Hexenverfolgung in der Rhön
Inhalt
- Über den Aberglauben
- Hexenverfolgung im Feldatal
- aus den Akten derer von Boineburg
- Über den Besessenheitswahn
- Hexen und Drogen im Mittelalter
- C. E. Bach: Die Zeit der Hexenverfolgungen und der Judenprozesse
Über den Aberglauben
Hexenglauben erlebte auch ich noch, nicht in unserem Dorf – aber in unserem Nachbardorf Oechsen gab es immer wieder Fälle von Hexerei, oft musste aus Weilar ein Hexenmeister geholt werden, der diesen Zauber lösen sollte. In Gehaus fanden diese Wahnvorstellungen keine rechte Grundlage, sei es, dass wir Gehauser dringendere Existenzsorgen hatten oder dass wir in Kalischächten und im Porzellanwerk arbeiteten und durch das Zusammenleben mit Zigeunern und Juden wesentlich toleranter waren als die reichen Oechsener Bauern. Wie sehr auch früher die Kirche diesen Aberglauben genutzt hat, um die Menschen unter ihrem Einfluss zu halten, mag der folgende Ausschnitt aus der Gehauser Dorfchronik des Paul Gerstung beweisen.
Die traumatischen Erlebnisse im Dreißigjährigen Krieg haben sicher einen großen Einluss darauf gehabt, dass sich Menschen tatsächlich von Dämonen besessen glaubten. Im Diagramm „Hexenverfolgung in Thüringen“ ist eine erneute Zunahme der Hexenverfolgungen nach dem Dreißigjährigen Krieg festzustellen.
Ludwig Bechstein hat Aktenstücke im Großherzoglichen Amtsarchive zu Kaltennordheim aus dem Jahre 1664 zur Grundlage seiner Geschichte „In optima Forma“ über einen Hexenprozess in Kaltennordheim genommen, diese Geschichte kann als PDF-Datei gelesen werden.
Die PDF-Datei über „Hexen und Hexenprozesse in Deutschland“ (kann durch Klicken auf das Inhaltsverzeichnis online gelesen oder auf den heimischen PC geladen werden)
beleuchtet dieses Phänomen vom wissenschaftshistorischen Standpunkt. Ich habe einen Text über Besessenheitswahn von Dr. Stephen Juan aus dem Buch „Albert Einstein oder die Putzkolonne im Kopf“ zitiert. Erkenntnisse der heutigen Psychologie legen es zumindest nahe, dass eine gewalttätige traumatische Kindheit auch Ursache für Dämonenwahn sein können. Und selbst ein verbrecherischer Gehirn kann dadurch ausgelöst sein – womit das Bandenunwesen der damaligen Zeit auch eine weitere Erklärung fände.
Essenzubereitung von mit Mohn gestrecktem Mehl, durch nicht aussortiertes Mutterkorn oder gezielte Einnahme von Drogen konnten Halluzinationen hervorrufen. Das kann ein Abschnitt aus dem Buch „Pflanzenheilkunde“ von Wolfgang Widmaier wirklich besser erklären: Hexen und Drogen im Mittelalter.
Es darf bei all dem nicht vergessen werden: die Prozesse wurden auch in protestantischen Ländern und immer von von staatlicher Seite durchgeführt, die katholische Inquisition hatte damit nichts mehr zu tun!
Empfehlen möchte ich noch eine sehr informative Website vom Kampf des Anton Praetorius gegen die Hexenverfolgung.
In meinem Weblog kann man sich auch zwei große Online-Dokumentationen (Video) ansehen:
Scheiterhaufen – Die große europäische Hexenjagd
und auf der gleichen Seite die Dokumentation:
Hexen – Magie, Mythen und die Wahrheit (Über die Nachwirkungen des Hexenglaubens im Dritten Reich)
Hexenverfolgung im Feldatal
Noch sind die Wunden, die der 30-jährige Krieg hinterlassen hat, nicht vernarbt, als mit Teufelsspuk und Hexenwahn eine neue Not auch über die Menschen unserer engeren Rhönheimat hereinbricht. Unschuldiges Opfer ist vor allem die Frau, seit eh und je entrechtet und von der Kirche diskriminiert.
Als Hexe beschuldigt, bringt sie als die Buhlin des Teufels Unheil über Menschen, Tier und Pflanzen.
Unwissenheit und Irrglauben, nicht zuletzt Missgunst, Habgier, Neid und menschliche Niedertracht liefern die Unglücklichen so den Folterknechten aus, aus deren Händen es kein Entrinnen gibt.
In der Straforder des Eisenacher Herzogs aus dem Jahr 1657 heißt es dazu: „…so jemand in Vergessung seines christlichen Glaubens mit dem Teufel Verbündniß aufrichtet, soll dieselbe Person, ob sie gleich mit Zauberey niemand Schaden zugefüget mit Feuer vom Leben zum Tod gerichtet werden“.
Wenn man so will, ist das ein Freibrief für den Mord an Menschen, die man sich gerne vom Hals schaffen möchte.
Aber selbst dort, wo man Einsicht, besseres Wissen, Vernunft und Aufgeklärtheit erwarten möchte, sitzt das Trauma des Teufels- und Hexenglaubens tief und hält Seele, Geist und Sinne der Menschen umfangen. Der Schöppenstuhl in Jena als oberstes weltliches Gericht wie auch das Konsistorium in Eisenach als oberstes kirchliches Gericht, haben in der Regel keine Bedenken, die ihnen zur Bestätigung vorgelegten Todesurteile zu unterschreiben.
