Der Herpfgrund

Die Quellengebiete, welche wir nun von Seite 6 bis 30 (also bisher UlsterFelda und Oechse) dieses Heftes betrachteten, breiteten sich besonders im westlichen Tullifeld aus; das Gebiet der Herpf erstreckt sich auf den süd-östlichen Teil des Gaues, und die Wasserscheide zwischen dem Feldatale und der Herpf ist, wie schon S. 17 angedeutet, Altmark, Leichelberg, Disburg und Geba. Die Zugehörigkeit zur Werra als erstes oder oberstes Quertal zur Linken derselben im Tullifeld behält sie, und die feste Rhön ist Wiege und Wärterin der bei ihrer Geburt schon freundlichen kräftigen „Erpha.“ – Im Lichte der Morgensonne, südlich nur von sein par Feldobstbäumen beschattet, entwickelt sie sich. Die Herpf entspringt dem Ostabhange des südlich am Altmarksberg die Fluren Erben- und Schafhausen verbindenden „Fichtenkopfs“. „Dorf Schafhausen[1] (II. S. 88), liegt, wie Spieß sagt, in dem Urspringskessel der Herpf. Es ist Filial von Wohlmuthausen und vom Amtsorte Kaltennordheim 1½ Std. entfernt. Eigentlich hat Schafhausen die Herpfquelle nur als kräftigen Springborn gefaßt, und doch treibt der freie Überfluß gleich im Dorfe 2 Mühlen. Östlich vom Orte, am Rande des obersten Talkessels, ist der „Gebrannte Stein“ ein isolierter, zerklüfteter Kalkfelsen. Südöstlich in ¼ Std. gelangt man zum Clausberg (528 m üb. d. Ostsee), wo vor langer Zeit über dem „Mönchsbrunn“ eine dem heil. Nikolaus gewidmete Kapelle stand. Nach ½ Std. östl. von Schafhausen berührt die Herpf das Dorf Gerthausen (II. S. 95.) Zwischen diesem und der Anhöhe zu Weimarschmieden ist die Wasserscheide der Oberherpf und Obersülz, welche letztere zum Streu-Maingebiet gehört. Von Norden-, links der Herpf, kommt dieser ein nicht unbeträchtlicher Zufluß aus dem Dorfe Aschenhausen, s. II. S. 90, (550 m) -, das ehedem nur 1 Spring- und 3 Ziehbrunnen besaß, die teils der Disburg, teils dem Leichelberg entquollen. Aus den Quellen der Wüstungen Wombach und Pfaffenhausen erhält Gerthausen seine Brunn’-Röhrenleitung, und diese Gewässer (aus den 4 Fluren einschl. des Quells vom Kaltensundheimer Marienhof) gehen nun gesammelt, etwas schlaff in Gerthausen am „Lämmerberg“ westl. ab zu 3 Mühlen. 1842 im Orte großer Brand. Nach ¼ Std. unterhalb Gerthausen östlich, geht die Herpf an Wohlmuthausen[2] (Vuolfmunteshusun 857) vorüber; Heft II. S. 77; dieses Dorf, 20 Min. südl. der „Disburg“, liegt zwischen dem niederen Lämmerberg und dem nordöstl. sich erhebenden Wallenberg; (Bechstein knüpft an letztern die Sagen. v. d. „ausgewählten Glocke“). Der Ort Wohlmuthausen wird durch eine Quelle kräftig mit 4 guten Brunnen gespeist, deren Überfluß als off’nes Bächlein lustig dahin strudelt. Am Westende des Dorfes ist ein kleiner hübscher Fischteich, welcher sofort die Ortsmühle treibt, sein Wasser mit dem Dorfbache vermischt und nach einigen Minuten im Wiesengrund zur Herpf mündet. Die „rothe und die Karßmühle“ stehen noch im Grunde. Sonderbar, aber nicht unangenehm bleibts, daß in diesem Teile des Herpftales (von Wohlmuthausen bis Bettenhausen) die Lüfte meist milder wehen, Wiesen- und Ackerfeld samt Waldung üppiger stehen, Sitten und Gebräuche, Tracht und Dialekt „unterfränkischem“ Charakter verwandt scheinen. Aus dem Panorama der »Oberherpf« hebt sich, südwestl. bis zu 437 m ansteigend das bayrische Dorf Weimarschmieden, nach Norden ziemlich waldfrei, und dann südöstlich die Hutsbersg-Partie (II. S. 80) sehr malerisch heraus. – Auf sanftem Wiesenpfad’ oder auf fester, längs dem linken Herpf-Ufer an guten Ackerstrecken hin laufender Fahrstraße marschieren wir mit dem Flüßchen in ½ St. nach Helmershausen (857 Helmrichshusen; s. II. S. 97 bis 102), 2¼ St. südöstl. von Kaltennordheim, 2 gute Std. westl. von Meiningen; die Feldmark von über 4000 Acker ist zu bester Landwirtschaft geeignet, hat ergiebige Steinbrüche, 4 Mühlen, industrieelle Zweige, und ehemalige Rittergüter als große Oekonomiehöfe. Von Norden her, zwischen.Disburg- und Geba’s-Südabhang. entspringt aus der Wüstung Kohlhausen ein kl. Bach nach Helmershausen. Auch ist Helmershausen durch große hochstehende Kirche und hübsche Schulhäuser ausgezeichnet; „am Flattigsweg“ im Gebagründchen geht noch eine Quelle nach Helmershausen.

