Der Zufall bei Niklas Luhmann

Evolution - Zufall oder Schöpfung?

Nachdem ich nun meine Interpretation des Zufalls zum Besten gegeben habe, will ich auch Herrn Niklas Luhmann die Chance geben, sich dazu zu äußern. 

»Die Bedeutung von Zufall in der Evolutionstheorie könnte so verstanden werden, als ob die Theorie auf ein Postulat der Unkenntnis gegründet sei — Unkenntnis bezogen auf die mikrophysikalischen, chemischen, biochemischen, neurophysiologischen, psychologischen Prozesse, die dann letztlich doch determinieren, was geschieht.[1] Damit würde das Problem jedoch auf eine erkenntnistheoretische Fassung und auf ein Paradox (Wissen gründet auf Nichtwissen) reduziert werden. Aber dies ist nur ein Sonderfall eines viel allgemeineren Gesetzes, daß nämlich Systeme immer begrenzte (reduzierte und gesteigerte) Resonanzfähigkeit aufweisen und füreinander, wenn man so formulieren darf, nur über „windows“ (Fenster) zugänglich sind. In anderen Begriffen könnte man auch sagen, daß alle Systeme Messungen durchführen müssen, um Informationen zu erzeugen, nach denen sie sich richten können. Deshalb ersetzt ein System Vollkenntnis der Umwelt durch Einstellung auf etwas, was für es Zufall ist. Nur dadurch ist Evolution möglich.

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Der Zufall in der Physik

Zufall populärwissenschaftlich bezweifeltWährend im alltäglichen Sprachgebrauch alles als zufällig bezeichnet wird, was man nicht vorhergesehen hat, wird durch die Mathematisierung der modernen Naturwissenschaften der Begriff des Zufalls wesentlich verschärft. Nach der klassischen Physik ist der Zufall eine rein subjektive Erscheinung, die darauf gegründet ist, dass ein vollkommen determiniertes Geschehen nicht durchschaut und vorausberechnet werden kann. Nach der Mathematik der Quantentheorie sind die Möglichkeiten eines Systems ebenfalls vollkommen festgelegt, aber nicht deren Realisierung als Fakten. Fakten ergeben sich, wenn die Schichten der Naturbeschreibung von Quantenphysik und klassischer Physik miteinander agieren. Die sich im Einzelfall ergebenden Fakten sind objektiv zufällig. Die Annahme, sie seien an sich wohlbestimmt aber unbekannt, ist experimentell widerlegt. Da aber in jedem Fall die Fakten sich nur im Rahmen der naturgesetzlich festgelegten Möglichkeiten realisieren können, unterscheidet sich der quantenphysikalische Zufall von einer reinen strukturlosen Willkür, die gleichsam „alles” als möglich erachten würde.

aus:
Görnitz, Thomas & Görnitz, Brigitte
Der kreative Kosmos
Geist und Materie aus Quanteninformation

Entmystifizierung des Zufalls

Ich will in diesem Beitrag versuchen – nun aber endgültig -; die in allen Fachgebieten zirkulierenden und sich teils widersprechenden Vorstellungen über den Zufall zu entmystifizieren. Die Definition des physikalischen Zufalls in der externen, vom Einfluss des Menschen unabhängigen Wirklichkeit, wie sie im Blogbeitrag hinter dem Link durch Thomas & Brigitte Görnitz formuliert wurde, erscheint mir als die plausibelste. Alles was geschieht, passiert innerhalb eines Möglichkeitsraumes, der durch die Naturgesetze und die Werte aller voneinander unabhängigen Einflussgrößen beschrieben werden kann. Wir können aber aus diesen Vorgaben nur vorhersagen, welche Ereignisse wahrscheinlich und welche sicher nicht eintreten werden. Weiterlesen

Julia Shaw: Meine Version der Wahrheit

Zum Video:
Erinnerungen gelten allgemein als authentisch, besonders auch als Zeugenaussagen vor Gericht. Forscher konnten nun nachweisen, dass sich dem Gedächtnis Erinnerungen von Ereignissen einpflanzen lassen, die nie stattgefunden haben. Wie genau entstehen falsche Erinnerungen und wie lassen sie sich von den wahrhaftigen unterscheiden?

Zitat aus dem Buch von Julia Shaw
DAS TRÜGERISCHE GEDÄCHTNIS, Wie unser Gehirn Erinnerungen fälscht
Aus dem Englischen von Christa Broermann, Carl Hanser Verlag, 2016

Nachdem uns Julia Shaw  in ihrem Buch DAS TRÜGERISCHE GEDÄCHTNIS an Beispielen und mit Experimenten bewiesen hat, wie unzuverlässig unser Gedächtnis funktioniert, ja wir uns sogar an Geschichten als unbezweifelbar wahr erinnern, die nie geschehen sind, macht sie in diesem Kapitel deutlich, dass dies in vielen Fällen auch eine Voraussetzung dafür sein kann, dass wir uns mit unserer Vergangenheit – also mit unserem bisher gelebten und erfahrenen Leben – glücklich fühlen können.