Wie es mit den Ärmsten zu Ende geht, das erfahren wir aus folgenden Aktennotizen:
Dermbach 1676
- 21.4., „.. .Anna, Elisabeth des St… Weib der Hexerei angeklagt, verurteilt, enthauptet und verscharrt
- 13.4. „..des Martin K.. Eheweib Marthe wegen Buhlschaft mit dem Teufel durch Feuer vom Leben zum Tod hingerichtet“.
Oberalba 1679
- „.. des Valten G…..Witwe, 76 Jahre alt, während des Prozesses in der Tortur gestorben…“
Fischbach 1683
- 9.4. „…Marthe K…. lebendig verbrannt“
Neidhartshausen 1681
- 27.5. “ . . .Kunigunde S… der Teufelsbuhlschaft angeklagt, verurteilt, enthauptet und verbrannt“.
Weilar
- 1683 6.4. „… Susan A. …, Christian M…, Margarethe H… und Cyriak M… der Zauberey und Giftmischerey angeklagt. Mit dem Feuer vom Leben zum Tod gebracht…“
- 1674 „… weil mit dem Teufel im Verbündniß Anklag gegen Casper Sch….., der sich öffentlich berühmst im Baier Edelerz gefunden zu hoben“.
Lengsfeld
- 1574 13.6. „…die Korn Kothri in Tortur genommen, verurteilt und bei der Hexentanne lebendigen Leibs verbrannt“.
- 1586 5.7. „…die Hainin wegen Hexerei verbrannt“.
- 1714 „…die Deichin-Anna in de Hexenstube peinlich verhöret. Vorher bekennet sie, dass sie bei der Hexenzusammenkunft und -mahlzeit dabey gewesen, wurde sie auf einem Schlitten unter die Hexentanne gefahren, enthauptet und verbrannt“.
Unteralba
Das Dorf scheint dem Hexenglauben in besonderer Weise verfallen zu sein.
1634 „…soll es in Unteralba so viel Hexen gegeben haben, dass man sie in der Luft habe sausen hören“. Nach dem gleichen Bericht beklagt sich das Amt in Kaltennordheim „über die Menge der Hexen in Unteralba“ bei der Regierung in Eisenach.
So ist es denn auch Unteralba, das uns mit dem Prozess gegen die Butter-Lies einen der spektakulärsten Hexenprozesse aus unserer näheren Umgebung überliefert.
Eröffnet wird das Verfahren am 21. Juli 1657. Acht Einwohner des Dorfes, darunter der eigene Bruder, treten mit Anschuldigungen gegen sie auf. Dem Chronisten zugängliche Schriftzeugnisse gestatten es, dem Ablauf des Prozesses genauer zu folgen.
Der eigene Bruder sagt aus:
„…die Schwester, da sie doch in etlichen Jahren nicht bey ihm gewesen, sey zweimal aufeinander gekommen, darauf er so krank geworden, dass er kein anderes gedenken könnte, sie hätte ihm die Krankheit angehext“.
Sinngemäß zusammengefasst, enthalten die weiteren Zeugenaussagen folgende Anklagen gegen sie:
- „… sie habe beim gemeinsamen Tränken der Pferde am Dorfbrunnen ein Pferd auf allen Vieren lahm gemacht, dass dasselbige nicht mehr von der Stell gekommen“
- „… über ihn selbst (ein Metzger aus Salzungen, der Chr.), seinen Sohn und den Schäfer in Unteralba sey groß Unheil gekommen, als er etliche Hameln von dorten habe holen wollen“.
- „… ihren Raum (Rahm, d.Chr.) und Butter, die Milch dazu nähme sie von anderer Leute Kühe“,
- „… zweien, die auf ihrem Feld Schotenerbsen gepflücket habe sie zugerufen: „Wenn das meine Mutter wüßte, würdet ihr stechlahm gemacht!“,
- „… dem Schultheißen habe sie einen Ochsen gesterbet“,
- „… dem Ecke Kaspar, der auch in ihr grün Erbsen gewesen habe sie die Lahmheit angehext“,
- „… ein Kind, das von ihr Kuchen genommen, sey gleich darauf sehr krank geworden, ebenso des Simon Knecht Hannes weil er es ausgeschlagen, ihr die Au (Aue = Wiese, d. Chr.) zu mähen“,
- „… sie habe um Mitternacht mit feurigen Augen vor ihre Bett gestanden und erst auf Hilfeschrei wieder aus der Stube gegangen, so eine Wöchnerin.
Am 27. Aug. 1657 wird die Butter-Lies in Haft genommen und zu 80 Punkten der Anklage verhört. Sie sagt aus:
- „… sie habe mit ihrem Bruder nicht gezürnt und nicht bey ihm gewesen, weil er sich immer voll und toll besoffen. Sein gottlos Saufen habe das alles zu Wege gebracht. Mit den anderen Anschuldigungen habe sie nichts zu tun“.
Am 25. Sept. 1657 werden die Zeugen über ihre Aussagen eidlich vernommen.
Am 25.l0.1660 entscheidet der Schöppenstuhl in Jena:
„… die Inquisitin ist zuvörderst mit den Zeugen zu konfrontieren und da sie auf ihr Verneinen verharret, nochmals in Güte und in Gegenwart des Scharfrichters und sein zur Peinlichkeit gehörigen Instrumente zu examinieren und wenn sie noch nicht bekennet, vermittels peinlicher Tortur zu befragen und ihre Aussagen mit Fleiß zu bezeichnen“ .
