J. Brahms: 4 Klavierstücke op. 119

für mich „The Best Of“ aller meiner Versionen von Opus 119 – gefühlvoll „verbrahmst“

Liste der Stücke und der Zeitpunkt ihres Starts im Video:

00:05 Nr. 1 Intermezzo h-moll (Adagio)
03:53 Nr. 2 Intermezzo e-moll (Andantino un poco agitato)
08:36 Nr. 3 Intermezzo C-Dur (Grazioso e giocoso)
10:27 Nr. 4 Rhapsodie Es-Dur (Allegro risoluto)

Hinter meinen verschiedenen MIDI-Einspielungen, die sich lediglich durch die räumliche Anordnung der Aufnahmemikrofone bzw. durch die verwendeten Pianosamples unterscheiden, verbirgt sich allerdings auch meine Lust auf Jux und Tollerei mit den dummen Robots, die die Aufnahmen nach Urheberrechtsverletzungen durchsuchen.


Video einer Einspielung mit einem einem Mix von Galaxy-Samples (klingt  meiner Meinung nach „forscher“ als die alte Version).


Ältere Einspielung auf einem Steinway D

Heinrich Engelhard Steinweg, ursprünglich Klavierbauer der Steinweg Klaviere, wanderte 1850 von Deutschland nach Amerika aus. Im Jahr 1853 gründete Steinweg die Firma Steinway & Sons, bis zum Jahr 2006 hatte Steinway insgesamt 570000 Flügel und Klaviere gebaut. Der Steinway Model D 270 ist wahrscheinlich der populärste Konzertflügel überhaupt. Für den Galaxy Steinway wurde ein Steinway D in den Galaxy Studios in Belgien aufgenommen, einem der angesehensten High-End-Tonstudios in Europa mit eine hervorragend klingenden Konzerthalle. Das Instrument wurde von Studiobesitzer Wilfried van Baalen aus Dutzenden von Instrumenten bei Steinway/Hamburg ausgesucht. Die Aufnahmen wurden sowohl in stereo, als auch in 5.1 Surround durchgeführt.


2. Einspielung mit einem Blüthner Stutzflügel von 1929

Die Pianofortefabrik Blüthner in Leipzig ist einer der ältesten und renommiertesten Klavierhersteller der Welt. Blüthner-Pianos sagt man einen warmen, romantischen, singenden Klang nach. Ihr lyrischer Charakter kommt besonders in der Kammermusik gut zur Geltung. Blüthner baut Klaviere seit 1853. Schon 1885 war die Firma der größte europäische Klavierhersteller. Berühmte Komponisten, Dirigenten und Pianisten besaßen Blüthner Flügel, darunter Brahms, Bartok, Debussy, Tchaikovsky und Wagner. Blüthner Klaviere waren ebenso beliebt in der Pop Musik. So wurde ein Blüthner benutzt auf dem Let It Be Album der Beatles, besonders gut zu hören auf den Titeln ‘Let It Be’ und ‘The Long and Winding Road’. Meine MIDI-Einspielung basiert auf Samples eines BLÜTHNER Model 150, gebaut im Jahre 1929. Dieser wunderschöne Vintage Flügel zeichnet sich durch einen warmen, lyrischen und intimen Ton aus.


3. Einspielung mit einem Bösendorfer Imperial 290

Dieser Bösendorfer basiert auf Samples eines edlen 290cm langen Bösendorfer Imperial Konzertflügels, berühmt für seinen kraftvollen Resonanzboden und seine um eine Kontraoktave erweiterte Tastatur. Er ist ein charaktervoller, energiegeladener Flügel mit einem druckvollen Bass bei gleichzeitigem sanftem Timbre im pp-Bereich. Er ist gleichermassen geeignet für Klassik, Jazz und Popmusik.
Gegründet von Ignaz Bösendorfer im Jahre 1828, ist Bösendorfer der älteste noch bestehende Flügelhersteller mit einer herausragenden weltweiten Reputation. Aufsehen erregte bereits 1900 der Imperial-Flügel mit 8 Oktaven Tonumfang (vom Subkontra-C bis zum c5), der auf Anregung von Ferrucio Busoni gebaut wurde. Mit seinen 290 cm war der „Imperial“ lange Zeit der längste in Serie hergestellte Flügel und ist bis heute das einzige Klavier mit 97 Tasten. Die zusätzlichen Tasten dienen in erster Linie für eine verstärkte Resonanz, sind aber mit Galaxy II spielbar. Der Bösendorfer Imperial ist berühmt für seinen kraftvoll klingenden Resonanzboden.
Der Vienna Grand wurde in den Hansahaus Studios in Deutschland aufgenommen, das einen ausgezeichneten Ruf für seine hervorragenden Jazz-Aufnahmen hat und dafür bereits mit zwei Grammys ausgezeichnet wurde.


Die Herbstbilder in den Videos beziehen sich auf den Satz von Walter Niemann:

Wenn man mit Recht diese spät-Brahmsschen „Kinder des Herbstes, goldene saftige Früchte voll reifer, starker Süße“ genannt hat, so deutet das vor allem auf ihren meist tiefresignierten, müden und weltschmerzlich-pessimistischen Grundton hin. In den Intermezzi klingt er natürlich am feinsten und ergreifendsten durch. Die „stillen Herbstbilder“ überwiegen.

in Bezug auf op. 116 – 119 in seiner Brahmsbiografie, den man in meinem Auszug aus seiner Brahmsbiografie „Die lyrischen Klavierstücke von Johannes Brahms“, wiederfinden wird.

