Jean Titelouze: Conditor alme siderum (Hymnus zur Vesper im Advent)

Orgelhymnus von Jean Titelouze auf der Grundlage des Hymnus „Conditor alme sidereumGregors des Großen (um 540-604); eingespielt mit Samples der Riegerorgel im Großen Saal des Konzerthauses Wien (Vienna Konzerthaus Organ).

Jehan (Jean) Titelouze, * 1563 oder 1564 (?) Saint-Omer, † 24.10.1633 Rouen, war ein französischer Komponist und Organist. Er wirkte als Organist in Rouen ab 1585 an St-Jean, ab 1588 an der Kathedrale. 1610 wurde er Kanonikus. Titelouze nimmt in der Geschichte der französischen Orgelmusik eine bedeutende Stellung ein; sein Orgelsatz mit seinen subtilen Dissonanzen und neuartigen Rhythmen steht auf der Grenze zwischen der modalen und der tonalen (Dur-Moll-)Harmonik.

Frankreich hatte um 1600 keine bedeutende Orgelliteratur aufzuweisen. Titelouze ist der erste in der Reihe namentlich bekannter französischer Orgelkomponisten; seinem Werk kommt daher in der Geschichte der französischen Orgelmusik ein wichtiger Platz zu. Den Hymnes de l’Eglise, aus der der eingespielte Hymnus stammt,  liegen zwölf Hymnenmelodien zugrunde; jedes Stück bildet einen Zyklus von drei oder vier Versetten. Die Hymnenmelodie liegt entweder als cantus firmus in einer der Stimmen oder ist in kurze Zeilen aufgeteilt, die das thematische Material zu kleinen fugierten Expositionen liefern. Demgemäß ist in den Versetten zu unterscheiden zwischen cantus firmus – und fugierten Versetten. Obgleich man aus dem Titel schließen könnte, dass diese Sammlung drei Formen enthält, und zwar ein Präludium, dem der Hymnus als cantus firmus zugrunde liegt, die Fuge und das Ricercar, zeigen die fugierten Versetten eine übereinstimmende kompositorische Struktur; diese Form ist also zweimal im Titel erwähnt.
Der cantus firmus wird fast immer vollständig gebracht, und Titelouze verzichtet völlig auf die Kolorierung, wohl um der Strenge des polyphonen Gewebes keinen Abbruch zu tun. Bemerkenswert ist, dass der cantus firmus in einigen Versetten in seinen verschiedenen Zeilen von einer Stimme in eine andere hinüberwechselt. Die fugierten Versetten sind 3- bis 5teilig; Beschaffenheit und Länge der Expositionsthemen können mehr oder weniger von den cantus firmus-Zeilen abweichen. Zwei Versetten sind als Orgelpunkt-Sätze aufgebaut.

Diapente – nach διά (dia) πέντε (pente), „jede fünfte oder alle fünf“ – ist die altgriechische Bezeichnung für das Intervall der Quinte. In Musiktraktaten und Anweisungen zur Ausführung von Kanons wird auch zwischen Epidiapente für den Einsatz auf der Oberquinte und Hypodiapente für den Einsatz auf der Unterquinte differenziert

Der Hymnus »Conditor Alme Siderum« gehört zu den bekanntesten Hymnen im Advent und seine Entstehung reicht bereits in die Spätantike (7. Jahrhundert) zurück. Der Verfasser des Textes ist nicht überliefert. Im Zuge einer Überarbeitung der Hymnen des Römischen Breviers im Jahr 1632 durch Papst Urban VIII. wurden die Lieder zum Advent stark verändert und auch dieser Hymnus bildete keine Ausnahme. Nur eine Zeile des ursprünglichen Hymnus blieb in dieser revidierten Fassung erhalten. Mittlerweile wird in der katholischen Liturgie aber wieder jene Fassung verwendet, die bereits im 10. Jahrhundert im Kloster Kempten nachgewiesen wurde. Von dort ist auch die heutige Melodie überliefert.

Conditor alme siderum: Der eigentlich sechsstrophige, später aber um Strophe 5 erweiterte Hymnus ruft Christus an und preist diesen als den ewigen, mit dem Vater wesensgleichen Sohn Gottes, welcher aus der Jungfrau Maria Mensch wurde, um die todverfallene Menschheit und somit die gesamte Schöpfung zu erlösen und seiner Herrschaft zu unterstellen. In der vorletzten Strophe wird der kommende Weltrichter um Schutz vor den Angriffen des Teufels angerufen. Das Ende des Hymnus bildet ein Gebet, genauer: eine trinitarische Doxologie.
»Conditor Alme Siderum« als Text

Der komplette Hymnus »Conditor Alme Siderum« auf Latein:

Conditor alme siderum,
aeterna lux credentium,
Christe, redemptor omnium,
exaudi preces supplicum.

Qui condolens interitu
mortis perire saeculum,
salvasti mundum languidum,
donans reis remedium,

Vergente mundi vespere,
uti sponsus de thalamo,[3]
egressus honestissima
Virginis matris clausula.

Cuius forti potentiae
genu curvantur omnia;
caelestia, terrestria[4]
nutu fatentur subdita.

Occasum sol custodiens,
Luna pallorem retinens,
Candor in astris relucens
Certos observant limites.

Te, Sancte, fide quaesumus,
venture iudex saeculi,
conserva nos in tempore
hostis a telo perfidi.

Laus, honor, virtus, gloria
Deo Patri cum Filio
Sancto simul Paraclito,
in sempiterna saecula.

Amen.

Die deutsche Übersetzung des Hymnus:

Erhabener Schöpfer der Gestirne,
ewiges Licht der Glaubenden,
Christus, Erlöser aller,
erhöre die Bitten der Flehenden.

Mitleidend mit der Welt,
die im Todesuntergang verging,
hast du die kranke Welt gerettet,
indem du den Angeklagten das Heilmittel schenktest;

als der Abend der Welt sich senkte,
wie der Bräutigam aus dem Brautgemach
hervorgegangen aus der ehrwürdigsten
Zelle der jungfräulichen Mutter;

du, vor dessen gewaltiger Macht
alles die Knie beugt,
auf dessen Wink Mächte des Himmels und der Erde
sich unterworfen bekennen.

Die Sonne, die ihre Untergangszeit einhält,
der Mond, der seinen bleichen Schein behält,
der weiße Glanz, der in den Sternen widerleuchtet,
sie beachten die bestimmten Grenzen.

Dich, Heiliger, bitten wir vertrauensvoll,
kommender Richter der Welt,
bewahre uns in der Zeit
vor dem Geschoss des treulosen Feindes.

Lob, Ehre, Macht, Herrlichkeit
Gott dem Vater mit dem Sohn
wie auch dem heiligen Tröster
in alle Ewigkeit.

Amen.

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