Es folgen weitere Verhöre, die kein Geständnis bringen. Im Verhör am 25.10.1660 protokolliert der Gerichtsschreiber:
„…im Beisein des Scharfrichters und seiner Instrumente, in Güte zu bekennen, erinnert worden, weil aber dasselbe nicht verfangen wollte, ist sie mit ziemlicher Tortur angegriffen worden, worin sie bis in die 6. Stunde verharret und sodann gebeten, sie derselben zu entledigen, wollte alles bekennen“ .
Daumenschrauben, spanischer Stiefel, Spannbock und glühendes Eisen brechen ihren Widerstand und sie bekennt:
„… ja, sie sei eine Hexe, sey in Teufels Namen getauft und habe mit ihm Unzucht getrieben. Ihren Tanz hätten sie jährlich auf Walburgistag im Lindig bei Lindenau gehalten und waren ihrer drei Tisch voll gewesen. Sie habe die Pferd lahm gemacht, dadurch, dass sie vor ihnen ein Kreuz gemacht das Kinderpulver in Teufels Namen auf den Weg gestreut. Sie habe selbst ihre zwei Kinder gesterbet, weil es ihr Buhl ihr befohlen, sie umzubringen, welches auch geschehen“
Wenn auch die Protokollblätter nichts über ihr Ende berichten, so dürften Irrglauben, Ungeist, Unwissenheit und menschliche Bosheit auch die Butter-Lies auf den Scheiterhäufen gebracht haben.
Die Fälle, wo die Betroffenen die Folter überstehen, sind selten.
1687 wird in Oberalba des Georg H… Eheweib Barbara trotz guten Leumunds und „gut Zeugniß“ des Beichtvaters (Entlastungszeugen kennt die damalige Justiz nicht) in die Marterstube eingeliefert, wo ihr durch Examination das Geständnis der Teufelsbuhlschaft abgepresst werden soll.
Es hilft ihr wenig, wenn sie immer wieder fleht:
- „Ihr hohe Herrn, ich bin keine Hexe und habe mit dem Satan nichts zu tun.“
Was die „hohen Herrn“ darauf zu antworten haben, klingt drohend:
„… ob sie sich vom Satan nicht habe taufen lassen; vom Born-Köss den Ochsen nicht bezaubert, dass diesem beide Hörner abgebrochen und deshalb 18 Wochen nicht zu gebrauchen gewesen? Ob sie dem Linden-Fried vor 5 Jahren nicht zwei Kühe gesterbet und des Schäfers Magd Hanne behext, dass selbige ein halbes Jahr krank und gestorben. Ob sie nicht die Hütherin voll Läuse gemacht und ihr ein Kind gesterbet“?
Da sie nichts zu gestehen hat, wird sie dem Scharfrichter übergeben. Der Gerichtsschreiber protokolliert:
„… der Scharfrichter ihr die Daumenschrauben angelegt und da sie nicht bekennen wolle, diese zuschraubt und fester zuschraubt, worauf sie heftig geschrieen, der Herr solle sich ihr erbarmen und dass sie nichts mit dem Teufel zu schaffen habe. Nachdem sie die Daumenschrauben eine halbe Stunde ausgehalten, hat sie der Scharfrichter mit den „spanischen Stiefel“ angegriffen und so zugeschraubt, dass sie laut geschrien: „Hilf Himmel, o Jesu komm und hilf!“ Nachdem sie 1 Stunde lang die Marter ausgehalten, ist abgelassen worden.
Dann die Sanduhr umgedreht, kopfunter an der Leiter aufgehänget, dann auf den Spannbock gelegt und gedehnt. Nachdem sie die Marter 4 Stunden ausgehalten, ist endlich davon losgelassen“.
Halb irrsinnig vor Schmerz bleibt sie standhaft und übersteht die Tortur.
Der Allerdurchlauchtigste Herzog Joh. Georg von Sachsen, als „gütiger“ Landesvater, verfügt unter dem 14.3.1688:
„… die Inquisitin ist nach abgelegter Urfehd der gefänglichen Haft und Inquisition zu entlassen und fürderhin auf ihr Lebenswandel gut Acht zu geben, die für solch Inquisition aufgebrachten Kosten sind von der Inqisitin hereinzubringen“.
Die „Urfehd“, mit der sie jeglicher Rache abschwören muss, lautet in abgekürzter Form sinngemäß:
„Ich, Barbara, des H… Eheweib schwöre hiermit zu Gott dem Höchsten einen körperlichen Eid, dass ich wegen beschuldigter Hexerei zur gefänglichen Haft gebracht, die mir durch Urteil aufgelegt scharfe Frage (Folter, d. Chr.) als zu Rechten ansehe, und Rach ich deshalb nicht verüben werde, nicht gegen die hohe Landesfürstliche Obrigkeit und Regierung wie auch nicht gegen den fürstlichen Amtmann und Gerichtsschreiber. Sie auch nicht von jemand verlange und nicht zusehen werde, wenn es jemand zu tun gedenkt. Vielmehr will ich dieses für eine gerechte Züchtigung halten und es dabei bewenden lassen. So wahr mir Christus Jesus zur ewigen Seligkeit helfe. Amen“.
Der letzte Hexenprozess in Deutschland soll 1749 in Würzburg stattgefunden haben. Sein Opfer ist eine 70-jährige Nonne.
Trotz angestrengten Suchens ist es dem Chronisten nicht gelungen, den Nachweis von Hexenverfolgung und Hexenprozessen auch für unser Dorf zu erbringen.
Es existiert ein einziger Hinweis, aus dem lediglich zu entnehmen ist, dass Gehauser gegen eine in Lengsfeld der Hexerei Beschuldigte als Zeugen auftreten.
