Wolfgang Amadeus Mozart: Klaviersonate A-dur KV 331

Eingespielt mit Samples „Vienna Grand“ eines Bösendorfer Konzertflügel der Firma Galaxy Instruments.

„Freu dich mein Herz! Denk an kein Schmerz!“ lautet der Text zu der 6/8-Melodie, die den Variationen der A-dur-Sonate zugrunde liegt. Sie stammt, wie H. Rietsch (ZIMG 14) und Haas in seinem Mozart-Buch gezeigt haben, aus der Ostracher Liederhandschrift. Hat Mozart wohl um dieses Textes willen zu dieser Melodie gegriffen? Hatte sie, etwa als eine Lieblingsweise seiner Mutter, für ihn eine besondere Bedeutung? Man möchte es meinen. Denn zur a-moll-Sonate [KV 310] besteht nicht nur, was schon Grove vermerkt, ein Kontrastverhältnis, sondern auch thematische Bindung. Steht aber die Mollsonate unter dem Schatten des Todes der Mutter, so ist auch die Vermutung gegründet, daß die Dursonate ebenfalls dem Gedächtnis der Mutter gilt. Vielleicht wollte der Sohn der in aller Dürftigkeit zur letzten Ruhe gebetteten Mutter in Tönen ein Denkmal setzen. Die A-dur-Sonate ist denn auch von einer Wärme und Innigkeit ohnegleichen. Ihre Gemütstiefe und Inbrunst, aber auch die Wehmut ihrer Mollpartien können recht wohl aus dem Gedenken der mütterlichen Liebe und des mit ihrem Erlöschen versunkenen Jugendparadieses erwachsen sein. Vielleicht ist es kein Zufall, daß die 6/8_!Melodie bereits unter den frühen Pariser Sonaten von 1764 begegnet.

Ungewöhnlich und wohl kaum rein aus Pariser Einflüssen erklärlich ist die Anlage der Sonate. Sie lebt nicht von der Dominantspannung zweier Themen, die das Wesen der sonatischen Form ausmacht, sondern vom Dur-Mollkontrast und vom Variationsprinzip. Dieses durchzieht nicht nur den ersten Satz sondern die gesamte Sonate. Auch der Menuettmittelsatz und das Allegrettofinale „Alla turca“ sind als Variationen im weiteren Sinn aufzufassen. Die sonatische Form ist in dieser „Sonate“ nur im Menuettsatz angedeutet. Wie die Variationen der Dürnitz-Sonate [KV 284] aus den Österreichischen Variationen erwachsen waren, so entsteht diese Variationssonate im Anschluß an die vorbereitende Studienreihe der Pariser Variationen, von denen bereits die Rede war.

In der Dürnitz-Sonate wurde das Finale mit Variationen ausgestattet. Bei der Cannabich-Sonate war der Porträtmittelsatz mit Variationskünsten bedacht worden. Die A-dur-Sonate wird demgegenüber mit einem Andante grazioso = Thema mit Variationen eröffnet. Das Riesenmaß der Dürnitz-Variationen wird jedoch reduziert. Mozart bedient sich hierzu des Kunstgriffs der Doppelvariation. Indem er den Anreim (Thematakt 5/6) nicht wörtlich wiederholt, sondern erneut variiert, treibt, nach Aberts glücklicher Formulierung, derselbe Stamm immer gleich zwei Blüten, die eine in zarteren (p), die andere in leuchtenderen (f) Farben“. So wird, wenn man so will, durch diesen Kunstgriff, bei verkürztem Gesamtumfang, die herkömmliche Zwölfzahl gewahrt.

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Konnte die Dürnitz-Sonate Triumph der Galanterie genannt werden, so darf man die A-dur-Sonate einen Triumph der Variationskunst nennen. Da aber hier galante Formprinzipien überlegen weitergebildet und in den Dienst höherer Zwecke gestellt werden, so ist diese ungeahntes Neuland erschließende Sonate die Überwindung dieses Stils. Kunst und Ausdrucksbereich eines Schobert (c-moll-Sonate) und Hüllmandel (a-moll-Sonate) werden weit zurückgelassen. Innerstes Erleben wird in kunstvollste Form umgesetzt und das Wechselspiel von Freud und Leid zu klingendem Niederschlag gebracht. Bei aller Verpflichtung gegenüber westlichen Vorbildern wäre die A-dur-Sonate nie entstanden, hätten nicht die herben Erfahrungen dieses „deutschen Musikers in Paris“ die schöpferischen Urgründe aufgerissen.

Die Zeitgenossen haben die A-dur-Sonate wohl geliebt. Ihr Geheimnis haben sie nicht enträtselt. Sie sahen nur die Klangfreude des Vordersatzes und die Exotik des Alla turca. In den Janitscharenschlägen seiner Dur-variante sahen sie das Wesentliche, obschon deren Erscheinung in der Variation VI hätte nachdenklich machen müssen, nicht minder wie die Vordeutungen in der a-moll-Sonate: Vorschlag des allerersten Taktes, ff-Takt der Durchführung, Obstinatbaß der A-dur-Zentrale des Prestofinales. Man konstruierte vielmehr Klaviere mit eigenen Janitscharenzügen, d. h. mit Pauken und Tschinellen, um ja die Janitscharenschläge recht drastisch betonen zu können. Die Sammlung Neupert-Bamberg enthält mehrere solcher kurioser Instrumente, die sämtlich der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts angehören. Der Unfug scheint 1810 in Wien aufgekommen zu sein. Diese Ungetüme haben die unausrottbare Laienauffassung hervorgerufen, die A-dur-Sonate sei in ihrem Schlußsatz durch solche Lärmgeräte „inspiriert“ worden. Wenn es Mozarts Absicht war, unter holdem Schein und exotischem Spiel das Leid um das entschwundene Glück zu tarnen, so ist ihm das vollauf gelungen. Was der Dichter Eichendorff in seinen von Schumann vertonten, unsterblich gewordenen Versen ausgesprochen hat, gilt auch für das Wunderwerk der A-dur-Sonate:

Da lauschen alle Herzen Und alles ist erfreut.
Doch keiner fühlt die Schmerzen,
Im Lied das tiefe Leid.

Zitiert aus
Hanns Dennerlein
Der unbekannte Mozart
Die Welt seiner Klavierwerke
Leipzig 1955

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