Vom „Sinn des Lebens“

Das hatte nun der Adam davon, als er mit seiner Tuss Aische voll krass aus dem Paradies gefliegt, weil sie beide den blöden Apfel der Erkenntnis von Gut und Böse gegessen hatten:

„Kaum ein Geschehnis, welches nicht sofort eine Warum-Frage auslöst (und die an der Warum-Frage hängenden Suchprozesse). Kaum ein Ereignis, welches nicht eine Wozu- oder Wohin-Frage und die entsprechenden Suchprozesse hervorruft. Kein Bedürfnis, welches nicht Wie-Fragen erzeugen könnte und die damit verbundenen Such- und Konstruktionsprozesse, Vorstellungsabläufe, Konkretisierungsversuche, Schema- und Komplexergänzungen, kurz: Aktionen zur Schaffung neuer Realitäten. Die Ψscl haben einen aktiven Geist. Ihr Gedächtnis, ihr Bild von der Welt ist nicht mehr nur ein Sediment ihrer Erfahrungen, sondern sie konstruieren dieses Bild selbst und erfinden Hypothesen.“ [Dietrich Dörner in „Bauplan für eine Seele – Evas Apfel“]

Zwar können beide, Adam und seine Tuss, nun endlich darüber sinnieren, warum die Raum-Zeit-Krümmung für Verspätungen verantwortlich sein kann, worin der Unterschied zwischen inkognito und in flagranti besteht und warum oder ob überhaupt das endoplasmatische Retikulum zu Schlafstörungen führt, … – ob das aber so vergnüglich wird?

Denn statt dessen hätten die Beiden ergötzlich und unbeschwert von ergebnislosen Sinnfragen miteinander kopulieren, fressen und saufen können, ohne sich je Gedanken darüber machen zu müssen, warum und wozu sie Gott geschaffen haben könnte – außer eben zum fressen, saufen und sich zu vermehren. Wenn Adam nicht darüber nachdenken muß, wie Camus befürchtet, ob alles Menschliche rein menschlichen, göttlichen oder natürlichen Ursprunges ist, er also immer on the road ist – bleibt er ein geistig Blinder, der nie sehen wird und nicht weiß, daß seine Nacht kein Ende hat. Weiterlesen

Der Wert der Religion

Ich habe einige Antworten von Kritias, Werner Heisenberg, Thomas Mann und Rolf Oerter auf  die Frage „Wozu Religion?“ zusammengestellt. Ihre Antwort lautet: Die Religion liefert die transzendente Begründung unserer Ethik, des „vernünftigen“ Miteinanders menschlicher Gemeinschaften. Trotz allen wissenschaftlichen Fortschritts liefern uns weder Physik, andere Naturwissenschaften oder die „Gesetze“ der Evolution eine logische Begründung konkreten moralischen Verhaltens. Unsere „Vernunft“ ist ein soziales Konstrukt, der menschliche Geist die Emergenz kollektiver symbolischer Wechselwirkung der von uns mit Bedeutung für unser Fühlen aufgeladenen Abstrahierungen unserer Sinneswahrnehmungen.
Unser Verständnis des Sinn von Religion hat sich jedenfalls seit der Zeit von Kritias nicht wesentlich erweitert. Wir glauben nun zwar, dass und wie man alle die praktischen Dinge der Wissenschaften und des sozialen Miteinanders, also Lernen lernt, aber das Verständnis dessen, wie man Gewohnheiten bildet, wie sich das, was man gesunden Menschenverstand nennt, in uns festsetzt, zu lernen wie man lernt zu lernen oder: „Wie kann man durch ein besonderes Lernen über die Konstrukte, den Habitus, die Gewohnheiten hinausgelangen?“ – das müsste aber ein neuer Beitrag versuchen zu beantworten …

Kritias – Über die Entstehung der Religion
Es gab einmal eine Zeit, da war das Leben der Menschen jeder Ordnung bar, ähnlich dem der Raubtiere, und es herrschte die rohe Gewalt. Damals wurden die Guten nicht belohnt und die Bösen nicht bestraft. Und da scheinen mir die Menschen sich Gesetze als Zuchtmeister gegeben zu haben, auf daß das Recht in gleicher Weise über alle herrsche und den Frevel niederhalte. Wenn jemand ein Verbrechen beging, so wurde er nun bestraft. Als so die Gesetze hinderten, daß man offen Gewalttat verübte, und daher nur insgeheim gefrevelt wurde, da scheint mir zuerst ein schlauer und kluger Kopf die Furcht vor den Göttern für die Menschen erfunden zu haben, damit die Übeltäter sich fürchteten, auch wenn sie insgeheim etwas Böses täten oder sagten oder (auch nur) dächten. Er führte daher den Gottesglauben ein [und sagte]: Weiterlesen