Zum ersten Intermezzo h-moll von opus 119 schrieb Johannes Brahms im Mai 1893 in einem Brief an Clara Schumann:

»… Ich bin in Versuchung, Dir ein kleines Klavierstück (op. 119) abzuschreiben, weil ich gern wüßte, wie Du Dich damit verträgst. Es wimmelt von Dissonanzen! Diese mögen recht sein und zu erklären – aber sie schmecken Dir vielleicht nicht, und da wünschte ich, sie wären weniger recht, aber appetitlich und nach Deinem Geschmack. Das kleine Stück ist ausnehmend melancholisch, und »sehr langsam spielen« ist nicht genug gesagt. Jeder Takt und jede Note muß wie ritard. klingen, als ob man Melancholie aus jeder einzelnen saugen wolle, mit Wollust und Behagen aus besagten Dissonanzen! Herr Gott, die Beschreibung wird Dir Lust machen!

Zitiert aus Walther Siegmund-SchultzeJohannes Brahms”. Ich habe einen Auszug aus dieser Biografie unter dem Titel „Johannes Brahms – Die letzten Klavierstücke” zum Lesen für die Interessierten angefertigt.

4 Klavierstücke op. 119 (1892).

In seinem letzten Klavierzyklus hat Brahms noch einmal 3 Intermezzi intimen Charakters zusammengefaßt und ihnen eine Rhapsodie folgen lassen, die nicht nur jenes Opus, sondern sein gesamtes Klavierschaffen abschließt.

Mit Nr. 1, dem Intermezzo h-Moll (Adagio, 3/8), verbindet sich eine schmerzliche Huldigung an Schumann (speziell wird sein erschütterndes Nachspiel zum Heine-Lied »Am leuchtenden Sommermorgen« aufgegriffen). An Clara schrieb Brahms von diesem Stück, es sei »ausnehmend melancholisch« und wimmle von Dissonanzen. Ein Seufzermotiv aus 2 Tönen, von deren erstem jeweils farbige Terzketten herabtropfen, bestimmt die Außenteile. In der Mitte überrascht eine zarte, chromatisch geführte walzerartige Episode, in die sich eine »Tristan«-Reminiszenz einschleicht.

Die beiden so wesensverschiedenen Themen des e-Moll-Intermezzos (Nr. 2; Andantino un poco agitato, 3/4) — ein klopfend rhythmisiertes (Dreitonzelle) mit 3 Wandlungen und eine ländlerartige E-Dur-Melodie (Andantino grazioso) — benutzen dieselben Töne.

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Der geistreiche Kontrapunktiker arbeitet gerade in diesem beseelten Mittelsatz mit Kanontechnik (NB a). Als Beleg für dynamische und rhythmisch pointierte Baßgestaltung diene ein Takt aus dem A-Teil; dort sind die harmonischen Stütztöne in einem latenten 3/16-Takt angeordnet. Damit erreicht Brahms eine enorm vorwärtstreibende Wirkung (NB b).

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Siegmund-Schultze, der das gesamte op. 119 in Aufbau und manchen Details der 4. Sinfonie von 1885 vergleicht, teilt dem C-Dur-lntermezzo (Nr. 3) die Funktion eines Scherzos zu. Die Bezeichnung »Grazioso e giocoso« spricht dafür; das Attribut »grazioso« findet sich zudem häufig bei Brahms’ (mitunter etwas spröden) »Bewegungsstücken«. Das treffliche Werk lebt aus Kontrasten — einmal der Artikulation (Leggieroakkorde m. d., Legatoarpeggien m. s.), dann des Metrums (der vorgegebene 6/8- muß oft genug mit dem 3/4-Takt koexistieren oder ihm gar weichen). Reiche Modulationen füllen die Mittelstrecke. Die Aufgipfelung des letzten Höhepunkts erreicht der Komponist vor allem durch Aufwärtssequenzierung und fortschreitende Motivverknappung.

Die op. 119 und zugleich Brahms’ Klavierwerk überhaupt abrundende Es-Dur-Rhapsodie (Nr. 4; Allegro risoluto, 2/4) wirkt in der Tat wie das Finale des Großzyklus der letzten 4 Opera und besitzt geradezu sinfonisches Gewicht. Ohne Auftakt setzt das kompakte, 5taktig phrasierte Hauptthema ein; weiter enthält der A-Teil noch ein Motiv aus Vierteln mit Tonwiederholungen (Bläsersatz!), beantwortet von 16tel-Kaskaden der Rechten, sowie einen balladeskcn Triolenausklang, dessen Spitzentöne hinweisen auf die Melodie des eigentümlichen As-Dur-Mittelteils. Dort zaubert Brahms aus beidhändig arpeggierten Akkorden und Vorschlägen eine zärtliche Serenadenstimmung (p, grazisoso) mit berückenden Klangwirkungen. Wie in so manchem Stück der späten Werkgruppen kann er der Versuchung nicht widerstehen, die Melodie zuletzt in die Mittellage zu betten. Spiegelförmig folgen nun die konstitutiven Elemente des A-Teils. Eine Besonderheit stellt die Coda dar, die es-Moll statt Durtonika erzwingt, doch geschieht diese Wendung unter Entfaltung aller Kraftreserven und bei Nutzung der hohen Klavierlagen. Das trotzige Moll ist hier ein Haltungsindiz: Ungebeugt und selbstbewußt schließt op. 119 und das Klavierwerk des Komponisten.

Christof Rüger
in
Konzertbuch Klaviermusik
VEB Deutscher Verlag für Musik
Leipzig 1979

 

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