W. A. Mozart: Gigue in G-dur KV 574

Mozart komponierte die Gigue am 16. 5. 1789 in das Stammbuch des kurfürstlich sächsischen Hoforganisten Engel an der Schloßkapelle zu Leipzig. Nicht also am 17. 5., wie das Eigenverzeichnis im Gegensatz zum Autograph im Magdeburger Kaiser Friedrich-Museum angibt. Ein Faksimile brachten das Museum, ferner die „Neue Musikzeitung“ Stuttgart 1918.
Schon in Dresden hatte sich Mozart gefreut, auf der Orgel zu beweisen, daß er auch den bei ihm nicht vermuteten Bachschen Orgelstil beherrsche. In Leipzig hatte er während des Aprilaufenthaltes auf der Thomas-Orgel über den Choral „Jesu, meine Zuversicht“ in einer Weise improvisiert, daß der Bach-Schüler Doles glaubte, sein alter Meister sei von den Toten erstanden. Bei seinem Maiaufenthalt nun schrieb Mozart dem Hoforganisten Engel eine Gigue ins Stammbuch, die zeigen sollte, was entstand, wenn ein Mozart sich der alten Stilmittel bediente.

Ein launiges Thema — das Autograph zeigt Keile, wo die Druckausgaben Stakkatopunkte aufweisen — wird dreistimmig fugiert. Seine chromatisch absteigende Randmelodie wird hierauf mit diatonischer Aufwärtsbewegung der Außenstimmen beantwortet, während die Mittelstimme chromatisch der Dominante zustrebt. Zu dem Fortklingen des Dominantquinttons (Takt 12 f.) in einer vierten Stimme wird das Thema in D-dur gebracht, in welcher Tonart es sich trotz des engfolgenden Mollschattens behauptet. — Im Durchführungsteil nach dem Wiederholungszeichen wird dem D-dur-Thema in komplimentärem. Engabstand seine Spiegelung zugesellt. Dem nach Moll abgesunkenen Dialog folgt eine monodische vierstimmige g-moll-Strecke. — Im Endteil erscheint das Thema reprisenhaft in der Tonika zu dem in der Oberstimme durchgehaltenen Quintton d, nicht ohne daß der Mollschatten noch einmal auf taucht. Dann tritt das Tonika-G als Orgelpunkt hervor, über dem sich zu den chromatisch erhitzten Mittelstimmen das Spiegelmotiv fortspinnt. Die Schlußtakte unterstreichen unisono den machtvollen Schlußfall.

Ein wahres Sprühfeuer von Laune ist dieses Giguen-Capriccio, und in seiner Satztechnik ein unvergleichliches Meisterstück, ein Mikrokosmos, in dem sich alte und neue Kunst zu schönster Harmonie verbinden. Mozart hätte sich und die Manen des großen Thomas-Kantors nicht besser ehren können als durch dieses — Stammbuchblatt.

zitiert aus
Hanns Dennerlein Der unbekannte Mozart
Leipzig 1955

Ich habe diese Gigue mit  Samples der Rieger-Orgel im Konzerthaus Wien eingespielt.

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