Jan Dismas Zelenka: 6 Triosonaten ZWV 181 (bearbeitet für Orgel)

Die sechs Triosonaten ZWV 181 von Jan Dismas Zelenka habe ich mit Samples der Riegerorgel aus dem Großen Saal des Konzerthauses Wien (Vienna Konzerthaus Organ) eingespielt.

„Laudate pueri Dominum“ F-Dur ZWV 82 (bearbeitet für Orgel): siehe unten


PDF: Leben und Werk von Jan Dismas Zelenka


Zu den sechs Triosonaten schrieb Pieter Andriessen:

Am kurforstlich sächsischen und königlich polnischen Hof zu Dresden wurde nicht getrauert, als zwei Tage vor Weihnachten 1745 Jan Dismas Zelenka, der „Kirchenmusik Direktor“, starb. Im Laufe der Jahre war er ein verbitterter und menschenscheuer Mann geworden. Nirgends war er wirklich bekannt, da der Kurfürst es nicht zuließ, dass seine Kompositionen verbreitet wurden. Er hatte weder Frau noch Kinder und, da Friedrich II. mit seinen preußischen Truppen die Stadt belagert hielt, hatte er niemand außer seinem Busenfreund und Kollegen Georg Pisendel, der ihm in seinen letzten Stunden zur Seite stand. Posthum unternahm Telemann noch einen Versuch, einige Responsoria herauszugeben, „die wegen der darin erhaltenen besonderen Arbeit einen Liebhaber (verdienen), der wenigstens 100 Thaler entbehren kann, um sie zu besitzen„. Aber erfolglos. Seine Werke blieben „am Dresdenschen Hof, als etwas seltenes, unter Schössern verwahret“ (Telemann in einem Brief vom 17/4/1756). So verschwand Zelenka zwei Jahrhunderte lang aus der Musikgeschichte. Erst in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts wurde er von Musikologen wie C. Schoenbaum, G. Haußwald und J. Buzga wiederentdeckt.
Ihre archivarischen Untersuchungen vermochten jedoch noch immer keine vollständige Aufklärung über sein Leben zu geben. Wir wissen, dass er am 16. Okt. 1679 als ältester Sohn des Dorforganisten von Lounovice, ein kleiner Ort am Fuß des Berges Blanik, 60 km südöstlich von Prag, geboren wurde. Seine ersten 30 Lebensjahre sind jedoch im Dunkeln geblieben.
Vielleicht war er Autodidakt; so jedenfalls behauptet es J. Rochlitz in dem Jahrbuch des Böhmischen Museums von 1830. Vielleicht studierte er auch an einem der Jesuitencollegien von Prag, was seine tiefe Religiosität und seine späteren Verbindungen mit dem Clementihum collegium, wofür er 3 Kantaten schrieb, erklären könnte. 1709 trat er in den Dienst Freiherr von Hartigs in Prag, und ein Jahr später wurde er Kontrabassist in der Kapelle August des Starken in Dresden. Er hat sich hier wahrscheinlich nicht so wohl gefühlt wie J. S. Bach in Köthen, obwohl er dort sein Leben lang blieb. August I. konnte sich einer prächtigen Hofhaltung rühmen und sein Orchester war vielleicht eines der besten seiner Zeit, aber er war ein rücksichtsloser Tyrann, der seine Untertanen bis aufs Mark auspresste; ein Mann ohne religiöses Verständnis, der zum Katholizismus konvertierte, um die Königskrone Polens aufsetzen zu können, ohne jedoch auf seine zahlreichen Maitressen zu verzichten. Er hatte kein schlechtes Gewissen, Berühmtheiten wie Antonio Lotti und David Heinichen aus Venedig für 30.000 Reichstaler an seinen Hof zu locken und seinen eigenen Musikanten nur 300 Taler zu geben.
An diesem mondänen Hof machte der fromme Zelenka anfangs eine Blitzkarriere. Sein Brotgeber sandte ihn sogar für einige Jahre nach Wien, um sich bei J. J. Fux in der Kompositionskunst zu vervollständigen. Dieser Letztere wollte ihn auch noch schnellstens nach Italien schicken, „damit er alles schneller lerne, und nicht bloß nach meiner Maniera”. Ob das tatsächlich geschah, ist bis heute noch nicht nachzuweisen. Sicher ist jedoch, dass er J. J. Quantz in Wien Kontrapunktunterricht gab, womit dieser sein erster und einziger Schüler wurde.
1718 kehrte Zelenka nach Dresden zurück, wo Lotti und Heinichen inzwischen zu Leitern der Kirchenmusik ernannt waren, und J. Ch. Schmidt die Führung des Orchesters übernahm. Da Lotti schon im darauffolgenden Jahr nach Italien zurückkehrte und Heinichen oft krank war, musste Zelenka ihre Aufgaben übernehmen, ohne hierfür auch nur die geringste Vergütung zu empfangen.