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Die Ich-Illusion

Wer mit der Idee Dörners „Bauplan für eine Seele“ Probleme hat, weil sie ihm die hehre menschliche Seele durch Dörners technische Beschreibung dieses ungewissen, abstrakten Etwas, das er Seele nennt, in Form eines Konstruktionsplanes vermieste, dem wird sich hier geholfen.
Gazzaniga erklärt uns diesen „Konstruktionsplan“ auf andere Weise und kommt trotzdem zu den gleichen Schlussfolgerungen wie Dörner darüber, was uns Menschen, unsere Seele bzw. unser ICH, im Unterschied zu Tieren ausmacht: die Fähigkeit über uns selbst als Abstraktum, als Illusion, nachdenken, uns gewissermaßen von außen, aus der Sicht eines anderen betrachten zu können.
Da unser Tun durch Naturgesetze determiniert wird – es besteht jedenfalls keine Notwendigkeit andere Erklärungsansätze für unser ICH oder das, was wir Seele nennen, vorauszusetzen – stehen wir vor der Frage, ob wir dann für unser Tun überhaupt moralisch oder strafrechtlich verantwortlich gemacht werden können. Ja, wir sind verantwortlich dafür was wir tun, denn wir können zumindest zwischen den Möglichkeiten „Tu ich’s?“ oder „Tu ich’s nicht?“ entscheiden. In Wirklichkeit stehen uns jedoch immer wesentlich mehr mögliche Handlungsalternativen zur Verfügung – die Zukunft ist der offene Raum der Möglichkeiten, die wir heute ergreifen oder morgen auch verschmähen können – et vice versa! Weiterlesen

Warum und wozu brauchen wir Philosophie, Wissenschaft und Ethik?

Wir haben von Dietrich Dörner auf 831 eng bedruckten Seiten erläutert bekommen, wie es möglich ist, einen „Bauplan für eine Seele“ zu erfinden, also modellhaft zu konstruieren, der unser Handeln und auch die menschliche Fähigkeit abstrakt denken zu können, plausibel und ausschließlich auf der Grundlage geltender Naturgesetze erklären könnte.
Mit Hilfe unseres Bedürfnisses zur Affiliation, zur Gesellung also, und unserer Fähigkeit zur Abstraktion, die uns im eigentlichen Sinne erst zu menschlichen Wesen, zum Homo sapiens sapiens, macht, schaffen wir uns eine gesellschaftliche und institutionelle Wirklichkeit, die aus abstrakten Dingen, wie kollektiver Intentionalität, Funktionszuweisungen und konstitutiven Regeln objektive Tatsachen erschafft, die nicht wesentlich durch die Naturgesetze determiniert werden müssen, um existieren zu können (John R. Searle „Die Struktur des gesellschaftlichen Universums. Wie der Geist eine objektive Wirklichkeit erschafft“ in „Geist, Sprache und Gesellschaft“). Wir schaffen uns auf diese Weise eine transzendente Kultur die rückkoppelnd auch wieder unser individuelles Weltbild, unser personales Bewusstsein und unsere individuellen Intentionen, prägt: Weiterlesen

Das Prinzip „Glück“

BoD_B2-Bellebaum_17517-1-28Um glücklich zu sein, muss man schon eine Menge Glück haben. Es ist eine weit verbreitete Meinung, dass das Glück einen überrascht wie ein Lottogewinn. Der Einsatz ist oft relativ gering, das Ergebnis lässt auf sich warten, aber man darf die Hoffnung nie aufgeben. Ob der Glücksfall dann auch wirklich eintrifft, wissen wir nicht. Erzwingen können wir ihn jedenfalls nicht. Ob wir dann richtig glücklich werden, wissen wir auch nicht. Wir sind aber guten Mutes, dass uns dann, wenn uns keiner mehr in der Sonne stünde, dazu schon etwas Zufriedenstellendes einfallen würde. Etwas erfahrungsgesättigter ist die Überzeugung der meisten Menschen, dass man mit einem dauerhaften Glück in diesem Leben wohl nicht zu rechnen hat. Manche halten es – wie die sauren Trauben – gar nicht für erstrebenswert, weil ihnen das Leben dann eintönig vorkäme. Aber die meisten würden dieses Risiko gern auf sich nehmen, wenn das „Schweineglück“ in Form von Geld, Erfolg, Macht oder sonstiger Güter bei ihnen vorbeischauen würde.

