

Rhönforscher Spieß schreibt: „Die Pfitz (vormals Hunna, vergl. I. S. 81) entsteht aus der Vereinigung des Rehbachs (vom Rothen Haus) und des „Sorgewassers“ (der sogenannten „Wilden-Armbach“), welches aus dem „Polsamicher“ Grunde, nordwestl. vom Bleß herabeilt. Die Höfe Ober- und Untersorge darf man nicht verwechseln mit dem Weiler Sorge, rechts der Werra bei Barchfeld undMeimers. Die Polsamich (Polsambach, d. i. Hirschach) ist ein Einzelhaus 1¼ Std. südsüdwestl. von Salzungen, auch dahin gehörig, anmutig im engen Waldtälchen, die Wohnung eines Feld- und Waldhüters. 1331 war daselbst ein Dorf (vergl. I. S. 19.) Eine halbe Stunde seitwärts der Polsemich, von der Straße von Salzungen nach Dermbach liegt Langenfeld, (vergl. I. S. 10.), ein Meiningisch, wirklich in die Länge 2 zeilig gebautes Kirchdorf (ehedem Lengfeld, Lengsfeld, „Langefell“; dicht dabei lag die Wüstung Neuendorf, Nenchen- oder Nenthindorf, Namsindorf, und am Schneckenberg der Ort „Schneckinhusin“ vergl. I. S. 19.; in der Umgegend war auch die Süßeburg; (s. II. S. 116) westlicher an der Grenze von Leimbach lag die „Hellerwarte“, wahrscheinlich Hählwarte. ¾ Std. südlich von Salzungen liegt Kalten- oder „Kahleborn“ (28-30 Häuser). Von hier eine halbe Stunde, nördlich vor dem Hunnkopf (500 m) und an der Hunna-Waldung liegt Uebelrode (Immelroh), ein Dörfchen auf der Rhönterasse am Hunnbach.[2] Eine Viertelstunde nördlich von Uebelrode ist Immelborn (Memelbrunn, d. i. »zum Immel- oder Amalienborn), eingepfarrt nach Ettmarshausen (Atmars- Hatmars-, Ottmarshausen 1330), ⅛ Std. nördlich der kleine Erlensee, und auch links der Werra, ½ Std. südöstl. von Salzungen, nahe bei Wildprechtsrode (II. S. 117.) der kahle, unheimliche Buchen– oder Büchensee mit lichtgrünem Wasser, aber fischlos. – Von Wildprechtsrode ergießt sich die Pfitz (mit dem Arm ,,Arzbach« – wie man angiebt) nach dem Dorfe Allendorf, das links an der Werra und westl. an der Eisenbahn liegt, indes nördlich davon, über den Werrastrom hin mittelst fester Brücke, am Westfuß der erhabenen Ruine Frankenstein Kloster-Allendorf mit seiner Brauerei und dem Klosterüberrest zu finden ist. Die Strecke Allendorf, Immelborn bis Frauenbreitungen, westl. an der Werra ist nur von den Weilern Hauenhof, Neuhof und Kraimershof (Craimers) berührt; – südlich von diesem letztern, nur 20 Min. ist der Knollenbachshof links nahe der Werra, hingegen dem Neuhof gegenüber, rechts an der Werra liegt Grumbach (I. S. 45) an dem „Grumbach“, der unter dem Dorfe dieses Namens nordöstlich her, von dem Ökonomiegut Sorge, von Mariental, Liebenstein und Steinbach ab zur Werra mündet; (die Straße nach Liebenstein zweigt vor Immelborn ab.) Bei diesem Dorfe stand in alter Zeit eine Kapelle, ¼ Std. davon ist der morastige Stinkteich.