Nun gehts ins Tal der Unterherpf! Zu beiden Seiten, ohne scharfe Vorsprünge, steigen die Gelände von 400 bis zu 500 m dem Waldsaume zu; es sind da 7 Höhenstufen bis zum Sattel der Geba, wo das Dörfchen gleichen Namens nicht allzugemütlich für Winterszeit geborgen liegt. Einzeilig gebauet, am Anfang eines schmalen, nach Süden oder Helmershausen abfallenden Tälchens. Nur allmählich entstand das Bergörtchen, S. 65, – unter den Gutsherren von Kohlhausen, von Merlau, von Witzleben, Schott, (der das 8 eckige Kirchlein zu bauen veranstaltete), von Tilemann, von Körbitz, von Wildungen und von Wechmar) – nur notdürftig seine Existenz fristend; 1456 war der Platz noch Wüstung. Weithin hat man vom halbstiindig entfernten Schutzhause (750 m) eine prächtige Aussicht.

Das von R. Koch in Meiningen nach der Natur aufgenommene Panorama reicht in West bis Auersberg, in Ost bis Adlersberg, in Nord bis Bleß-Wartb., in Süd bis Heidelberg-Salzburg.

In ¾ Stunden, links und längs der Herpf, sind wir von Helmershausen nach Bettenhausen gekommen, unbehindert durch die zwischen beiden Fluren markierten Grenze von Großherzogtum Weimar und Herzogtum Meiningen, deren Einzel-Territorium wir schon zu wiederholten Malen bei unserm Quellensuchen überschritten. Bettenhausen (Bettenhuson), urkdl. auch Betinhüsen, knapp am Westsockel des „Dreißigackerbergs“, wo der Weißensteins- und der Stedtlings-Bach von Süden d. h. rechts zur Herpf einmünden, ist meiningisch’ Pfarrdorf, betreibt tüchtig Feldbau, hat gute Holzschläge, ein staatlich Forsthaus, 5 Mühlen, 3 Ziegelhütten u. a. Dieser Ort hatte wie Stepfershausen (am Nordostabhang der Geba) und wie das nun kommende Dorf Herpf, sein eigenes Burgrecht mit Mauern und Gaden, aber dabei auch die Verpflichtung der eigenen „Wehr“, d. h. mit dem Hähl. Hier war der Sitz eines Grafen Poppo (wahrscheinlich aus dem Hildenburger Hause), der sein dasiges Eigentum an Kloster Fulda schenkte; dieses trat die Besitzung dann an das nähere Kloster Neuberg ab; und diese „Fuldaer Lehnsherrlichkeit“ hat bis 1808 gedauert. Die Neuberger Kloster-Zinsgerechtsamen kamen zum Amt Dermbach und wurden 1816 an Weimar abgetreten und 1851 abgelöst. 1340 gehörte Bettenhausen mit Heftenhof in Kriminalfällen nach der Friedelshäuser Cent, später zu der in Kaltennordheim. Milchdiebstähle und niedere Gerichtsbarkeit waren nach Maßfeld gewiesen. – Eine Stunde lang durch den friedlichfreundlichen Herpfgrund nordöstl. hinab wandeln wir bis zum Dorfe Herpf (Herfiu, Heriffa, Erpha,. Herifetorp, Herphersdorf, 788-864); es ist auch meiningsch. Pfarrkirchdorf, 1½ St. von Meining. Heinrich I. erteilte dem Orte Burggerechtigkeit u. a. ursprünglich waren die Herren von der Lichtenburg im Besitze dieses Dorfes, es kam aber unter Kaiser Friedrich II. mit jener Burg als Geschenk an Fulda; 1230 kam H. an Würzburg, bald darauf wieder an Fulda und von diesem an Henneberg. – 1389 hatte Henneberg den Ort wiederlöslich an die von Tann verkauft. – Herpf liegt recht angenehm zwischen der „Kleinen Geba“ und dem Dreißigackerberg, dessen Nordteil hier die Haßfurt-Ruine (außerhalb des Tullifeldes) trug.

Bevor wir die 2 letzten Stationen im Herpftale begehen, wenden wir uns noch einmal am linken Ufer der Herpf hinauf, zum Dorfe Seeba (1015 Sewe, im Volksm.-Seb.) Dieser Bergort gehört zum Tullifeld; er ist Kirchdorf mit nur 30 Häusern, ¼ Std. westl. von Herpf. Die 1321 Acker haltende Flur war ehedem in 14 Huben abgeteilt; der 1839 trocken gelegte Teich war fischreich, ein sogenannter See. 1013 besaß hier das Kloster Neuberg 1 Freigut mit fuldaisch. Lehnsherrlichkeit. 1320 stellte Graf Berthold von Henneberg seine dasige Landeshoheit fest. Der Abfluß des ehemal. See’s und das Brunnenwasser geht aus dem kesselförmigen Bergeinschnttt östlich hinab zur Herpf.