Die Kaiserkrönung Karls VI. im Jahre 1723 wurde der Höhepunkt Zelenkas Karriere. Er wurde nach Prag geschickt, spielte dort als Kontrabassist in der Aufführung der Oper „Costanza e Fortezza“ von Fux mit und dirigierte und komponierte nahezu alle instrumentale Musik, die wir von ihm kennen. Außerdem wurde seine eigene allegorische Oper „Sub olea pacis“ (Melodrama de Sancto Wenceslao) in Gegenwart des kaiserlichen Paares aufgeführt.
Dieser Höhepunkt war tragischerweise auch der Beginn des Niedergangs seiner Laufbahn. Im Jahre 1728 wurde er zwar noch zum „Kirchenmusik Direktor“ und später noch zum „Kirchencompositeur“ ernannt, aber diese Anstellungen waren nicht mehr als eine Pille, die ihm das Leid mildern sollten. Der 20 Jahre jüngere J. A. Hasse war der neue Günstling des Hofes geworden. Er war Schmidts Nachfolger als Kapellmeister und außerdem wurde er beauftragt, alle Kirchenmusik für die wichtigen Feiertage zu komponieren. Schließlich wurde ein vollkommen unbedeutender Musikant, ein gewisser Louis Andre, zum zweiten Kapellmeister ernannt. Als im Jahre 1733 der Sohn August I. den Thron bestieg, richtete Zelenka noch ein Bittschrift an den neuen Herrscher, um sein Schicksal zu ändern; jedoch ohne Erfolg. Sein Brief ist ein Beweis dafür, dass er das Amt des Kapellmeisters tatsächlich begehrte, und dass er unglaublich enttäuscht war, da der „Opernmaffia“ alle Gunst zugewiesen wurde: „…Nach meiner Zurückkunfft von Wien, habe ich nächst den Capeltmeister Heinikken die Königliche Kirchen Music viele Jahre lang mit versorget, nach dessen Absterben aber dieselbe meistens allein componiret und dirigiret, derowegen auch, um die dabey benöthigte fremde Musicalien zu erlangen, und selbige nebst meinen eigenen copiren zu lassen, fast die Reifte meines zeitherigen Tractaments zu meinem größten Schaden aufwenden müssen.., so flehe dieselbe ich hiermit fußfälligst an, daß sie allergnädigst geruhen wolle, mir die durch bemeldeten Heinikkens Tode erledigte und von mir ehedem bisher verwaltete Capelimeisterstelle allergnädigst zu conferiren, auch von seinem gehabten Tractamente mir von Zeit seines Absterbens an einen Teil zu meiner bisherigen Besoldung allermindest beyzulegen… “.
Sogar die Alleinwahrnehmung des „Kirchen compositeur“ Amtes wurde ihm missgönnt, denn im Jahre 1735 wurde dem unbekannten Tobias Buz der gleiche Titel verliehen und ein Jahr später noch einem dritten: J. S. Bach.
Zelenka beherrschte alle Kompositionsstile seinerzeit, darunter auch die Galanterien seiner jungen Gegner. Vom Wesen her war er allerdings ein altmodischer Komponist, der von seinen Kollegen wegen seiner harmonischen Erfindungsgabe und seinem kontrapunktischen Können bewundert wurde. In dieser Hinsicht kann man ihn übrigens ohne weiteres mit Bach vergleichen, der ihn, so erfahren wir aus einem Brief seines Sohnes Carl Philipp Emanuel an Forkel, sehr hoch einschätzte. Seine Themen sind altmodisch lang (bis zu 32 Takten in den Oboensonaten), zeigen eine unregelmäßige Struktur und oft mischt sich slavische Rhythmik mit ein. Von den Ausführenden seiner Werke verlangt Zelenka äußersten physischen Einsatz und eine unerhörte Fingerfertigkeit, wodurch seine Werke „eine innere Spannung, ja eine Körperlichkeit erhalten, die sich sehr deutlich von kleinmeisterlicher barocker Spielmusik abhebt, die sie aber auch grundlegend von der in sich ruhenden Geschlossenheit und Monumentalität der Bachschen Kunst unterscheidet” (Heinz Holliger).
[…]
Die jüngsten Untersuchungen von H. Unverricht beweisen, dass diese Sonaten nicht für das Krönungsfest in Prag geschrieben wurden, sondern schon im Jahre 1715 oder 1716, also noch vor Beendigung seiner Lehrzeit bei J. J. Fux.
Man kann sich im Nachhinein fragen, was ein Mann, der so ausgereifte Triosonaten schrieb, noch lernen konnte, und sei es auch bei einem noch so fachkundigen Meister wie J. J. Fux.


