Wolfgang Amadeus Mozart: Fuge g-moll KV 401

eingespielt mit Samples der Riegerorgel im Großen Saal des Konzerthauses Wien (Vienna Konzerthaus Organ).

Hanns Dennerlein: Die vierstimmige g-moll-Fuge (KV 401)

Auch von dem Geschlecht der vierstimmigen Fuge ist ein Großwerk Mozarts bis auf wenige von Stadler hinzuergänzte Schlußtakte zur Vollendung gekommen. Es ist die g-moll-Fuge, von der auch das in Basler Privatbesitz befindliche Autograph offenläßt, ob sie als zweihändiges oder vierhändiges Werk geplant wurde. Nissen rühmt es als besonderes Verdienst Mozarts, der schwierigen Spielweise vierstimmiger Fugen durch Übertragung auf vier Hände begegnet zu sein, und so ist die vierhändige Fassung, wie sie sich auch bei Peters findet, sicherlich im Sinne Mozarts.

Der vermehrten Stimmenzahl entspricht ein erhöhter Gehalt und einzig diesem ist es zu verdanken, wenn Mozart sich die Zeit zur Niederschrift nahm. Er hatte sich Schweres von der Seele zu schreiben.

Ein ungeheuerer Ernst spricht aus diesem Werke. Wir wissen nicht, welcher Karfreitagsbekümmernis Mozart darin Ausdruck gegeben hat. Unendliches Leid wird vernehmbar aus diesem Auf und Ab ringender Kräfte, in dem die herabziehenden Gewalten die Oberhand behalten. Ist es der Tod Raimund Leopolds, des Erstgeborenen unter Mozarts sechs Kindern, der am 21. 8. 1783 nach knapp drei Monaten Leben die Eltern verwaist zurückließ? Die herkömmliche Datierung setzt das Werk allerdings in das Jahr 1782. Einstein wie St. Foix folgen in der vermuteten Entstehungszeit Köchel. Es läßt sich jedoch recht wohl denken, daß dieses ausgereifte, nahtlose Opus tatsächlich am Ende der Wiener Fugenzeit, also in der Nachbarschaft von Raimund Leopolds Tod, der kurz nach der Rückkehr der Eltern aus Salzburg erfolgte, entstanden ist. Satzkunst und Gefühlsdichte dieser Schöpfung sind so bedeutend, daß es ebenbürtig neben Joh. Sebastians Alterswerk steht und besteht. In den Spätwerken, in den beiden tiefsinnigen f-moll-Trauermusiken für Spielorgel aus dem Jahre 1791 hat Mozart noch einmal verwandte Töne angeschlagen.

Wie alle anderen großen Mozart-Fugen verlangt auch die g-moll-Fuge nach einer Introduktion. Sollte dieses Werk als einziges ohne solche isoliert stehen oder gehört zu diesem Komplex jenes Allegro in g-moll K.V. 312, das bereits bei den Heimatsonaten (S. 59) genannt wurde und dessen Hauptthema in der aufsteigenden pentatonischen Linie g-a-b-c-d und dem anschließenden verminderten Septenschritt es“-fis echte Fugenkeime enthält, die an das Thema der g-moll-Fuge anklingen. Der Kontrast des ¾–Taktes zu dem geraden der Fuge sowie jener der sonatischen Form wären ein Parallelfall zu der verwandten Kopplung solcher Gegensätze in a-moll- Tripelfuge und Einleitung KV 402.

Der Gegenwart ist die g-moll-Fuge noch ein Stück des „unbekannten“ Mozart. Selbst Abert konnte sich mit ihr nicht befreunden. Wieder war es St. Foix, der „force“ und „grandeur“ dieser Fuge erkannt hat. Es wird die Zeit kommen, die einmal gerade diesen, allen überlieferten Anschauungen widersprechenden abseitigen und abgründigen Mozart als kostbares Vermächtnis schätzen wird.

Zitiert aus
Hanns Dennerlein
Der unbekannte Mozart
Die Welt seiner Klavierwerke
Seiten 165-167
Leipzig 1955

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