Ergänzungen zu den Boineburgs

zitiert aus   Baier Bote 8(2010)6 vom 2. Juli 2010:

Siri von Boineburg

 

Die spätere Gräfin von Boineburg wurde am 26. Juni 1880 in Kalmar / Schweden, als Siri Johanna Marie Löfberg geboren. Am 05. Dezember 1923 ehelichte sie den Grafen Alfons von Boineburg.

Nach den Kriegsereignissen musste sie 1945/1946 das ehemalige Schloss der Familie von Boineburg in der Vachaerstr. 01 verlassen und wurde in der Gemeinde Gehaus untergebracht.

Ihr letzter nachweislicher Wohnsitz, urkundlich belegt, befand sich in Gehaus in der Oberen Gasse Nr. 4 bei den Eheleuten Gustav und Marie Bley. Dazu liegt eine Kopie ihrer Abmeldung vor und wurde uns vom Schwedischen Reichsarchiv in Stockholm, sowie der noch heute in Kalmar lebenden Familienmitglieder Löfberg zur Verfügung gestellt. Durch Christer Löfberg kam auch der HPV e.V. Gehaus zu diesen Dokumenten. Dafür im übrigen vielen Dank.

Wiedergabe des Originaltextes der Abmeldung aus Gehaus:

Abmeldung bei der polizeilichen Meldebehörde!

Am 23. Juni 1947 verzieht nach Kalmar/Schweden Baggenfgaftan von letzter Wohnung Gehaus/Rhön, Kreis Eisenach, Obergasse 4 die Untermieterin bei Bley Siri zu Boineburg geb. Löfberg, Hausfrau, geb. am 26.06.1880, nach Kalmar/Schweden, Staatsangehörigkeit deutsch, Religion evangelisch.

Unterschrift:
Siri zu Boineburg als Abgemeldete
Gustav Bley als Hauseigentümer

Es bedarf noch mehrerer Schreiben, um eine Übersiedlung nach Schweden zu ermöglichen.

Auch hier die Wiedergabe im Originaltext:

Bescheinigung!

Der Frau Siri zu Boineburg wird hiermit bescheinigt, dass dieselbe nicht Mitglied der NSDAP gewesen ist, sich politisch in keiner Weise betätigt hat und gegen ihre Ausreise keinerlei Bedenken vorliegen.

Gehaus, den 23.06.1947
Stempel / Unterschrift

Ein weiteres Protokoll hat folgenden Inhalt, ebenfalls Originalwiedergabe.

Gehaus, den 22.06.1947

Bescheinigung für Ausreise nach Schweden, zum Zwecke der Vorlagen bei den in Frage kommenden Stellen:

Bescheinigung

Die am 26.06.1880 in Kalmar – Schweden geborene Siri Johanna Marie Löfberg verehelicht am 5. Dezember 1923 in Gehaus – Rhön jetzige Gräfin Siri zu Boineburg und Lengsfeld hatte ihren Wohnsitz in Gehaus – Rhön und war polizeilich gemeldet.
Es ist hier nicht bekannt, dass die oben Benannte in irgendeiner Weise im faschistischen Sinne betätigt hat und somit auch eine Ausreise nach ihrem früheren Heimatland Schweden nichts im Wege steht.

Stempel Der Bürgermeister Unterschrift

Aus einer weiteren Umzugs-Abmeldebestätigung geht hervor, dass Siri von Boineburg ausreichend bis zum 30.06.1947 u. a. mit Zucker, Eiern und Marmelade zu versorgen sein. Eine exakte Angabe ist aus den vorliegenden Dokumenten nicht ersichtlich und feststellbar.

Nach ihrer Ankunft in Schweden wurde Frau Siri von Boineburg interniert und am 16. Oktober 1947 von Kriminalbeamten vernommen und befragt. Auch hier liegt eine Kopie des Vernehmungsprotokoll vor. Einige Ungereimtheiten treten in diesem Schriftstück trotzdem auf. So ist vermerkt, dass ihr Sohn Siegesmund von Boineburg am 14.07.1945 bei Stanislawow in Russland gefallen sei. Richtig muß es heißen 14.07.1944. Auch der Ort entspricht nicht den hiesigen Unterlagen. Wahrscheinlich sind es Schreib- oder Übersetzungsfehler. Erst nach ihrer Entlassung aus der Internierung bekam sie wieder ihre schwedische Staatsbürgerschaft und verblieb dann in Kalmar bis zu ihrem Tode am 19. März 1976. Auch hier liegen die entsprechenden Todesanzeigen und Danksagungen in Form von Kopien vor.

Quellen:

  • Reichsarchiv Stockholm Schweden
  • Christer Löfberg Kalmar Schweden
  • Archiv Heimatpflegeverein e.V. Gehaus

Im Auftrag des HPV e.V. Gehaus
Reinhold Lotz, Vors.