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Vom „Sinn des Lebens“

Das hatte nun der Adam davon, als er mit seiner Tuss Aische voll krass aus dem Paradies gefliegt, weil sie beide den blöden Apfel der Erkenntnis von Gut und Böse gegessen hatten:

„Kaum ein Geschehnis, welches nicht sofort eine Warum-Frage auslöst (und die an der Warum-Frage hängenden Suchprozesse). Kaum ein Ereignis, welches nicht eine Wozu- oder Wohin-Frage und die entsprechenden Suchprozesse hervorruft. Kein Bedürfnis, welches nicht Wie-Fragen erzeugen könnte und die damit verbundenen Such- und Konstruktionsprozesse, Vorstellungsabläufe, Konkretisierungsversuche, Schema- und Komplexergänzungen, kurz: Aktionen zur Schaffung neuer Realitäten. Die Ψscl haben einen aktiven Geist. Ihr Gedächtnis, ihr Bild von der Welt ist nicht mehr nur ein Sediment ihrer Erfahrungen, sondern sie konstruieren dieses Bild selbst und erfinden Hypothesen.“ [Dietrich Dörner in „Bauplan für eine Seele – Evas Apfel“]

Zwar können beide, Adam und seine Tuss, nun endlich darüber sinnieren, warum die Raum-Zeit-Krümmung für Verspätungen verantwortlich sein kann, worin der Unterschied zwischen inkognito und in flagranti besteht und warum oder ob überhaupt das endoplasmatische Retikulum zu Schlafstörungen führt, … – ob das aber so vergnüglich wird?

Denn statt dessen hätten die Beiden ergötzlich und unbeschwert von ergebnislosen Sinnfragen miteinander kopulieren, fressen und saufen können, ohne sich je Gedanken darüber machen zu müssen, warum und wozu sie Gott geschaffen haben könnte – außer eben zum fressen, saufen und sich zu vermehren. Wenn Adam nicht darüber nachdenken muß, wie Camus befürchtet, ob alles Menschliche rein menschlichen, göttlichen oder natürlichen Ursprunges ist, er also immer on the road ist – bleibt er ein geistig Blinder, der nie sehen wird und nicht weiß, daß seine Nacht kein Ende hat. Weiterlesen

Der freie Wille

homunkulus_kSchau dir das Bild meines Gehirns an, gell du siehst darin einen Homunkulus, tief in Gedanken versunken? 😉

Was er wohl denkt? Ist er es, der meine Gedanken steuert, sozusagen mein freier Wille? Fasst er unabhängig von den Bedürfnissen meines Körpers und überhaupt losgelöst von all meinen bisherigen Erfahrungen (meiner Biografie) und meiner Umwelt zufällige Entschlüsse zum Handeln? Hat also mein Wille keine Ursache in mir überhaupt etwas zu wollen, existiert er unabhängig von den Bedürfnissen meines Körpers? – So einleuchtend dieser Gedanke im ersten Moment auch erscheinen mag, im nächsten Moment wird er zum Alptraum werden, denn ich wäre Sklave meines freien Willens, sofern er unabhängig von meinem Körper agierte. Aber ist andernfalls mein ICH dann nicht auch nur Sklave meines Körpers?
Tun wir denn nichts aus freien Stücken? Was zwingt uns dazu, überhaupt etwas zu tun? – nun, von außen nichts und niemand. Aber ganz sicher ist ein ganz spezieller Mix der fünf Grundbedürfnisse des Menschen die Ursache all dessen, was wir empfinden und wollen. Erinnere dich daran, was Dietrich Dörner unter „Gefühle? Gefühle!“ ausgeführt hat, dann wirst du mich besser verstehen können.
Wir handeln frei, so jedenfalls fühlen wir es, wenn wir unsere fünf Grundbedürfnisse: Existenzerhaltung, Sexualität, Affiliation, Bestimmtheit und Kompetenz befriedigen. Handeln wir unseren Bedürfnissen zuwider, dann fühlen wir uns unfrei, durch Ursachen gezwungen, die nicht in unserem Selbst (d.h. nicht im Einklang mit unserer Seele, wie sie Dörner versuchte zu konstruieren) ihre Ursache haben.
Aber lies selbst: Weiterlesen

Was ist Zufall?

 

zufallDieses lustige Bild entstand durch „Zufall“, weil der Fotograf das Objektiv seiner Kamera zur rechten Zeit und am rechten Ort in die richtige Richtung gehalten hatte und dann noch im rechten Moment auf den Auslöser drückte. „Erfolgreich ins Bild zu kriegen – das ist die Kunst“ schrieb der Fotograf unter das Bild.

Und was lehrt uns das?
Der Zufall kann kreativ sein, aber nicht nur das, sondern auch effizientes Handeln ermöglichen, denn überlege dir mal, wie lange es gedauert hätte, diese Aufnahme zu arrangieren. Effizienz heißt übrigens: Dinge richtig tun; der Aufwand soll im richtigen Verhältnis zum Ergebnis stehen, die Kosten-Nutzen-Rechnung ein Plus ergeben. Effizienz sollte nicht verwechselt werden mit der Effektivität. Effektivität heißt: die richtigen Dinge tun; die Wirksamkeit des Tun im Gesamtzusammenhang und damit die Orientierung auf das Ziel (Output) ist vorrangig.
Aber zunächst: „Was ist Zufall?“ Weiterlesen
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