Zwischen den Dörfern Geba und Herpf, südwestl. an der »kleinen Geba« liegt Träbes (11 Häuser, mit Geba nach Stepfershausen eingepfarrt), „Träbs, Treffs zu dem Treffs“, am Anfang des Seebaer Kessels; hoch, kalt; unfern das träbeser Loch, ein mit Bäumen und Sträuchern umringter kegelförmiger Erdfall, ist wahrscheinlich durch Abzapfung des Seebaer Teichs entstanden.

Rechts bzw. nordöstlich am Geba-Abhang, über Herpf vorüber, erreicht man in 1 Stunde das Dörflein Melkers (1317) mit 35 Häusern am linken Ufer der Herpf- mit Zugang einer Quelle von Rippershausen. Im obern Teil des Dorfes stand in der Vorzeit eine Kemnate (kl. Burg), die aber schon 1444 Burgschädel war. An der „Haßfurt“, östl. über dem. Dörfchen im Walde liegen die wenigen Ueberreste einer nördl. Burgwarte.

Nordwestl. von Melkers, 20 Min., findet sich Rippershausen (Rupprechtshusen, Ryprechtshusen), Kirchdorf, zu Salz eingepfarrt, 1¾ Std. westl. von Meiningen, am Anfang eines sehr bescheidenen Seitentales der Herpf (200 Einw.). Das sogen. Herrenhaus ist gefällig von Wiesen umgeben; Ritterguts-, Gemeinde- und Güterwaldung, – aber lange „ohne Flurbuch“. Die Hälfte des Ritterguts kam 1396 von denen „von Herbilstadt“ an die „Schrimpf von Berg“, die andere Hälfte 1456 an die von der Tann von den Truchsess von Wildberg über, nachdem ebenfalls an die Schrimpf von Berg. Damals erschlugen die Rippershäuser einen Junker dieser Familie, weil er eine Hufe Landes daselbst an Würzburg zu Lehen aufgetragen. Später kam das Gut an die von Friesen, die es 1661 an die von Baumbach verkauften. (Brückner). In Melkers (oberhalb der Brückenmühle), westl. vorm Landsberg schließt sich das 2. schmälere Becken der Herpf.

In Walldorf (Wahladorp) hat die Herpf nach einem Gesamtlaufe von 5 Stunden ihr ferneres Geschick in das Wogengetriebe der Werra gelegt. Der Ort Walldorf war eine Reichsdomäne und besaß eine Zufluchtsstätte in der Burg „Landswehr“ und in der Habichtsburg, links der Werra, aber rechts der Herpf, nicht im, sondern nur am Tullifeld. Walldorf (984) hat seinen Namen nicht von Wallen oder Wallfahren abgeleitet, sondern von dem alten Flußnamen „Wallbach“ (Waldbach also Waltdorp;) nordöstl. schräg über von Walldorf, rechts an der Werra liegt das Dörfchen und Flüßchen Wallbach.

Walldorf hatte frühzeitig eine Mark und einen Markt (oder Kauf- und Verkaufsmesse) in der Michelau, der aber nach Meiningen verlegt wurde. Die Lage des Ortes an und für sich ist reizend, zum Teil in der Talsohle, zum Teil auf einem nach der Werra zu vorspringenden Sandsteinfelsen; bei der Vorüberfahrt mit dem Dampfzuge hat der Häusercomplex ein altes, etwas vernachläßigtes Aussehen. Walldorf besaß in grauester Vorzeit schon eine Kirche, die im Mittelalter auch eine Wallfahrtsperiode genoß und mit kastellartigen Mauern umgeben und mit Gadenrechten bedacht war. Für die Juden besteht im „Dorfe“ eine Synagoge. – Auch 2 alte Herrenhäuser mit Höfen giebts da, ursprünglich 2, dem Stift Würzburg lehnbare große Rittergüter, aus denen später 3 entstanden. Das sogenannte Marschalkische Rittergut ging 1410 von den Herbilstadts an „die Marschalk von Ostheim“, das Wolfische 1496 nach Kurz Wolfs Tod auf die Schwiegersöhne Diemer und Heßberg über; des Letztern Anteil kam 1656 an die von Wolfskeel (Wolfskeel); später an die von Bibra.

Nehmen wir an, daß die Sohle von Walldorf = 300 m und die Herpfquell = 600 m, so hat diese ein Gefälle von = 300 m.


aus
C. E. Bach
„Im Tullifeld“
Eine historisch-landschaftliche Umschau in engerer Heimat
– der Vorderrhön –


[1] Die Kirche zu Schafhausen (1595 ursprünglich erbaut, 1787 erweitert, brannte am 22. August 1898 nieder.

[2] Der Ort Wohlmuthausen brannte am 6. Septbr. 1729 bis auf die untersten 4 Häuser ab, die Kirche, Pfarrei und Schule mit dem Pfarrarchiv gingen verloren! (n. Binder).



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