Nichtsdestoweniger, wo die Feuer der Hexenverbrennungen ringsherum lodern, wäre es ungewöhnlich, sollten Hexenglauben und Teufelswahn in dieser von Irrglauben umdüsterten Zeit nicht auch bei uns im Dorf ihr Zuhause gehabt haben Kirchenbücher, die uns darüber hätten Auskunft geben können, gibt es leider nicht mehr.
Dennoch, es gibt Gründe dafür, weshalb es in Gehaus möglicherweise Hexenprozesse nicht gegeben hat.
Entgegen anderenorts, wo vielfach noch heute alte Flurbezeichnungen, wie Hexenstock, Hexentanne, Am Galgen, Am Galgenstrauch usf. auf ehemals dort vorhandene Richtstätten hinweisen, gibt es solche Hinweise bei uns nicht. Man könnte also davon ausgehen, dass es in Gehaus selbst Hinrichtungen und eben auch Hexenverbrennungen nicht gegeben hat. Oder sollte man sich zum vorübergehenden Gebrauch als Hochgericht des Galgens in Oechsen bedient haben („Am Galgen“, ein noch heute dort existierender Flurteil).
Es kommt ein weiterer Aspekt hinzu:
Wenn es richtig ist, das Neid, Missgunst, Habsucht und Hass die häufigen Gründe dafür sind, weswegen man Menschen der Hexerei und Teufelsbuhlschaft bezichtigt, so sollte es diese Art menschlicher Bosheiten unter den Gehausern eigentlich weniger gegeben haben. Denn in einem Dorf, wo die Leute gleichermaßen arm, recht- und besitzlos sind, gibt es nichts, was der eine dem anderen hätte neiden können.
Das alles aber sind nur Spekulationen.
aus den Akten derer von Boineburg
Beleuchten wir heute einmal ein finsteres Kapitel der Geschichte und gehen wir kurz auf den Hexenwahn im Mittelalter ein. Wie bekannt, soll es bisherigen Forschungen zur Folge in Gehaus keine Hexenverbrennungen gegeben haben. In den Archiven deutet Zumindest nichts darauf hin. Lediglich ein Fall, der unter der Rubrik Hexenprozesse im Staatsarchiv Marburg geführt wird, ist uns bisher heute bekannt. Seltsamerweise handelte es sich dabei bei dem Angeklagten um einen Mann. Dabei geht es nicht alleine um „Hexerei“, sondern um einen Totschlag bei einer Wirtshausschlägerei vom 24. Juni 1696. Man kann es sich aber nicht vorstellen, dass es dies hier nicht gegeben haben soll. Man kann nur vermuten, dass es auch in Gehaus zu derartigen Anschuldigungen gekommen ist, aber die Verfahren und spätere Verurteilungen in andere Orte, wie Stadtlengsfeld, gelegt wurden. Wir sind aber über Gehauser bisher nicht fündig geworden. Auch Flurbezeichnungen deuten nicht darauf hin, wie z. B. in anderen Orten (Hexenlinde, Hexenplatz usw.). Es liegen im Staatsarchiv Marburg für die nähere Umgebung unter den Akten derer von Boineburg folgende Prozessprotokolle vor:
- 1665 – gegen Wilhelm Fischer
- 1673 – gegen Anna Schmidt
- 1674 – gegen Eitel Kirstings Sohn und Elsa Glinzing
- 1675 – gegen Hans Walter Schmidt
- 1696 – gegen Hans Kothen aus Gehaus
- 1700 – gegen Anna Martha Hutigin.
Hier ist schon ersichtlich, dass es nicht nur Frauen betraf. Wie wurde man „Hexe oder Hexenmeister“, woher stammt der Begriff „Hexe“? Dieser Begriff setzte sich erst in der zweiten Hälfte des 17. Jahrh. durch. Das Wort oder die Bezeichnung leitet sich vom althochdeutschen Wort „Hagzissa“ ab. Dies bedeutet ein Wesen, was seht naturverbunden war. Es leitet sich ab von Hag (Hecke) und Tysja (Elfe). Dämonisch durch eben die Natur, Wissen über Kräuter, damit wieder verbunden Naturheilkunde usw. Es entsteht, ob man will oder nicht ein gewisser Stand, den man brauchte, vielleicht auch bewunderte aber auch hasste. Wenn man nun zur Überzeugung gekommen ist, dass man bestimmte Dinge nicht erklären kann, wurde es mystisch umgeben und man suchte nach Schuldigen, besonders bei Misserfolgen. Beginnen tut alles mit dem Gerede. Vereinfacht steht an erster Stelle das Gerücht, an zweiter Stelle das Ritual, an dritter Stelle die Besagung. Dies bedeutet öffentliche Beschuldigung der Verdächtigen. Nun beginnen die gesetzlichen Mühlen entsprechend der damaligen Rechtssprechung zu mahlen. Im vorchristlichen Europa gehörten gute und böse Geister noch zum normalen Leben. Hier gab es Holden oder Hulden, die als gute Geister zu betrachten sind. Vergleichen kann man hier das Märchen „Frau Holle“, welches im Grunde genommen hier seinen Ursprung hat. Im Vergleich dagegen stehen die „Trutten“, darunter versteht man alte Menschen, besonders Frauen, die anderen Menschen die Lebenskraft aussaugen. Und so ist das „Böse“ geboren. Der Spruch „Alte Trutte“ geht auf derartige Ereignisse zurück. Durch all diese Unregelmäßigkeiten, der verschiedenen Lehren, Meinungen, dem Nichterklärbaren, entwickelte sich immer mehr der Hexenkult. Das Bild der Hexe änderte sich, auch hinsichtlich der geographischen Besonderheiten. Es entstand immer mehr aus dem Verfassen und Lesen der Hexentraktate und den Angeklagten. Wie gesagt, regional vollkommen unterschiedlich. So gab es z. B. im Rheinland besonders viele Wasserhexen, die den gekelterten Wein positiv, aber auch negativ in seiner Qualität beeinflussen konnten. Im Gebirge waren es andere Dämonen (Erzmännchen, Zwerge usw.). Es liegt eine Prozessakte für unser Gebiet vor, in der sich ein Caspar Schleicher rühmte, am so genannten Baier Edelerz gefunden zu haben. Dies war der 31. Juli 1674. Nach der Reformation erreicht die Hexenverfolgung einen ihrer Höhepunkte. Insgesamt wurden in Europa ca. 100.000 Hexenprozesse durchgeführt. 