Camille Saint-Saëns: Drei Präludien und Fugen op. 99

Die Trois Préludes et Fugues, op. 99 wurden 1894 geschrieben und sind Saint-Saëns’ erste groß angelegte Orgelstücke seit der Komposition der Trois Rhapsodies Bretons op. 7 im Jahr 1866, also seit nahezu dreißig Jahren. Sie sollten nach der Ansicht von Louis Vierne wegen ihres Stils und ihrer Virtuosität zum Repertoire jedes seriösen Organisten gehören. Sie kombinieren charaktervolle Präludien mit fein gearbeiteten Fugen, die Saint-Saëns nur zögernd schrieb. Er war offensichtlich mit den Resultaten zufrieden, denn er nahm sie 1899 in sein Recital für die Akademiker am Trinity College, Cambridge auf.

Es folgen die Einzelbesprechungen der drei Werke und die eingebetteten YouTube-Videos:

Nr. 1 Prélude et Fugue, E-Dur (gewidmet Charles-Marie Widor):

Das Prélude (Allegro moderato, 4/4-Takt) hat eine dreiteilige Form, in der das elegante Thema in einer ruhig-fließenden Sechzehntelbewegung durch die verschiedenen Stimmen wandert. Im klaren Schreibstil und sequenzierten Spielfiguren ist das Vorbild J. S. Bachs immer anwesend und Einflüsse von Mendelssohn und Schumann sind in diesem Prélude ebenfalls erkennbar.
Die vierstimmige Fugue (Dolce, legato, moderato, 4/4-Takt), deren aus vier Motiven aufgebautes Thema dem anmutigen Anfangsmotiv des Prélude entlehnt ist, entwickelt sich in einem ruhigen melodischen Fluss und wird allmählig durch verschiedene Tonarten und Engführungen gesteigert, im Wechsel mit Zwischenspielen auf dem zweiten Manual. Am Schluss nimmt die Spannung wieder ab und die Fuge endet mit einem letzten, augmentierten Zitat des Anfangsmotivs in der graziösen Stimmung, die das ganze Werk so stark durchdringt.


Nr. 2 Prélude et Fugue, H-Dur (gewidmet Alexandre Guilmant):

Das Prélude ist ein dreiteiliges Lied ohne Worte (Doux et calme, sans lenteur, 6/8-Takt), in dem eine ruhig-wogende Sechzehnteltriolenbewegung den Hintergrund einer expressiven Melodie bildet, die imitatorisch in der linken Hand und im Pedal erklingt. Im modulierenden Mittelteil wird dieser kanonische Dialog mehr und mehr verlassen und kommt der Triolenbegleitfigur eine immer größere selbständige Rolle zu, die sich schließlich in zierlichen, zweistimmigen Arpeggien auflöst. Ein Orgelpunkt auf der Dominante kündigt die Wiederkehr der imitatorischen Schreibart an, in der nun Fragmente des Themas behandelt werden. Am Schluss erklingt die Triolenbewegung in Arpeggien mit Echoeffekten.
Die graziöse, dreistimmige Fugue (Allegretto, 6/8-Takt) beginnt mit einem rhythmischen Trioleneffekt auf der Anfangsnote der beiden ersten Motive des Themas gefolgt von einem aufsteigenden Sech-zehntelmotiv. Dieses scherzohafte Thema bildet einen ausgeprägten Kontrast zu der verhaltenen Atmosphäre des Prélude und wird in einer klaren Schreibart durchgeführt; im Wechsel mit Zwischenspielen, die aus einstimmigen Arpeggien auf zwei Manualen bestehen.


Nr. 3 Prélude et Fugue, Es-Dur (gewidmet Eugene Gigout):

Das kraftvolle und überschwängliche letzte Werk der Sammlung gehörte zu den Lieblingsstücken des Komponisten. Das Prélude ist eine glänzende, monothematische Toccata (Vivace, 4/4-Takt), in der geläufige Sechzehntel-Arpeggiofigurationen über einem Pedalpart in langen Notenwerten erklingen und dem Stück vom Anfang an einen unwiderstehlichen Antrieb verleihen.
Das Thema der vornehmen vierstimmigen Fugue (Allegro maestoso, 3/4-Takt) entwickelt sich in einem reichen Plenoklang mit lebhaften Kontrasubjekten und Zwischenspielen bis zu einer großartigen Engführung und abschließender Fortissimo-Coda.


Ich habe diese drei Orgelwerke mit Samples der Rieger-Orgel im Konzerthaus Wiens eingespielt.

Literatur (Links zu PDF’s) über das Werk und den Charakter von Camille Saint-Saëns:

 

 

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