Das Buch der Unruhe

Ich betrachte das Leben als eine Herberge, in der ich verweilen muss, bis die Postkutsche des Abgrunds eintrifft. Ich weiß nicht, wohin sie mich bringen wird, denn ich weiß nichts. Ich könnte diese Herberge als ein Gefängnis betrachten, weil ich gezwungen bin, in ihr zu warten; ich könnte sie auch als einen Ort der Geselligkeit ansehen, weil ich hier anderen Menschen begegne. Doch bin ich weder ungeduldig noch gewöhnlich. Ich überlasse die ihrer Neigung, die sich in ihr Zimmer einschließen, träge aufs Bett sinken und dort schlaflos warten, so wie ich auch die ihrem Treiben überlasse, die sich in den Salons unterhalten, aus denen Stimmen und Musik zu mir dringen und mich angenehm berühren. Ich setze mich an die Tür und berausche mich mit Aug und Ohr an den Farben und Tönen der Landschaft und singe langsam, für mich allein, undeutlich Lieder, die ich während des Wartens komponiere.

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Das Geheimnis des perfekten Tages

Die zentrale Frage des Morgens ist: Wie viel mehr Sinn steckt im Aufstehen als im Liegenbleiben? Und hat nicht jeder Zustand seine Berechtigung? Seine Selbstverständlichkeit? Ein Hahn denkt nicht nach über das Aufstehen. Ihm ist es auch egal, dass er an den Füßen keine Federn hat. Ich habe ebenfalls keine Federn an den Füßen, stehe dennoch nur ungern auf.
Ich liege. Ich lebe. Ich fühle mich wohl. Ich weiß, dass diese Feststellung auf irgendeine Art und Weise den Eindruck erzeugt, mir fehle die Tiefe. Aber warum sollte man sich nicht wohlfühlen? Man kann das Leben auch als Glücksfall begreifen! Ich sehe die Welt als Lebensort und nicht als Sterbehospiz. Sie ist bunt. In Indien stehen Sadhus für 20 Jahre auf einem Bein, um den Göttern ihre unabdingbare Unterwerfung zu beweisen. Ich glaube: Wenn Gott gewollt hätte, dass wir auf einem Bein stehen, hätte er uns das zweite nur für Notfälle im Rucksack mitgegeben.

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J. Haydn – Sonate e-moll Hob. XVI:34

Diese Klaviersonate wurde von Joseph Haydn zwischen 1776 und 1783 – nach Wikipedia vermutlich 1781/1782 – für wahlweise Cembalo oder Pianoforte komponiert (1783 veröffentlicht). Erst der Druck der Sammlung von Sonaten Hob. XVI: 40-42 wurde 1784 alleine für das Pianoforte angekündigt. Ob Haydn schon Mitte der 80er Jahre des 18. Jh. ein Hammerklavier besessen hat, wie vielfach angenommen, ist ungewiss. Erst aus dem Jahre 1788 hat Haydn selbst den Besitz seines neuen, von dem Wiener Klavierbauer Wenzel Schanz gefertigten Hammerflügels bezeugt (siehe hier). Weiterlesen

Dem Apfeln von Aische

Lucas Cranach der Ältere: Adam und EvaAlso – die Geschichte in der Bibel über das Paradies, über Adam, Aische, die Schlange und den Apfel geht in scheißendeutsch so:

Die Schlange hatte weniger an, aber mehr drauf als alle anderen Tiere des Feldes, die Adonaj, also Gott, gemacht hatte. Sie sagte zu der Frau: »Also wirklich – hat Gott etwa gesagt: ›Ihr dürft von allen Bäumen des Gartens nichts essen‹«? Da sagte die Frau zur Schlange: »Von den Früchten der Bäume im Garten können wir essen. Nur von der Frucht des Baumes in der Mitte des Gartens hat Gott gesagt: ›Esst nicht von ihr und rührt sie nicht an, damit ihr nicht sterbt.‹« Die Schlange sagte zu der Frau: »Ganz bestimmt werdet ihr nicht sterben. Vielmehr weiß Gott genau, dass an dem Tag, an dem ihr davon esst, eure Augen geöffnet und ihr so wie Gott sein werdet, wissend um gut und böse.« Da sah die Frau, dass es gut wäre, von dem Baum zu essen, daß er eine Lust war für die Augen, begehrenswert war der Baum, weil er klug und erfolgreich machte. Sie nahm von seiner Frucht und aß. Und sie gab auch ihrem Mann neben ihr. Und er aß.
Und die Frau hieß Aische und war dem Tuss von Adam. Die ganze Geschichte und wie sie beide dann voll krass aus dem Paradies gefliegt, kannst du dir hier anhören:
 
aus
Was hängßu Kreuz, Alder? – Die Bibel für Integrationswillige“
auf Kanakisch! 😉

Liebe – was ist das?

77428614_1169628Über Liebe schwätzen? Entspannt euch, reden wir vorerst über Gefühle, besser: lassen wir uns von Dietrich Dörner erklären, was Gefühle überhaupt sind und ob auch die Liebe ein Gefühl ist. Besonders interessant wird dies für uns, weil Dörner ja eine Maschine baut, die mit allem, was er bisher an Sensoren und Regelkreisen in sie eingebaut hat, nur eine Maschine sein kann, sich also nur so verhält, als ob sie wie ein Mensch Hoffnung und Furcht, Lust und Unlust, Ärger, Wut und Angst, Panik und Streß empfinden könnte. Aber wir wissen es ja besser, da wir ihr Bauprinzip kennen und nichts Geheimnisvolles oder Großartiges darin entdecken können. Ein Mensch – wie stolz das klingt sagte Maxim Gorki, und nun eine solche Blasphemie: der Mensch nichts weiter als eine Maschine?

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Was ist Moral?

moralZur Einstimmung und Erbauung ein paar wirklich dumme Sprüche über die Moral und kluge Sprüche über jene, die Moral nur predigen:

Moralisten sind Leute, die sich jedes Vergnügen versagen, außer jenem, sich in das Vergnügen anderer Leute einzumischen. [Bertrand Russell]

Die Moral ist immer die Zuflucht der Leute, welche die Schönheit nicht begreifen. [Oscar Wilde]

Erotik ist die Überwindung von Hindernissen. Das verlockendste und populärste Hindernis ist die Moral. [Karl Kraus]

Moralisten sind Menschen, die sich dort kratzen, wo es andere juckt. [Samuel Beckett]

Erst kommt das Fressen, dann die Moral. [Bertolt Brecht]

Was aber ist Moral und zu welchem Zweck kam sie über und in uns? Zunächst: Moral wäre als faktisches Handlungsmuster oder Regelwerk menschlichen Miteinanders längst ausgestorben, würde sie das Zusammenleben der Menschen nur erschweren, nur zum Zweck von Schurigelei der Menschheit aufgezwungen worden.

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