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zu diesem Bild der gräflichen Damen beim Kaffeekränzchen im Schlosspark:
Wer kennt das Aufnahmedatum und kann die Personen darauf benennen?
Erbitte Hilfe per Kontaktformular oder Diskussionsbeitrag

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zur besseren Einordnung von Siri in die Familiengeschichte derer von Boineburg sei dieser Artikel aus Baier Bote Nr. 12 vom 11. Juni 1993 zitiert :

Kurze Geschichte der Boineburgs

Das reichsritterschaftliche Geschlecht der Freiherren v. Boineburg ist ein hessisches Adelsgeschlecht mit der Bemelburg in Hessen als Stammsitz. Dort besitzen sie umfangreiche Ländereien und haben mit Ludwig von Boineburg (1460 – 1537} als Hofminister, Geheimer Rat, Hofrichter und Statthalter beim Landgrafen Wilhelm II. (nach dessen Tod als Vormundschaftsregent), höchste Staatsämter inne.

1504 bis 1526 sind die Brüder Ludwig und Hermann v. Boineburg, vom Haus Sachsen verliehen, Inhaber des Burglehens auf der Krayenburg. Wie wir wissen, ist es Ludwig, der 1506 Gehaus kauft. Sein Sohn Georg stirbt 1564. Die Söhne Ludwig und Wilhelm teilen sich in das Erbe, wobei der Anteil Wilhelms, des Begründers der katholischen und Stifter der Barchfelder Linie, auf einen Hans v. Boineburg übergeht.

1700 sind die Brüder Philipp, Christian und Christoph die Herren von Gehaus.

1710 kauft Georg Philipp v. Boineburg, k. u. k. österreichischer Generalfeldzeugmeister die Hälfte des Dorfes und lässt sich hier, wie es bei Knips heißt, „die schöne Wohnung erbauen“, das obere Schloss.

Ihm folgen als k. u. k. österreich. Major und als königlich-preußischer Major Ludwig und Philipp Julius v. Boineburg, die ihren Besitz (einschl. Fischbach und Hohenwart) um den Preis von 58.000 Gulden jedoch wieder an die Brüder Albert Christian und Hermann Wilhelm, letzterer Hauptmann und Geh. Rat, veräußern und sich, wie es heißt, „in die Schloßrechnungen von Gehaus und Weilar teilen“.

Erbe des anderen Teiles von Gehaus sind die Nachkommen des Hermann Wolfgang v. Boineburg, k. u. k. österreich. Obrist, die 1743 ohne männlichen Erben aussterben.

In einem gerichtlichen Vergleich von 1811 mit den weiblichen Nachkommen (und deren Ehemännern) kommen die Brüder Nepomuk und Ludwig Josef aus Mannesstamm als alleinige und rechtmäßige Nachfolger in den Besitz des Erbes und damit auch als die neuen Herrn in den Besitz des Unteren Schlosses.

1757 geboren, residiert bis 1825 im Oberschloss der Hauptmann Heinr. Wilh. Karl v. Boineburg. Nach Knips‘ „Amtsgeschichte“ macht er den Obstbau in Gehaus heimisch und legt dabei wohl auch die Obstanlagen am Mühlrain und am Baiershof an. Nachfolger im Amte des Hausherrn ist der 1882 verstorbene Sigismund Graf und Edler Herr von Boineburg zu Lengsfeld.

Bis zu ihrem Tode bewohnen seine Söhne, der Hauptm. Carl Sigismund (1852 – 1932), im Dorf der „alte Graf“ genannt, sowie dessen jüngerer Brüder Albert (1855 – 1907), Vater des Alfons Graf v. Boineburg (1887 – 1943) das Schloss. Mit dessen Sohn Sigismund, der 20-jährig 1944 im Russlandfeldzug fällt, erlischt das Gehauser Geschlecht der Boinbeburgs im Mannesstamm.

Anders als ihre Verwandtschaft in Weilar und Lengsfeld, wo wir es mit „Freiherrn“ zu tun haben, sind die Gehauser Boineburgs „Grafen“ und als solche Abkömmlinge jener Zweige der reichsritterschaftlichen Familie, die von Kaiser Ferdinand III. und Kaiser Leopold 1653 bzw.1697 in den Grafenstand erhoben werden.

Die Tochter des „alten Grafen“, Baronin Frau v. Wangenheim, ihre beiden Töchter (v. Uckermann und v. Seelig) und deren Kinder verlassen kurz nach den US-Truppen das Dorf. „Siri“, die Frau von Alfons (sh. unten) kehrt in ihre schwedische Heimat zurück. Die Geschichte der Gehauser Boineburgs ist damit unwiderruflich zu Ende. Ihr Besitztum geht vorübergehend auf die Weilarer Linie über.

400 Jahre Zusammenleben und mehr mit den Boineburgs ist eine historische Realität, die wir nicht ungeschehen machen können. Umso unersetzlicher der Verlust der ehemals in der Schlossbibliothek vorhandenen Urkunden, Dokumenten sowie der vielen anderen wertvollen, in Leder und Metall gebundenen Folianten, die uns manches Mehr über unsere gemeinsame Vergangenheit hätte erzählen können. Leider weiß niemand etwas über den Verbleib dieser Schriftzeugnisse zu sagen. Umfangreiches Aktenmaterial über die Gehauser Boineburgs, mit Schwerpunkt Güter-, Finanz-, Rechnungs- und Prozesssachen aus dem 17. bis 19. Jh. bewahrt das Hessische Staatsarchiv in Marburg auf. Es umfassender auszuwerten, würde über den Rahmen unserer Dorfchronik hinausgehen.

Paul Gerstung†



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