80 % davon betrafen Frauen. An erster Stelle bei den Prozessen der damaligen Zeit stand Kindsmord und an zweiter die Hexerei. Man muss aber auch sagen, dass trotzalledem im Vergleich zu anderen Prozessen, diese gering waren. Es wurden It. Statistik mehr Räuber, Mörder und Diebe hingerichtet als Hexen. Wenn man Folterungsprotokolle liest, dann kann man erahnen, wie durch solche Tortur Unschuldige zu Schuldigen gemacht wurden. Das Werk von Anton Praetorius und anderen Gegnern der Hexenverfolgung leitete dann die „Cautio Criminals“ das Ende der Hexenverfolgung ein. Jetzt beginnt das Zeitalter der Aufklärung. Nur ein Satz aus der „Cautio Crrminalis“: „Man darf mit Menschenblut nicht spielen, und unsere Köpfe sind keine Bälle, die man nur so hin- und herwirft. Wenn vor dem Gericht der Ewigkeit Rechenschaft für jedes müßige Wort abgelegt werden muss, wie steht’s dann mit der Verantwortung für das vergossene Menschenblut.“
Quellen:
Staatsarchiv Marburg, Archiv derer von Boineburg
Karfunkel Nr. 1/2006 Sonderausgabe
HPV e. V. Gehaus Archiv in Verbindung mit Rolf Leimbach
Reinholz Lotz†
im Auftrag des HPV e. V. Gehaus
Zitiert aus Baier Bote 4(2006)13 vom 22. Dezember 2006
Über den Besessenheitswahn
Was löst im Gehirn eines Menschen den Wahn aus, er sei von einem Dämon besessen?
zitiert
aus dem Buch von Dr. Stephen Juan „Albert Einstein oder Die Putzkolonne im Kopf„:
Genau wisen wir das nicht, aber ein paar Teilaspekte sind immerhin bekannt.
Noch im 19. Jahrhundert war die Theorie von der Besessenheit in Europa ziemlich verbreitet. Heute ordnen die Psychiater den Wahn, von einem Dämon besessen zu sein – die Dämonomanie – meist den depressiven Zuständen zu. In unserer Zeit tritt Dämonenglaube manchmal bei schizophrenen Psychosen auf.
Besessenheit zählt zu den ältesten bekannten Wahnkrankheiten und wurde in vielen Ländern der Erde beobachtet, kommt aber heute praktisch nur noch bei nichtzivilisierten Völkern vor. Die klassischen Bezeichnungen lauteten zum Beispiel in Japan Dojo, in Mexiko Embrujada und in Ruanda Kubandzoa. Wie der Wahn auch genannt wird, überall gleichen sich die Wahninhalte, die Besessenen werden von Dämonen, Teufeln, bösen Geistern oder anderen Bösewichtern heimgesucht, die sich in ihnen breit machen und ihr Denken und Handeln bestimmen.
In westlichen Ländern lebte der Glaube an Dämonen 1973 mit dem Film Der Exorzist wieder auf. Tatsächlich dürfte dieser Streifen einiges an Massenhysterie und Nachahmer-Neurosen ausgelöst haben. Entsprechend wurden auch bei Personen, die den Film gesehen hatten, so genannte Kino-Neurosen bekannt.
Mit welchen Verfahren versuchten die Menschen, die Dämonen zu vertreiben? Eine Möglichkeit war, den Dämon in einen anderen Körper zu locken, meist in den eines Tieres. Oder man versuchte, ihn mit Lärm, Prügeln oder Gestank zu vertreiben. Hier ist schon der Übergang zum Exorzismus zu erkennen, zur ritualisierten Geisteraustreibung. Exorzismus ist als eine frühe Form der Psychotherapie zu werten und wurde längst durch moderne Therapieverfahren abgelöst, wird aber in der katholischen Kirche noch gelegentlich, außerdem in esoterischen Kreisen praktiziert – manchmal mit schlimmen Folgen.
In England, wo sich 1975 eine Sekte an einer Teufelsaustreibung versuchte, wurde dadurch die psychiatrische Behandlung des »Besessenen« verzögert, der schließlich seine Frau umbrachte. 1993 wurde eine Frau in Australien Opfer exorzistischer Handlungen, die ihr Ehemann und ein weiterer Mann an ihr vornahmen.
In sehr seltenen Fällen plädieren Psychiater auch heute noch bei »therapieresistenten« Patienten mit Dämonenwahn für kontrollierte exorzistische Anwendungen. Sie argumentieren dahingehend, dass bei einem tief religiösen Kranken, der überzeugt sei, vom Teufel »besessen« zu sein, die sonst bewährten klinischen Behandlungsmethoden versagten. Bei diesen Kranken könne eine religiöse Handlung wie der Exorzismus den Widerstand gegen die Therapie brechen. Natürlich ist dieses Vorgehen fragwürdig und äußerst umstritten.
