Buxtehude: Präludium C-dur BuxWV 136

Ich habe dieses Orgelwerk BuxWV 140 von Dieterich Buxtehude mit Samples der Riegerorgel des Großen Saals im Konzerthaus Wien (Vienna Konzerthaus Organ) eingespielt. Eine frühere Interpretation dieses Präludiums habe ich 2015 mit Samples der historischen Orgel in Forcalquier eingespielt: Präludium C-dur BuxWV 136.

Josef Hedar über Buxtehudes Orgelwerke:

Dietrich Buxtehude, eine der größten Gestalten im Bereich der Musik im Norden, steht als der hervorragendste Orgelmeister vor Johann Sebastian Bach. Seine reiche Produktion zeigt, nicht zum wenigsten was die Orgelwerke betrifft, eine geniale, stark phantasiebetonte Schöpferkraft, die diesen Werken eine Sonderstellung in der Orgelliteratur gegeben hat und den Namen Buxtehude über die ganze musikalische Welt bekannt gemacht hat.
Die Orgelmusik steht in Deutschland während der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts überwiegend unter italienischem und englisch-niederländischem Einfluss. Vor allem zwei Meister sind es, die zu jener Zeit der deutschen Orgelmusik ihren Stempel aufdrücken und dadurch eine tiefgreifende Bedeutung für deren weitere Entwicklung erhalten, und zwar Girolamo Frescobaldi und Jan Pieterszn Sweelinck. Nicht allein als schaffende Künstler machten indessen Frescobaldi und Sweelinck ihren Einfluss geltend. Als Lehrer scharten beide einen großen Kreis von Schülern um sich, die dann ihrerseits wieder, jeder an seiner Statt, die Orgelkunst der Lehrmeister bekannt machten. Während die süddeutschen Musiker, wie sie es schon früher getan hatten, nach Süden zogen, um sich bei Frescobaldi in ihrer Kunst zu vervollkommen, trieb es die Organisten Norddeutschlands und der Ostseeländer nach Amsterdam und dessen weitberühmtem Orgelmeister.
Die italienische und die englisch-niederländische Orgelrichtung sind indessen nicht zwei voneinander isolierte Erscheinungen. Es hatte vielmehr ein enger und befruchtender Austausch zwischen beiden stattgefunden. Vor 1608, dem Jahre, in welchem Frescobaldi Organist an der Peterskirche in Rom wurde, weilte er einige Zeit in den Niederlanden. Dieser niederländische Aufenthalt dürfte die Anknüpfungen an virginalistische Variationstechnik und instrumental betonte Satztechnik in Frescobaldis Orgelstil erklären. Zwischen den Jahren 1578-1580 war Sweelinck der Schüler von Gioseffo Zarlino, Kapellmeister an der Marcuskirche in Venedig, an der gleichzeitig Andrea Gabrieli und Claudio Merulo als Organisten wirkten. In diesem Milieu erhielt Sweelinck eine eingehende Kenntnis des venetianischen Orgelstils. Hiervon zeugen auch seine Orgelwerke, vor allem in formaler Hinsicht.
Weder Frecobaldi noch Sweelinck fanden in der eigenen Heimat bedeutendere Nachfolger. Auf deutschem Boden und durch Vermittlung deutscher Schüler vielmehr sollte ihre Kunst fortleben und auf getrennten Wegen fortentwickelt werden, um dann noch eimal wieder zusammenzukommen und zu verschmelzen in einem Orgelstil, der, in den verschiedenen Generationen der norddeutschen Orgelschule vorbereitet und mehr und mehr entwickelt, seinen Höhepunkt fand in der Kunst Dietrich Buxtehudes.
Was Dietrich Buxtehudes Persönlichkeit und äußeren Lebenslauf betrifft, sind die Quellen sehr kurzgefasst. Er ist wahrscheinlich in Helsingborg um 1637 geboren, wo sein Vater Hans Jensen Buxtehude Organist der Marienkirche war. Um 1642 erhielt der Vater eine entsprechende Stellung an der Olaikirche im naheliegenden Helsingör, in welcher Stadt sein Sohn Dietrich also aufgewachsen ist. 1660 erhielt Dietrich Buxtehude eine Stellung als Organist der St. Marienkirche zu Helsingör – vorher war er einige Jahre Organist in seiner Geburtsstadt – und 1668 wurde er der Nachfolger Franz Tunders als St. Marienorganist und „Werckmeisters“ zu Lübeck, eine Stellung, die er bis zu seinem Tod am 9. Mai 1707 bekleidete.
Die erste gesammelte Ausgabe der Orgelwerke Buxtehudes wurde 1875-76 von Philipp Spitta herausgegeben. Max Seiffert gab 1903 eine revidierte und erweiterte Ausgabe heraus und 1939 einen Ergänzungsband. Das Bedürfnis nach einer neuen gesammelten
Ausgabe hat sich während der letzten Jahre stark geltend gemacht. Der Musikverlag Wilhelm Hansen hat mit dieser neuen Edition von Buxtehudes bis jetzt bekannten Orgelkompositionen einen Beitrag zu einer erneuten und vertieften Einfühlung in die Werke eines der grössten Tondichter Dänemarks geben wollen.
Die Handschriften, die dieser und früheren Editionen zugrunde liegen, sind von wechselndem Wert und Zuverlässigkeit. Am meisten fehlbar ist, dass keines der Werke als Autograph vorliegt, sondern nur als Abschriften und diese größtenteils als Übertragung der ursprünglich benutzten Notenschrift – Orgeltabulatur. Eine Ausnahme hiervon sind die Buxtehudehandschriften, die in die Sammlungen Wenster und Engelhardt auf der Universitätsbibliothek, Lund, eingehen, die sämtlich in Tabulatur vorliegen und die, nach allem zu urteilen, den Urschriften nahe stehen, und deshalb dürfte bei einer textkritischen Prüfung ihre Zuverlässigkeit ziemlich groß sein.
Für die vorliegende Edition ist, so weit es möglich gewesen ist, eine Durchsicht der Quellen gemacht worden. Die Ereignisse der letzten Jahre haben leider verursacht, dass Handschriften verloren gegangen oder unzugänglich geworden sind.

