Juan Cabanilles: Tiento I,14 partido de dos tiples, de cuarto tono

aus: Opera omnia des JOAN BAUTISTA JOSÉ CABANILLES Y BARBERÀ (1644-1712) Band I. Nr. 14
herausgegeben 1929 durch Institut d’Estudis Catalans: Biblioteca de Catalunya, Barcelona
in der Reihe: Publicacions del Departament de Música VIII

Schon in der zweiten Hälfte des l4.Jahrhunderts kannte die Orgelbaukunst die Claviatur- und Registerteilung in eine Baß- und eine Diskanthälfte. Diese besondere Vorrichtung – sicher aus bautechnischen Gründen entstanden – war damals anscheinend keine ausschließliche Eigenheit des spanischen Orgelbaus. Man findet heute Denkmäler jener Baukunst sowohl in Spanien (Orgel der alten Kathedrale von Salamanca, erbaut um 1380) wie auch in anderen Ländern Europas, z. B. die Orgel der Valeria-Kirche, Sitten/Schweiz, erbaut ebenfalls um 1380 von einem französischen Orgelmacher. Während in Italien, Frankreich und Deutschland diese Bauweise im 15. und 16. Jahrhundert in Vergessenheit geriet, wurde sie dagegen in Spanien weiter gepflegt. Allerdings dachten damals weder die Orgelbauer noch die Orgelspieler und -Komponisten daran, diese Teilung im ästhetischen Sinne aufzuwerten und die Orgelregister tatsächlich geteilt zu verwenden.
Im Jahre 1626 berichtet Francisco Correa de Arauxo in seinem in Alcalá de Henares gedruckten Werk „Facultad Orgánica“) – fol. 65 – von einem neuen Tiento-Typus, im Königreich Kastilien erfunden und dort sehr verbreitet, der in anderen Ländern noch unbekannt war: „Síguese otro orden de tientos de medio registro, célebre invención y muy versada en los Reynos de Castilla, aunque en otros no conocida“. Es handelte sich um eine Kompositionsform, die jene Gegebenheit des Orgelbaus berücksichtigte und für das Spiel mit geteilten oder halben (= partidos, medios) Registern bestimmt war. …

In den vierstimmigen Tientos partidos ist zunächst zwischen den Kompositionen für 2 Solostimmen (Diskant- oder Baß-Lage) mit Begleitung und denen für 4 Solostimmen (2 Diskant- und 2 Baßstimmen) zu unterscheiden. Die zuletzt genannten Werke – von denen nur 2 Stücke in der Gesamtausgabe enthalten sind – können weder zu der ersten Gruppe „de mano derecha“ (für eine oder zwei Diskantstimmen) noch zu der zweiten „de mano izquierda“ (für eine oder zwei Baßstimmen) gezählt werden. Die erstgenannten dagegen – für 2 Solostimmen – stellen eine Parallele zu den dreistimmigen dar.

Die Tientos pertidos de dos tiples sind  „partidos“ für 2 Diskantstimmen und entsprechen genau dem Modell der Kompositionen für eine Solostimme. Alles was die Analyse dieser 3stimmigen Werke hervorgebracht hat, gilt auch im wesentlichen für die vierstimmigen. Alle vier in die Gesamtausgabe aufgenommenen Tientos de 2 tiples weisen eine 2-teilige Struktur auf. Der erste Teil – immer und nur im 4/4-Takt – besteht aus der einleitenden zweifachen Exposition des Themas nach dem oben abgebildeten Schema und aus mehreren kontrastierend gestalteten Abschnitten.
Der zweite Teil, immer durch Wechsel des Rhythmus gekennzeichnet, beginnt ebenfalls mit der imitativen Darstellung einer rhythmischen Variante des Themas, wird aber aus einer Reihe von Phrasen oder Perioden gebildet, die nicht nur unterschiedliche Behandlung (polyphonisch-figurierend), sondern auch häufig verschiedene Taktarten aufweisen. Zum Schluß erscheint immer eine kurze oder längere zusammenfassende Coda im 4/4-Takt, deren tokkatenhaftes Laufwerk und ornamentreiche Kadenz oft auf die Figuration des ersten Teiles zurückgreifen. [zitiert aus „Juan Bautista Cabanilles – Sein Leben und Werk“ von Arsenio Garcia-Ferreras]

Ich habe dieses Orgelwerk mit Samples der Rieger-Orgel im Konzerthaus Wien eingespielt.

Infos über Juan Cabanilles habe ich in meinem Beitrag Orgelwerke von Juan Cabanilles (1644-1712) zusammen getragen.

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