Sigmund Freud deutete 1923 die Dämonomanie als Ausdruck einer Neurose. Danach äußern sich in den Dämonen unterdrückte verbotene Wünsche, die auf die Außenwelt projiziert werden.
Freuds berühmte historische Untersuchung des Dämonenwahns befasst sich mit dem Maler Christoph Haizmann, dessen Karriere endete, als bei ihm der Wahn ausbrach, vom Teufel besessen zu sein. Freud deutete Haizmanns Wahninhalt als Symbol für dessen (vor Ausbruch des Wahns) verstorbenen Vater, einen erschreckenden Zeitgenossen, der — so Haizmanns Fantasien — ihn inzestuös vergewaltigen und dann kastrieren wollte. Die Ursache des Wahns sah Freud im ungelösten Ödipuskonflikt des Malers. Haizmann sei es nicht gelungen, sich vom Wunsch nach dem Inzest mit der Mutter zu befreien und den Hass und die Eifersucht gegen seinen Vater zu überwinden.
Wie oben erwähnt, handelt es sich um eine historische Untersuchung, denn der Maler Christoph Haizmann wurde 1618, am Beginn des Dreißigjährigen Krieges, in Bayern geboren. Gegen Freuds Deutung spricht nach Ansicht mancher Psychologen einiges. Und das ist Anlass, sämtliche Aspekte von Dämonenwahn einschließlich der Frage zu überdenken, warum zu manchen Zeiten Menschen mit Anzeichen einer Besessenheit auf dem Scheiterhaufen landeten. Der »Teufel« in Haizmann mag in der Tat sein Vater gewesen sein, der das Kind schwer misshandelte, aber sicher erlitt Haizmann als Kind weitere schwere Traumata, die Freud erkannt haben würde, hätte er nur die Hinweise gründlicher untersucht.
Aus heutiger Sicht und in Anbetracht der Erfahrungen mit Patienten, die sich von Dämonen besessen glauben, spricht vieles dafür, dass Christoph Haizmann durch schwere sadistische Handlungen traumatisiert wurde. Menschen, die derart misshandelt wurden, sind oft außerstande, davon zu erzählen, denn ihr Entsetzen und die posttraumatische Amnesie haben sie sprachlos gemacht.
Der Albtraum, den Haizmann als Heranwachsender während des Dreißigjährigen Krieges erlebte, war alltäglich: Tod, Zerstörung, Mord, öffentliche Hinrichtungen, Vergewaltigung, Plünderung, Folter, Hungersnot und sogar Kannibalismus. (Bert Brecht setzte sich literarisch mit dieser Zeit auseinander; sie inspirierte ihn 1941 zu seinem Stück Mutter Courage, dessen Hauptfigur ein Beispiel für Überlebenskunst ist.)
Diese Kriegserlebnisse trugen zu Haizmanns Kindheitstrauma bei, das so massiv war, dass er es in sein Innerstes verdrängte. Jahre später stieg es in Form des Teufels wieder empor, der ihn zerstören wollte — und das war seinem Vater ja fast gelungen.
Haizmanns Dämonenwahn spiegelt also eine gewalttätige, traumatische Kindheit wider — und ist nur ein extremer Ausdruck des kindlichen Versuchs, mit einer brutalen Welt zurechtzukommen.
Historiker mögen sich fragen, ob Gewalt und Traumata in der Kindheit die lange Geschichte des Dämonenwahns in der menschlichen Gesellschaft zu erklären vermögen. Sie mögen
herausfinden, ob die vermutlich »besessenen« Hexen, die auf den Scheiterhaufen verbrannt wurden, nur Opfer eines Missbrauchs als Kind wurden oder nicht. Wenn ja, dann wären die Hexenverbrennungen ein klassisches Beispiel für die Wertung, dass die Opfer selbst schuld sind.
Ob sich heutige Fälle von Dämonenwahn auf diese Weise erklären lassen, ist fraglich. Bei Kindern, die sich von Dämonen besessen glauben, wurde nachgewiesen, dass sie sämtlich die gleiche Last mit sich schleppen: ein schweres Kindheitstrauma in einer gewalttätigen Familie.
Hexen und Drogen im Mittelalter
zitiert aus „Pflanzenheilkunde“ von Wolfgang Widmaier,
WBV Biologisch-medizinische Verlagsgesellschaft, ISBN 3 921988 42 X
Geschichtliche Daten entnehmen wir dem Canon episcopi (um 900) von Regio von Prüm, einer Schrift über Kirchenzucht, in der erstmals von verbrecherischen Weibern die Rede ist, die mit dem Teufel einen Pakt eingegangen sind. Im Lateranum IV (1215) werden die Gläubigen verpflichtet, Ketzer der Kirche zu überantworten. Um das Jahr 1231 schließlich unterstützt Friedrich II. von Hohenstaufen die Kirche bei der Verfolgung der Gottlosen durch die Konstitutionen von Melfi. Kraft Gesetz werden die Ketzer und Giftmischer von nun an mit dem Tode bestraft. Dokumentiert ist die erste Hexenverbrennung im Jahre 1275 n. Chr. in Toulouse, während in Deutschland die Hexenprozesse erst mit dem Jahre 1484 beginnen. Im Jahre 1489 avanciert der Malleus maleficarum, der Hexenhammer, zum Lehrbuch der Richter in den Hexenprozessen.