Die Quellenhinweise der Kommentare sind im allgemeinen sehr kurzgefasst. Für die früher bekannten Werke wird auf die Ausgabe Spittas hingewiesen, wo die Quellen mehr eingebend behandelt sind. Für die neu hinzugekommenen Werke weise ich auf meine Dissertation „Dietrich Buxtehudes Orgelwerke“ hin. (Nordiska Musikförlaget, Stockholm – Wilhelmiana Musikverlag, Frankfurt a. M.).

Lund und Kopenhagen im Februar 1952.
JOSEF HEDAR

 

PRÄLUDIUM UND FUGE
Zwei für das Orgelbarock charakteristische Formen – Choralphantasie und Toccata – erhielten ihre Gestaltung und Vollendung in der norddeutschen Organistenschule. Zu der letzteren Form gehört der größere Teil der freien Orgelkompositionen Buxtehudes, nämlich die Mehrzahl derjenigen, die unter der Bezeichnung Präludium und Fuge sowie Toccata gehen. Buxtehude bezeichnet die Form als Praeludium, Praeambulum und Toccata. Kennzeichnend ist für sämtliche eine Verkoppelung von mehreren fugierten Sätzen mit thematischer Relation zueinander, oder auch daneben von toccatenbetonten Zwischensätzen mit verbindenen oder trennenden Abschnitten meist modulierenden Charakters, umrahmt von einem im allgemeinen kurzen Präludium und einem Codasatz. Das Hauptgewicht liegt entweder auf den fugierten Sätzen – Präludium und Fuge – oder auf der toccatenmässigen Ausgestaltung – Toccata – ohne dass jedoch ein größerer prinzipieller Unterschied zwischen den Formen bestünde.
Neben dieser Form wird auch eine einheitliche, ein thematische Fuge mit einleitenden und abschließenden Präambelepisoden aufgebaut – die Präambelfuge. Durch eine mehr toccatenmäßige Formung der einleitenden und abschließenden Sätze ergibt die Präambelfuge eine Fugenform, die sich am ehesten als Toccatenfuge kennzeichnen lässt.
Die Barocktoccata in ihrer norddeutschen zyklischen Form lässt sich als eine Verschmelzung zweier verschiedener Elemente betrachten: der Toccata, wie sich diese auf italienischem Boden geformt hat, und der Vorformen der Fuge, und zwar
in erster Linie der Canzona und des Capriccio.
Mit Buxtehudes »Präludium und Fuge« erreicht die norddeutsche Barocktoccata ihren Höhepunkt. Die parallel sich vollziehende Entwicklung von Canzona und Toccata, die auch zu einer Verkoppelung dieser beiden Formen führt, ist mit Buxtehude abgeschlossen und vollendet. In Buxtehudes Toccata lassen sich drei Formen unterscheiden, obwohl die Grenze zwischen ihnen in mehreren Fällen schwer zu ziehen sein mag.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

sechs + vierzehn =