In Villa Musica wird über die sechs Triosonaten Zelenkas gesagt:

ZELENKA gehört zu den großen Entdeckungen der Barockmusik. Jene Solistenschar um Heinz Holliger, die vor 30 Jahren mit der Ersteinspielung seiner Sonaten seine Wiederentdeckung einleitete, muss bass erstaunt gewesen sein: Ein solcher Reichtum an Kontrapunkt, eine solche Fülle an Einfällen und extravaganten Modulationen hätte keiner von Triosonaten für Oboen und Bass erwartet. Noch heute sind die Allegrosätze dieser Sonaten für Oboisten eine Herausforderung, die Fagottsoli nur mit Vivaldi zu vergleichen, die Doppelfugen singulär.

Man kann in diesen Stücken Zelenkas Genius bewundern und Spuren seiner böhmischen Musikalität entdecken, man kann sie aber auch als Dokumente für die Kunst der Oboisten am Dresdner Hof verstehen. 1718, vier Jahre vor Zelenka, widmete Telemann seine Kleine Cammer-Musik den Oboisten François le Riche und Franz Richter, „Sr. Königlichen Majestät von Polen und Chur Fürstlichen Durchläucht von Sachsen bestallten Cammer-Musicis.“ In der Widmungsvorrede wurde Telemann nicht müde, die „Virtu“ und den „Goût, dessen dieselben sich auf der Hautbois zu bedienen pflegen,“ zu preisen. Er gesteht, von den Dresdner Oboisten auf „unaussprechliche Arth gerührt worden zu sein“, selbst wenn komplizierte Technik gefordert war wie „weit entfernte Sprünge, bedeckte und unbequeme Töne“, chromatische Gänge. „Die brillirenden Töne, welche von Natur in dieses delikate Instrument geleget sind,“ beherrschten le Riche und Richter in gleicher Weise vollkommen.

In Zelenkas Sonaten wird all dies hörbar und auch im Notentext sichtbar. Die minutiöse dynamische Bezeichnung etwa straft die alte Mär von der barocken „Terassendynamik“ lügen: die Stücke strotzen vor Crescendi und feinsten Abstufungen. Man spürt, wie sehr diese beiden Oboisten und der Dresdner Solofagottist Ritter Zelenka in ihren Bann zogen. Was er ihnen abverlangte, ist ein Extrem an Ausdauer, technischer Bravour und Differenzierungskunst, doch es scheint, dass er das Niveau von Sonate zu Sonate steigerte. Nr. I ist noch eine klassisch-italienische Sonata, ab Nr. II wird der Ausdruck bizarrer, die Satztechnik komplexer. Zunehmend löst sich das Fagott vom Bass, bis es in den Sonaten V und VI konzerthafte Soli übernimmt. Es liegt ein eigener Reiz darin, diese sukzessive „Überladung“ von Sonate zu Sonate zu studieren.


„Laudate pueri Dominum“ F-Dur ZWV 82 (bearbeitet für Orgel) & mit Samples der Riegerorgel aus dem Großen Saal des Konzerthauses Wien (Vienna Konzerthaus Organ) eingespielt.

Gegen Ende seines Lebens wollte Jan Dismas Zelenka (1679-1745) der Welt noch einmal zeigen, was er konnte. Der tiefgläubige sächsische Hof-„Kirchen-Compositeur“ plante einen Zyklus von sechs „Letzten Messen” „Ad majorem Dei Gloriam” („zur höheren Ehre Gottes“), von denen aber nur zweieinhalb fertig wurden. Zelenka ist eine außerordentliche Stimme im Konzert der Barockmusik. Als Rokoko im Zustand der Verwesung möchte man seinen Stil bezeichnen: Immer wieder schlägt das Zuckersüße seiner späten Messen in wollüstig chromatische Morbidezza um, harmlose Schnörkel drehen durch und mutieren zu hysterischem Jubel, die Milch der frommen Denkungsart wird satter, weil dem Repräsentativen und Dekorativen systematisch falsche Töne appliziert werden. Wie ist diese völlig aus dem Rahmen fallende Musik zu erklären? Der Dirigent Reinhard Goebel hat den Prager Jesuiten-Zögling einmal den „Hof-Psychopathen” Augusts des Starken genannt: ein Mann, der jahrzehntelang die gesamte Arbeit an der Dresdener Hofkirche tat, während andere die Titel, Gehälter und Gratifikationen einkassierten; ein Höfling, der sich so unmöglich benahm, dass sich Prinzessinnen angewidert abwandten; ein homosexueller Katholik, den die Angst vor der ewigen Verdammnis um den Verstand brachte und der seine aufgestaute Triebhaftigkeit beim Komponieren auf die Mutter Gottes zu richten versuchte. Ein Artikel von aus ZEIT ONLINE „Der Bizarre neben Bach bemerkt: Der Barockkomponist Jan Dismas Zelenka wird mittlerweile höher geschätzt als zu Lebzeiten.

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