J. S. Bach: Vier Duette BWV 802-805 für Orgel

 

Elsie Pfitzer unterstellten in der „Edition Bachakademie – Die Gesamteinspielung aller Werke Johann Sebastian Bachs“ den  vier Duetten einen religiösen Sinn, der weitgehend mit der Analyse von Joachim Winkler in Möglichkeiten des Verständnisses der Duette I und II übereinstimmt,   Ausdruck zu verleihen:

Die Vier Duette BWV 802 bis 805 sind ein Kleinzyklus im großen Kosmos des Dritten Theils der Clavier Übung, denn sie gehören nicht nur stilistisch zusammen, sondern sind auch durch ihre Tonartenfolge (e – F- G – a) als eine Einheit konzipiert. Ihre Anzahl lässt wieder an das ganze Universum denken (vier Himmelsrichtungen, vier Jahreszeiten, vier Charaktere etc.), sodass keineswegs auszuschließen ist, dass Bach mit der Einfügung der vier Stücke hier auf die Gültigkeit der Inhalte der „Orgelmesse“ für „alle Welt“ hindeuten wollte. Der Bachforscher Gunther Hoffmann sieht sogar die großen Aspekte des Lebens und Wirkens Jesu darin dargestellt: Passion – Ostern – Himmelfahrt – Pfingsten.
Duett I e-Moll BWV 802 ist sehr konzentriert gearbeitet: In den ersten acht Takten wird das Thema und sein Kontrapunkt vorgestellt, und alles weitere Material (für insgesamt 73 Takte!) ist hierin schon enthalten. Dennoch klingt wieder alles spielerisch, fast tänzerisch leicht. Die einzelnen Durchführungen sind durch Zwischenspiele voneinander abgesetzt, deren Material aus Fortspinnungen des Themas gewonnen ist. Mit seiner Tonart e-Moll, der affektbetonten Deklamation und der fallenden chromatischen Linie steht Duett I Stücken zur Leidensthematik wie zum Beispiel dem Crucifixus der h-Moll-Messe (BWV 232, 16) oder der Arie Erbarme dich aus der Matthäus-Passion (BWV 244, 47) nahe. Auf diesen Symbolgehalt der Passion deutet außer dem Affekt des Leidens auch die Anzahl der 73 Takte hin, die im Zahlenalphabet eine Verschlüsselung des Wortes „Filius“ (= Sohn) sind, also auf Jesus, den Sohn Gottes hinweisen.
Duett II F-Dur BWV 803 setzt diesem Affekt der Passion eine Stimmung der Freude entgegen. Es ist ein dreiteiliger, fugierter Sonatensatz mit Da capo. Das dreiklangsbestimmte Hauptthema bringt Bach im Duchführungsteil in Engführung, ebenso auch das chromatische Seitensatzmotiv und die Themenumkehrung. Hieraus ergeben sich reizvolle harmonische Wendungen. Die Dreiklangsmotivik ist bei Bach häufig mit der Botschaft von der Auferstehung verknüpft; so liegt hier eine Deutung des zweiten Duetts als Symbol der freudigen Osterbotschaft nahe.
Duett III G-Dur BWV 804 ist ein wiegendes fugiertes Siciliano im 12/8-Takt mit ebenfalls stark vom Dreiklang geprägter Thematik. Zunächst wechseln Themendurchführungen und Zwischenspiele sehr regelmäßig, um im weiteren Verlauf sich immer mehr gegeneinander zu verschieben, sodass ständig neue Kombinationen entstehen. Die lebhafte, „sich verflüchtigende“ Sechzehntelfiguration kann aufgrund zahlreicher Beispiele in Bachs Werken als Sinnbild für die Himmelfahrt gedeutet werden.
Duett IV a-Moll BWV 805 schließlich ist eine Fuge mit einem weit ausgreifenden Thema, das nach seiner Vorstellung mit den unterschiedlichsten Gegenstimmen kombiniert wird, auch in verschiedene Einheiten von acht- bzw. fünfzehn Takte aufgeteilt. Der Gesamteindruck dieses Duetts ist somit vor allem ein Bild dafür, wie sich unterschiedlichste Elemente zusammenfinden können, wenn nur der Heilige Geist (symbolisiert durch bewegte Achtelfigurationen im zweiten Teil des Themas) dies bewirkt,

Eine weitere musikalische Analyse dieser Vier Duette findet der interessierte Leser bei Joachim Winkler: Vier Duette / BWV 802-805 (Einführung).

Meine früheren Versuche einer Interpretation:

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