Die häusliche Krankenpflege gehört seit Anbeginn zum ureigensten Bereich der Frau. So nimmt es nicht wunder, dass es vor allem die Frauen waren, die der Pflanzen kundig waren und sie nutzbar machten. Ihre Kenntnisse über die Wildkräuter zur Nahrungsergänzung und Heilmittel wie auch deren Missbrauch brachten ihnen im Volke gar oft den Namen einer Zauberin ein. Stellten sie doch aus den Pflanzen, welche auf Psyche oder Organismus einzuwirken vermögen, oft Liebestränke, Abtreibemittel oder gar todbringende Tränke her.
Aus der Geschichte der Antike wissen wir, dass die halluzinogenen Drogen in der Religion eine maßgebliche Rolle gespielt haben. Die berühmtesten Zauberinnen waren die Schwestern Kirke und Medea, die Töchter der dreiköpfigen Hekate, welche, schwarz vermummt, von Riesenhunden begleitet, durch die Nacht schwärmte. Sie war die Herrin des Hexenwesens.
Nach Hansen ist die Hexe diejenige, die den Raum der Wirklichkeit mit Hilfe ihrer magischen Kräuter verlassen kann, um in eine andere Wirklichkeit zu fliegen, zum Fest auf dem Bocksberg, oder dem Hexen-Sabbat, der dadurch gekennzeichnet ist, dass hier alle Dinge getan werden durften, die sonst durch kirchliche Moralvorstellungen untersagt waren, wie z.B. der übermäßige Genuß von Alkohol und das Einatmen rauschgiftartiger Dämpfe. Diese Laster wurden hauptsächlich Frauen zugeschrieben, da sie angeblich anfälliger für die Sünde waren.
Der Abt Regio von Prüm schreibt in seinem „Canon episcopi“ : „Über die Frauen, die, wie sie sagen, zur nächtlichen Stunde mit Dämonen durch die Lüfte reiten… verführt durch Illusionen und Phantasmen der Dämonen, vermeinen und behaupten, zu nächtlicher Stunde mit Diana, der Göttin der Heiden, und einer zahlreichen Menge von Frauen auf irgendwelchen Tieren zu reiten und große Bäume der Erde in der Stille der unheimlichen Nacht zu durchmessen, ihren Befehlen wie einer Herrin zu gehorchen und in bestimmten Nächten zu ihren Diensten aufgerufen zu werden.
In der Gesetzessammlung Friedrichs II. für das Königreich Sizilien heißt es u.a. : „Wer böse und schädliche Arzneien, welche die Sinne verwirren, oder Gifte gibt, vertreibt oder besitzt, soll zum Tode verurteilt werden… Keiner, der einen Liebestrank oder ein Zaubermittel bereitet, soll unbestraft bleiben, auch wenn er niemand schädigt.“
Zu Beginn des 15. Jahrhunderts werden von der Kirche, nachdem die meisten ketzerischen Sekten ausgelöscht worden waren, die Hexen mit aller Macht bekämpft. Die Aussage der Hexen, mit dem Teufel symbolisch verheiratet zu sein und mit dessen Hilfe fliegen zu können, wurde ihnen zum Verhängnis.
Hieronymus Cardanus schreibt in seinem Buch „De Subtilitate“ von einer Salbe, „welche soll der Kraft und Wirkung sein, dass man durch sie wunderbare Ding ersehen mag“. Sie wird zubereitet aus Kinderfeiste, Eppichsaft, Wolfskraut, Tormentill, Solano (Nachtschatten) und Ruß.
Francis Bacon schrieb kurz vor seinem Tode (1626): „Es heißt, dass die Salben der Hexen aus dem Fett von aus ihren Gräbern geholten Kindern gemacht sei, aus dem Saft von wildem
Sellerie, Sturmhut und Fünffingerkraut, gemischt mit Mehl von feinem Weizen. Ich aber glaube, dass es schläfrig machende Kräuter sind, mit denen sie die Wirkung erzielen, als da sind : Bilsenkraut, Schierling, Alraune, Mondraute, Tabak, Opium, Safran, Pappelblätter…“
Daß die Hexen, wie wir heute annehmen, oft Drogensüchtige waren, beschreibt schon Cervantes (1547-1616) in den „Novelas ejemplares“ (1612): „Ich sehe und verstehe alles, doch da der Genuß meinen Willen in Fesseln geschlagen hat, bin ich schlecht und werde auch stets schlecht bleiben…Meine Salbe hat mir die schönsten Stunden verschafft.“
Wir unterscheiden drei Flugsalben:
die magische Salbe
die indifferente Salbe und
die narkotische Salbe
In Hartliebs „Buch aller verbotenen Kunst“ vom Jahre 1456 wird die magische Salbe aus sieben Kräutern hergestellt. Die Hexen „prechen yeckliches kraut an einem tag, der dann demselben kraut zugehört, als am sundag solsequium (Wegwarte), am mentag lunariam (Mondraute), am erctag verbenam (Eisenkraut?), am Mittwoch mercurialem (Bingelkraut), am pfinztag barbam jovis (Hauswurz), am freitag cappillos veneris (Frauenhaar), am sameztag adermonium (Odermennig)“.
Paracelsus (1493-1541) schreibt über die indifferenten Flugsalben der Hexen :“…wozu sie Katzen- und Wolfsfett, Eselsmilch und ähnliches nehmen, Dinge, die aber keine Wirkung hätten…“
Die narkotischen Salben enthielten meist Tollkirsche, schwarzes Bilsenkraut, Alraune, Stechapfel, Mohn, gefleckten Schierling und Wasserschierling, Beifuß, Eisenhut, Gundermann, Petersilie, Raute, Mutterkorn und Wurmfarn.
