Hanaq pachap kusikuynin (Freude des Himmels)

Südamerkanische Barockmusik in der Quechua-Sprache

– zu singen in Prozessionen beim Betreten der Kirche –

Die Entdeckung Amerikas wurde als das größte Ereignis in der Weltgeschichte beschrieben. Die Abenteuer von Cortez in Mexiko und Pizarro in Peru im frühen 16. Jahrhundert sind gut belegt, und der phantastische materielle Reichtum, auf den sie stießen, fand nur in dem von ihm ausgelösten Geiz und der unvorstellbaren Brutalität der „Konquistadoren“ seinesgleichen. Die jene Invasion begleitende Ausbreitung des Christentums ist wahrscheinlich weniger bekannt, wie wohl auch die unglaubliche Geschwindigkeit, mit der die katholische Kirche über ein riesiges Gebiet hinweg ein Bildungs- und Bauprogramm betrieb. Viele der Indianer lebten in hochorganisierten Zivilisationen, allen voran die Azteken und Inkas, und waren neuen Ideen gegenüber sehr aufgeschlossen, besonders was die Musik betraf, die schon in ihren bisherigen Lebensformen eine wichtige gesellschaftliche und religiöse Rolle spielte. In den nächsten 200 Jahren wurde in den Zentren Südamerikas wie Mexiko City, Puebla und Oaxaco in Mexiko, Lima in Peru, Sucre in Bolivien und Córdoba in Argentinien eine atemberaubende Fülle von Musik geschaffen. Diese enorme Ansammlung wunderbarer Musik, die Kulturen aus drei Kontinenten bündelte, ist in unserem globalen Zeitalter erstaunlicherweise immer noch wenig erforscht.

In vielen Zentren begannen die Priester, die Liturgie durch gregorianische Choräle zu vermitteln. Erst mit der Zeit führten sie Polyphonie ein und gaben Anleitungen zum Spielen und Herstellen von Instrumenten. Qhapaq eterno Dios ist eine vom franziskanischen Ordensbruder, Gerónico de Oré, ins Quechua (die Sprache der Inkas) übersetzte Version des Apostolischen Glaubensbekenntnisses. Oré arbeitete mit 30000 Indianern im Jauja-Tal nur wenig östlich von Lima in Peru. Sein in Quechua geschriebenes Handbuch religiöser Lyrik, Symbolo Catholico Indiano, wurde 1598 veröffentlicht. Ein anderer franziskanischer, in Cuzco wirkender Priester, Juan Pérez Bocanegra, beendete sein Ritual mit Hanaq pachap kusikuynin, das ebenso in Quechua geschrieben steht. Es ist das erste veröffentlichte polyphone Werk in Amerika und erschien 1631 im Druck. Es ist mit dem Hinweis versehen: „zu singen in Prozessionen beim Betreten der Kirche“.

Aus dem Begleitheft der CD
„Fire Burning in Snow – Barockmusik aus Südamerika“
Hyperion, CDA67380

Diese Prozessionsmusik ist auch im Film  “Mission” zu hören. Er berichtet von der blutigen Vernichtung der ersten, von Jesuiten initiierten Indianerrepublik im 18. Jahrhundert durch die Portugiesen.

Die Verse 16 bis 21 von der CD „Fire Burning in Snow“ – Barockmusik aus Südamerika:


Der Anfang des Textes (er umfasst ca. 100 Strophen!) im Original und in deutscher Übersetzung:

Hanaq pachap kusikuynin

Waranqakta muchasqayki

Yupay ruru puquq mallki

Runakunap suyakuynin

Kallpanaqpa q’imikuynin

Wakyasqayta

Uyariway muchasqayta

Diospa rampan Diospa maman

Yuraq t’uktu hamanqayman

Yupasqalla, qullpasqayta

Wawaykiman suyusqayta

Rikuchillay

Gloria kachun Dios yayapaq

Dios churipaq hinallataq

Santo Espiritu paqwantaq

Kachun gloria wiñayllapaq

Kawsaykunap, kawsayninpaq

Kusi cachun. Amen

 

Freude des Himmels,

tausendfach wollen wir dich preisen.

O Baum, der dreifach gesegnete Frucht trägt,

O Hoffnung der Menschheit,

Helfer der Schwachen,

höre unser Gebet!

Erhöre unsere Bitten,

O Säule aus Elfenbein, Mutter Gottes!

Schöne Lilie, gelb und weiß,

nimm dieses Lied an, das wir dir darbringen.

Komm uns zur Hilfe,

zeige uns die Frucht deines Leibes.

Ehre sei dem Herrn,

und seinem Sohn gleichermaßen,

und auch dem Heilgen Geist-

Ehre sei für alle Ewigkeit.

Für das Leben aller Nahrungsmittel

möge Freude sein. Amen

 


 


 

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