Frauenbreitungen, (dialektisch „Bredinge, Frabreitge“), urkundlich seit 933 Breithingin, seit 1100 auch geschichtlich „Königsbreitungen“ benannt, hat das Ansehen einer kleinen alten Stadt, bildete in alter Zeit eine ausgebreitete Mark; knapp gegenüber über die Werra nach rechts, liegt Herrenbreitungen (wo die Truse in den Strom mündet), westnördlich davon mit alter Burg Burgbreitungen und Dorf Altenbreitungen (,,Allebreitge«,) da, wo die Farrebach zur Werra geht.[3]

Das Frauenbreitungen ist im Pfitz-Gebiet der südlichste Hauptort, Stadt Salzungen der nördlichste. Das Gefälle der Pfitzgewässer dürfte vom Bleßhaus mit seinem frischen Born, 539 m, an bis zum Werraspiegel kaum 250 m betragen; wir finden da auch keine oberschlägtige Mühlen, an Bornquellen kann es aber wohl doch nicht fehlen, das läßt uns schon „Immelborn, Kahleborn, Hohleborn“ u. a. der Gegend vermuten. Der größte Teil des Polsamich- und „Pfaffengrundes“-Wassers (sagt Spieß) ist oberhalb Langenfeld an der „Rhönstraße“ als Armbach nach Salzungen geleitet, wo es in Verbindung mit der Silge, an der Lohmühle vorüber, »zum Abfluß des Salzunger See’s den Salzquellen dienstbar gemacht und dann nach kurzem Laufe mittelst eines schon 775 erwähnten Kanal’s zur Werra geführt worden ist.

Westlich von Dorf Langenfeld, 20 Min., nördlich am „Wenzelsberg“ und dem Waldstrich „Goldne Pforte“, nordwestlich vom Bornkopf (491 m) liegt der Meininger Weiler Hohleborn, am Ursprung des Leimbachs-Wassers; 40 Min. von Wildbrechtsrode nordwestl. kommt man zum Dorfe Leimbach (II. S. 117). Der südwestl. im „Jungholz“ ansteigende „Lindenberg“, 450 m, und der S. 17 u. 23 erwähnte „Salzkopf“, 416 m, scheiden das „Pfitzgebiet“ von dem des Feldatales.

Bevor wir aber das „Tullifeld“ nach seinen nordrhönlichen Höhen und Tälern abschließen, müssen wir von Leimbach ab noch bis Merkers, (weimarisch. Dörfchen links a. d. Werra, mit neuer Schule und altem Kirchlein, Filial von Dorndorf) von dem aus man ziemlich vis-à-vis den 429 m hohen, bewaldeten Crayenberg und seine Ruine rechts der Werra in der Nähe sieht – die auf 250 m gesenkte südl. Werraau beschreiten.

Nördlich vom Lindenberg, ½ Std. von Leimbach liegt vor dem Walde der schöne Okonomiehof Hämbach (mit Hof-Karpfenteich), nordöstl. von da in der Ebene, von der Eisenbahn durchfahren das, weimarische Kaiserroda (1846 nur noch 18 Häuser,) eingepfarrt nach Tiefenort, eingeschult nach dem „meiningisch. Leimbach“, (Heft I. S. 82). Nicht weit von diesem Dorfe ist das kleinere Hermannsrode, dicht an der „eisenacher“ Grenze, doch 1 Stdch. westl. von Salzungen. In diesem ungleichen Viereck (Leimbach, Hermanns- u. Kaiserrode mit Hämbach) haben in neuester Zeit die ausgedehensten Kali-Bergwerke neues Gewerbeleben hervorgerufen, was durch das Eisenbahnnetz Salzungen – Vacha, Dietlas – (Heft II. S. 118) und Dermbach besonders gefördert wird.