Nach der Anthropologin Margaret Alice Murray (1921 n. Chr.) soll im Altertum ein Hexenkult bestanden haben, zu dem auch die Hexen des Mittelalters einen Bezug gehabt hätten. Verehrt worden sei der Fruchtbarkeitsgott Dianus bzw. die Fruchtbarkeitsgöttin Diana. Der Name des Gottes sei geheimgehalten worden und in späteren Zeiten mit Teufel umschrieben worden. Um 400 n. Chr. wird in Kirchenkreisen von Menschen gesprochen, die angeblich ihre Kinder töten, um so das ausgelassene Fett zur Bereitung von sogenannten Flugsalben zu gewinnen.
Nach Hansen bestritten die Hexen im Mittelalter ihren Lebensunterhalt mit der Herstellung ihrer giftigen und ungiftigen Kräutermischungen. Die Bereitung von Flugsalben, die sie in den Körper einrieben (Oberschenkel oder Vulva), um zum Sabbat zu fliegen, gehörte ebenfalls zu ihrem Tun. Auch den Besenstiel, das Attribut der Hexe, sollen die Hexen mit der grünen Flugsalbe eingeschmiert haben, um dann später auf ihm zu reiten.
Weitere, uns heute unbekannte Zauberpflanzen waren die Pflanzen Cemos und Catananche. Homer erwähnt auch die Zauberpflanze Moly, die bis heute noch nicht identifiziert ist. Überliefert ist desgleichen, dass verschiedene Orchideenarten von den griechischen Zauberinnen zu Liebestränken verarbeitet wurden.
Die Kunst der Zauberinnen, Liebestränke zu bereiten und mit Beschwörungsformeln versehen zu verordnen, war in Rom besonders verbreitet. Auch verstanden sich diese Frauen darauf,, unerwünschte Personen durch Verordnung einer Mischung von giftiger Judenkirsche und schwarzem Nachtschatten zu beseitigen. Plinius schreibt über die Wirkung der Judenkirsche, auch Halicacabum genannt, folgendes: „In der Gabe einer Drachme weckt dieses Kraut unzüchtige Begierden und gaukelt nichtige Gestalten und Bilder als wirklich sichtbar vor. Verdoppelt man dieses Maß, so erzeugt es wirklichen Wahnsinn, verstärkt man aber diese Gabe noch einmal, so tritt der Tod ein.“
Tausend Jahre hindurch war die Hexe der einzige Arzt des Volkes. Kaiser, Könige, Päpste und reiche Barone konsultierten die Doctores aus Salerno oder jüdische Ärzte. Die Masse des Volkes aber fragte nur die Saga oder eine kluge Frau um Rat, und wenn sie nicht heilte, beschimpfte man sie und nannte sie Hexe. Besonders die Hebammen kamen in Verruf, Hexen zu sein.
Von jeher halfen Frauen sich gegenseitig bei der Geburt. Die medizinische Praxis der Hebamme umfasste sowohl Verhütungs- und Abtreibungsmethoden als auch fruchtbarmachende Behandlung und Liebeszauber. Ihre Hilfe während der Geburt bestand in der Darreichung beruhigender, wehenfördernder und wehendämpfender sowie blutstillender Mittel wie z.B. Mutterkorn zur Einleitung der Wehen wie auch als Abtreibemittel. Der Klerus interpretierte: die Hebamme verstößt damit gegen die biblische Forderung: Unter schmerzen sollst Du gebären!
Die mittelalterliche Hebamme und Ärztin beweist, dass die Medizin durchaus zu jedem Zeitpunkt der Geschichte eine ausschließlich von Männern entwickelte und betriebene Wissenschaft war.
Im späteren Mittelalter erklärt die Kirche die von der Kribbelkrankheit (Ergotismus) befallenen Menschen zu Opfern von Hexen und Hexern. Das Krankheitsbild der Mutterkorn-Erkrankungen oder –Epidemien war schon zu Zeiten Plinius und Dioscurides bekannt. In den Jahren 590-1100 n. Chr. starben viele tausend Menschen in Frankreich an dieser Krankheit, am heiligen Feuer, auch Antonius-Feuer genannt. Die Kirche erkannt in dieser Krankheit eine strafe Gottes und interpretierte, der Mensch müsse als Buße in seinem eigenen Fleisch schmoren. 1089 n. Chr. wird zur Verhütung der Seuche der Antoniusorden begründet. Man erkennt, dass überall, wo Roggenmehl zu Brot verarbeitet wird, das Antoniusfeuer auftritt. Es kommt zu Massenerkrankungen, und das heilige Feuer (Ignis sanctus) wütet 1577 in Hessen, 1588 und 1736 in Schlesien, 1641 im Vogtland, 1770 in Westfalen.
Im 17. Jahrhundert ist der Höhepunkt der Hexenprozesse erreicht. Der Jesuit Spee verurteilt in seiner Schrift „Cautio criminalis“ die grausamen Verfahren der Hexenprozesse, ebenso wendet sich Universitätsprofessor Christian Thomasius (1655-1728) in Jena gegen die Grausamkeit der Verbrennungen. Der Lutheraner Kleve-Berg erkennt die Drogensucht der Hexen und spricht sich gegen Hexenprozesse aus. Im Jahre 1749 schließlich erklärt der venezianische Priester Girolamo Tartarotti das Hexenwesen als eine Krankheit, die nicht von der Justiz, sondern von der Medizin geheilt werden sollte. Das Jahr 1750 zeitigte durch Gesetzgebung das Verbot der Hexenverbrennungen, gleichwohl wurde in Deutschland im Jahre 1775 zum letzten Mal eine Hexe auf dem Scheiterhaufen verbrannt.
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