J. S. Bach: Aria der Goldbergvariationen BWV 988 (Lautenklavier)

Ich denke diese Aria eignet sich hervorragend zur Interpretation auf dem Lautenklavier, während die folgenden Variationen doch eher ein zweimanualiges Cembalo erfordern. Das Lautenklavier, von dem meine Samples aufgenommen wurden, wird  in der folgenden PDF-Datei „Lautenwerck, Rekonstruktion von Ludwig Richter, 1995 (Andreas E. Beurmann)“ beschrieben.

Zur Entstehung der Goldbervariationen schreibt Christian Eisert im Booklet der Edition aller Werke Johann Sebastian Bachs durch die Bachakademie Stuttgart unter der Überschrift „Bach, Keyserlingk + Goldberg = Goldberg-Variationen BWV 988“:

Über die Entstehung der Goldberg-Variation sind wir durch J. N. Forkel, dessen Bach-Biographie Ueber Johann Sebastian Bachs Leben, Kunst und Kunstwerk im Jahre 1802 erschien, relativ gut informiert. Glauben wir den Ausführungen Forkels, der seine Informationen wiederum von Bachs ältesten Söhnen Wilhelm Friedemann und Carl Philipp Emanuel bekam, dann sind mit der Entstehung des Werkes zwei Namen besonders eng verbunden. Demnach schrieb Bach seinen Variationszyklus im Auftrag des Reichsgrafen Keyserlingk, der sich für seinen Cembalisten Goldberg einige Clavierstücke bei Bach bestellte, »die so sanften und etwas muntern Charakters wären, daß er dadurch in schlaflosen Nächten ein wenig aufgeheitert werden könnte. Bach glaubte, diesen Wunsch am besten durch Variationen erfüllen zu können, die er bisher, der stets gleichen Grundharmonie wegen, für eine undankbare Arbeit gehalten hatte. Aber so wie um diese Zeit alle seine Werke schon Kunstmuster waren, so wurden auch diese Variationen unter seiner Hand dazu. Auch hat er nur ein einziges Muster dieser Art geliefert. Der Graf nannte sie hernach nur seine Variationen.« (Forkel)

 

Wer waren nun Keyserlingk, der Auftraggeber der Variationen und Goldberg, ihr erster Interpret?

 

Reichsgraf Hermann Carl Freiherr von Keyserlingk (1696-1764) war mehr als drei Jahrzehnte als russischer Gesandter an mehreren europäischen Höfen, unter anderem auch ab 1733 am Kurfürstlich-Sächsischen Hof in Dresden. Der Kurfürst von Sachsen, Friedrich August II., für dessen Namenstag 1733 Bach seine Kantate Frohes Volk, vergnügte Sachsen (BWV Anh.12) geschrieben hatte, wird als August III. König von Polen. Zu dessen Krönung 1734 in Krakau komponiert Bach wieder eine seiner weltlichen Glückwunschkantaten (Blast Lärmen, ihr Feinde BWV 205a), ein oder zwei Jahre später folgt erneut eine Kantate zum Namenstag des Königs. Keyserlingks diplomatischen Bemühungen ist es zu verdanken, daß die Streitigkeiten zwischen August III. und dem polnischen Gegenkönig um die Erbfolge beendet werden konnten. Und vermutlich ist es auch mit sein Verdienst, daß Bach 1736 den Ehrentitel eines »Königlich Pohlnischen und Chur Sächsischen Hoff-Compositeurs« erhält.

 

Zurück zu Keyserlingk: während seiner ersten Dresdner Gesandtschaft (1733-1745) wird er auf die Familie Bach aufmerksam. Hier amtiert in der gleichen Zeit Bachs ältester Sohn, Wilhelm Friedemann, als Organist an der Sophienkirche, die zugleich Hofkirche ist. Als Dank für die Ernennung zum »Hoff-Compositeur« gibt J. S. Bach am 1. Dezember 1736 ein großes Orgelkonzert in Dresden auf der neuen Orgel der Frauenkirche in Gegenwart des russischen Gesandten von Keyserlingk. Daß Keyserlingk von Bach mehr als beeindruckt war, ist anzunehmen. Es scheint zwischen ihm und der Familie sogar zu freundschaftlichen Beziehungen gekommen zu sein. Bach besucht jedenfalls mehrmals den Diplomaten, der umgekehrt auch Gast in Leipzig ist. Keyserlingk übernimmt die Patenschaft von Carl Philipps jüngstem Sohn, später hilft er Wilhelm Friedemann in dessen wirtschaftlich schlechten Zeiten. Ab 1747 ist er Gesandter in Berlin, vielleicht ist hier er als glühender Bewunderer des Thomaskantors auch einer der Initiatoren von Bachs geschichtlich und musikalisch ereignishaftem Besuch in Potsdam im Mai 1747.

 

Über Keyserlingk kommt Goldberg ins Spiel. Johann Gottlieb Theophilus Goldberg, 1727 in Danzig geboren, muß ein begnadetes musikalisches Talent seiner Zeit gewesen sein. Um 1733 wird Keyserlingk auf Goldberg aufmerksam und läßt ihn bei Wilhelm Friedemann Bach in Dresden ausbilden. Zwischen 1740 und 1742 schickt Keyserlingk den jungen Goldberg zum Unterricht bei J. S. Bach in Leipzig. Spätestens hier finden wir den Anlaß, der um 1741/42 zur Komposition von Bachs letzter ClavierÜbung geführt hat. Es ist jedenfalls anzunehmen, daß Keyserlingks Wunsch, »einige Clavierstücke für seinen Goldberg« (Forkel) zu erhalten, in engstem Zusammenhang mit dessen Unterricht in Leipzig steht. Wir können davon ausgehen, daß Bach mit seinen Variationen der geistigen Reife und dem musikalischen Können dem gerade 14jährigen Goldberg mit den Variationen ein außerordentliches Zeugnis ausgestellt hat.

 

Daß Goldberg auch die nächsten Jahre in Haus und Diensten Keyserlingks verbringt, unterstreicht Forkels Bericht, wonach sich der Graf »seine« Variationen in schlaflosen Nächten von Goldberg vorspielen ließ – um sich die Zeit vertreiben zu lassen und nicht, wie immer wieder zu lesen ist, sanft in den Schlaf gewiegt zu werden. Dem Kenner des Werkes mag dies ohnehin schwerlich einleuchten: Bachs Musik taugt in ihrer Vielfalt und Kunstfertigkeit bestimmt nicht zum Einschlummern …

 

Als früh vollendetes Genie stirbt Goldberg mit nur 29 Jahren, von seinen Zeitgenossen als einer der besten Improvisatoren und vorzüglichsten Komponisten um 1750 beschrieben.

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