In der zweiten Hälfte des vorigen Jahrhunderts noch zwar in der eben geschilderten Werragegend ein weit stilleres, aber doch nicht verkehrsarmes Leben. Von Tiefenort ab, dem der Werra jenseitigen größeren Dorfe (Titeshart 1155, Tiffenharz, 1207-1846 mit 2 Jahrmärkten, Justiz- und Rentamt, Superintendentur, Apotheke, Försterei und schönem Kammergut – ging seit 1838 eine Thurn- und Taxissche Fahrpost nach Stadtlengsfeld, welche die frequente Straße Salzungen-Vacha südwärts durchschnitt, wovon diese Flurenstelle „am Kreuz“ genannt wurde. Eine reizende Aussicht bot sich da (nach dem Thüringer- und Heringerwalde hin); ein dem Fußwanderer aber ganz besonderer Anblick richtet sich westwärts, südlich der Dorndorf-Vachaer Chaussee unmittelbar (wie jetzt noch der Eisenbahn) der hellstrahlende, wenig bebuschte aber von nettem Fischerhäuschen bewachte „Große Teich“, (257 m Spiegel), der an Umfang (nicht an Tiefe) den bekannten Salzunger See und auch jeden der 4 Frauenbreitunger Teiche wohl übertrifft, links und rechts der Landstraße noch je einen „kleinen Teich“ zum Zu- bezügl. Abfluß hat und sicherlich mehr gute Fische u. a. liefert, als die eben erwähnten Wasserbecken.

Die Quellen von Hämbach, (eine von dem Oekonomiehofe und eine westl. in dem Felde) senken sich in den seeartigen großen Teich.

L. F. von Sprengseysen (Obermarschkommissar des Fränkischen Kreises) schreibt (1791):

  1. »Die Werra, als der Hauptfluß des Meininger Landes, worin sich alle Flüßchen und Bäche der Gegend ergießen, – bis auf die Milz bei Römhild, welche in die fränkische Saale fällt -, führt außer der kleinen Sorte von Fischen: Karpfen, Aale, Barben, auch öfterer Lachse von 20 bis 30 Pfund. Mehrere Bäche haben Forellen, weniger Krebse. – Teiche, kleine „Seen“ z. B. bei Eckarts, Rosa, Bernshausen, Seba haben die schmackhaftesten Karpfen, Hechte, Schleyen, Barsche, Aalraupen, (wohl 9augen?).
  2. Salzwerke, Salpeter, Koobalt, (blaue Farbe), Eisenstein, Walkererde, Marmor, in einigen Gegenden giebt’s; zwischen Friedelshausen und Kaltenlengsfeld finden sich unterirrdische Holzkohlen, zumal in dem Berge Strucht auch ein himmelsblauer Letten, der Eigenschaft des Straßburger Thons (zu Vaijence-(Gefäßen) besitzt.
  3. Auf dem Berge ,,Pleß« steht ein Haus mit 2 Stockwerken für die Jägerei; 150-200 Wildschweine wurden in dieser Gegend erlegt (nicht weit davon ist das große Dorf Schweina). – Receßholz aus der Zillbacher Waldung; was nicht Gemeindewaldung ist, gehört zum Eisenacher Forstamt Zillbach. Die Klafter wird den Untertanen zu Helmers, Wernshausen u. Frauenbreitungen gegen 1 Schreckenberger = 3 Mk. 6 Pf. abgegeben (in Sa. 540 Klafter und 390 Schock Reißig).

aus
C. E. Bach
„Im Tullifeld“
Eine historisch-landschaftliche Umschau in engerer Heimat 
– der Vorderrhön –


[1] Die Ostsee, od. vielmehr der Spiegel derselben, ist 1,726 m höher als der von der Nordsee.

[2] Heim- u. Brückner schreiben: Die Hunnen haben 933 n. Chr. im Werragrund sehr gewütet! Die Stadt Salzungen an der Schnepfenburg, wie überhaupt Vieles in der großen Herrschaft Frankenstein verwüstet; die Stamm-Burg gleiches Namens nahm Kaiser Adolph 1295 ein und zerstörte sie; nach 1380 blieb sie ganz zerfallen.

[3] Die ehemaligen Breitunger Klöster finden in Heft V. [zu dem C.E. Bach leider nicht mehr gekommen ist] nähere Besprechung! Nach Heft I. S. 13 sind die rechts der Werra liegenden 3 Breitungen nicht zum Tullifeld gehörig gewesen, doch seltsamerweise nördlich der Flecken Barchfeld. –


Bücher und DVD über Geschichte, Landschaft und Kultur der Rhön und Thüringens
– nach Themen sortiert –


 

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